Gelsenkirchen. Vier Abiturienten des Gelsenkirchener Gauß-Gymnasiums freuen sich über einen 0,9er-Schnitt. Vom Strebervorwurf und dem verrückten Corona-Abi.

Fast schon wehmütig stehen die Abiturienten Jan Blaut, Nikolas Begalke, Tom Kuschel und Joelina Marquardt auf dem Schulhof des Gelsenkirchener Gauß-Gymnasiums. Es ist 9.26 Uhr, Schüler toben umher, schreien und spielen. Ein ungewohntes Bild für das Quartett, das zum einen der letzten Male auf dem Gelände ist.

Distanzunterricht, Hybridunterricht, Präsenzunterricht: Blaut, Begalke, Kuschel und Marquardt haben ihr Abitur unter Extrembedingungen bestanden. Corona hat alles durcheinandergewirbelt und die vier dennoch nicht beeindruckt: Sie haben die Marke von 840 Punkten geknackt. Das entspräche einem Abiturschnitt von 0,9 – weil es diese Note aber offiziell nicht gibt, steht auf ihren Zeugnissen die Note 1,0. In der WAZ erzählen von ihrem Muster-Abschluss, einer verrückten Abizeit und ausgereiften Zukunftsplänen.

Jan Blaut freut sich auf die Zeugnisvergabe – und will Rechtswissenschaften studieren.
Jan Blaut freut sich auf die Zeugnisvergabe – und will Rechtswissenschaften studieren. © FUNKE Foto Services | Ingo Otto

Jan Blaut (18 Jahre aus Ückendorf, 844 Punkte): „Schon zu Grundschulzeiten waren ein Kollege und ich bekannt dafür, Einserschüler zu sein. Wir hatten eine freundschaftliche Rivalität zwischen uns. Anscheinend hat sich das durchgezogen. Ich wurde auch mehrmals als Streber bezeichnet, aber das war nie ein Problem für mich, weil ich das als Anerkennung wahrgenommen habe.

Ich hatte die Leistungskurse Mathe und Englisch und zudem Erdkunde bilingual und Physik im Abi. Naturwissenschaften liegen mir, ich wollte früher auch immer in den Bereich einsteigen. Ich bin zuletzt in eine andere Richtung gegangen und will Rechtswissenschaften studieren. Am liebsten in Bonn. Das Gute wäre, dass das nahe am Ruhrgebiet liegt, sodass ich öfters zurückkommen könnte.

Natürlich ist es schade, dass wir den Abschluss nicht so feiern konnten wie das in Vorjahren möglich gewesen ist. So bin ich einfach glücklich, dass es eine große Zeugnisübergabe im Circus Probst geben wird. Ich spiele Klavier und versuche, für die Vergabe etwas vorzubereiten. Den Abend am Tag der Verleihung werde ich gemeinsam mit meinen Freunden verbringen.“

Will im kommenden Jahr in die USA: Nikolas Begalke.
Will im kommenden Jahr in die USA: Nikolas Begalke. © FUNKE Foto Services | Ingo Otto

Nikolas Begalke (17 Jahre aus Bulmke-Hüllen, 843 Punkte): „Ich habe nicht damit gerechnet, einen besseren Schnitt als 1,0 zu erreichen. Das erste Halbjahr in der Q1 lief gar nicht so gut, aber irgendwann entwickelte sich das einfach. Als Leistungskurse hatte ich Mathe und Sport, das ist mein absolutes Lieblingsfach.

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Mithilfe eines Sportstipendiums will ich ab 2022 in die USA gehen und dort ein paar Jahre an einem College bleiben. Mein Wunsch wäre, nach Florida zu kommen, andere Orte wären ebenfalls vorstellbar. Ich weiß noch nicht, was für ein Studium ich machen möchte, wahrscheinlich Sportmanagement. Mein Schnitt kommt mir zugute und auch, dass ich bei Westfalia Herne vergleichsweise hochklassig Fußball spiele. Bis dahin werde ich nebenbei arbeiten gehen.

Dass man nur zuhause lernen konnte, war eigentlich ganz nett, alles andere weniger. Bei mir sind drei Abschlussfahrten ausgefallen, dazu konnten Geburtstagsfeiern nicht stattfinden. Nach den Sommerferien will ich mit meinen Freunden nach Mallorca reisen, mal schauen, ob das klappt.“

Tom Kuschel könnte die Zeugnisvergabe verpassen. Zeitgleich finden die Deutschen Ruder-Meisterschaften statt. Der 17-Jährige tritt an.
Tom Kuschel könnte die Zeugnisvergabe verpassen. Zeitgleich finden die Deutschen Ruder-Meisterschaften statt. Der 17-Jährige tritt an. © FUNKE Foto Services | Ingo Otto

Tom Kuschel (17 Jahre aus Heßler, 842 Punkte): „Am Tag der Zeugnisvergabe, dem kommenden Samstag, ist das Halbfinale der Deutschen Ruder-Meisterschaften. Dort trete ich im Einer an. Es sind meine ersten Meisterschaften und wir haben die vergangenen zwei Jahre lang keine Regatta gehabt. Wenn ich ins Halbfinale komme, würde ich halt nachkommen und mein Zeugnis später abholen.

Ich fand es eigentlich ziemlich gut, dass man zuletzt so viel im Home-Office war und hatte die Leistungskurse Informatik und Mathe sowie Deutsch und Sowi im Abi. Dadurch, dass die Lehrer manches aus dem Abitur herausstreichen konnten, wurde es einfacher. Zudem hatten wir durch Corona quasi früher Zeit, um lernen zu können. In der Mottowoche konnten wir wenig zusammen machen, durften uns lediglich verkleiden, jedoch keine Musik anmachen oder Aktionen planen. An einem Tag haben wir uns als „Wilde-Kerle“-Mannschaft verkleidet.

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Erst einmal werde ich ein Jahr lang den Bundesfreiwilligendienst beim THW absolvieren. Ich hatte zunächst überlegt, direkt zu studieren, aber ich wollte nicht mit 17 wegziehen. Danach ist mein Plan, ein Duales Studium im Bereich Mechatronik zu beginnen. Ich würde gerne in die Automobilbranche gehen.“

Sie hat schon einen Studienplatz. Joelina Marquardt zieht es nach Düsseldorf an eine Privatuni – mit der besten Voraussetzung, einem 0,9er-Abitur.
Sie hat schon einen Studienplatz. Joelina Marquardt zieht es nach Düsseldorf an eine Privatuni – mit der besten Voraussetzung, einem 0,9er-Abitur. © FUNKE Foto Services | Ingo Otto

Joelina Marquardt (18 Jahre aus Bismarck, 840 Punkte): „Ich habe immer gesagt, dass ich froh bin, wenn die Schule vorbei ist. Aber jetzt ist es ein komisches Gefühl. Man konnte jeden Tag seine Freunde sehen und hatte ein Gemeinschaftsgefühl. Es ist schade, dass das jetzt wegfällt.

Beim Distanzunterricht ging es am Anfang etwas drunter und drüber, es war für jeden eine ungewohnte Situation. Nach ein paar Wochen hat sich alles verbessert und die Lehrer haben uns gut vorbereitet. Das Wichtigste haben wir durchbekommen, die Zeit war am Ende besser als gedacht. Parties oder der Abiball gehören dazu, da freut man sich eigentlich drauf, doch den Umständen entsprechend war es ein schönes letztes Jahr, das anders als geplant war.

Sprachen lagen mir richtig gut, aber Mathe war mein Lieblingsfach. Ich hatte es gemeinsam mit Englisch als Leistungskurs, Deutsch und Sowi auf Englisch im Grundkurs. Es war ein bisschen absehbar, dass ich ein gutes Abitur machen werde, mit dem Ergebnis habe ich allerdings nicht gerechnet. Wenn es möglich ist, werde ich bald mit ein paar Freundinnen in den Urlaub fliegen. Ab Oktober werde ich an einer Düsseldorfer Privatuni International Marketing und Management studieren. Ein Traum wäre es, vielleicht irgendwann durch den Beruf nach New York zu kommen.“