Gelsenkirchen-Horst. Wie der bisherige Fördervereins-Chef Wolf Hoffmann PR in lokalhistorischer Mission betrieb. Und wie er Gelsenkirchens Ruf damit aufpolierte.
Am Pranger stand er oft genug, buchstäblich und gerne. Nun muss jemand anders seinen Hals hinhalten und die Hände fesseln lassen im Dienste der Museumspädagogik von Schloss Horst: Wolf-R. Hoffmann tritt nach zwölf Jahren als Vorsitzender des Fördervereins ab. Das größte Abschiedsgeschenk haben ihm die Mitglieder bei der Jahreshauptversammlung gemacht. Es hat sich überraschend doch ein neuer Vorstand zusammengefunden – damit ist der Verein gerettet.
„Ich bin wirklich sehr froh“, sagt Hoffmann erleichtert. Denn dass jener 1985 gegründete Förderverein kurz vor der Auflösung stand, ohne den das Schloss wahrscheinlich noch immer eine Ruine wäre, trieb den Horster seit Anfang 2020 um. Um einen Vorstandsposten wollte sich damals keiner so recht bewerben.
Gelsenkirchener war Museumspädagoge mit Leidenschaft
Erst als die Zeit drängte und der Verein dem wissenschaftlichen Mitarbeiter und der Verwaltungskraft kündigen musste, weil die Zukunft völlig offen war, geriet Bewegung in die Sache. „Zum Glück hat sich nun mit den Akteuren um den neuen Vorsitzenden Dr. Michael Kasperski ein Team gefunden, das Feuer hat und Dampf macht. Davon können Verein und Schloss Horst nur profitieren.“
Was die Leidenschaft für das Renaissance-Denkmal und das Museum angeht, so ist Hoffmann seit 2009 als Vorsitzender des Fördervereins mit gutem Beispiel vorangegangen. Schließlich hat er die Museumspädagogik mit Kindergeburtstagen, (Themen-)Führungen, Ferienfreizeiten und Veranstaltungen wie dem Mittelalter-Fest „Gaudium“ maßgeblich aufgebaut.
Lokalgeschichte zum Anfassen
„Als ich antrat, war das Schloss fertig saniert, das Museum aber noch in Planung. Erst 2010 wurde der erste Teil im Keller eröffnet“, berichtet der 63-Jährige. Während der damalige Schloss-Horst-Leiter Elmar Alshut – später mit Unterstützung des wissenschaftlichen Mitarbeiters Benjamin Bork – das Museumskonzept entwickelte und Info-Texte schrieb, war es Hoffmann, der die Inhalte (kindgerecht) vermittelte. Nach und nach führten dann auch Honorarkräfte und Bork derartige Veranstaltungen durch.
Auf seine Initiative hin und mit Finanzierung des Fördervereins wurden etwa authentische Gewänder und Rüstungen angeschafft – der Renner bei allen Kindergeburtstagen, weil sie eben nicht nur ehrfurchtsvoll angeschaut, sondern anprobiert werden können. Auch seine Themenführung über Medizin in Mittelalter und Renaissance machte Geschichte erleb- und begreifbar. Ergänzt wurden sie durch Führungen von Bork zu Baumeistern und von Historikerin Dörte Rotthauwe zu Frauen auf der Schlossbaustelle.
Überzeugungsarbeit bei Schauspiel-Gruppen, die von Gelsenkirchen nur Schalke kannten
„Ich hoffe doch sehr, dass solche Veranstaltungen nach Corona wieder genauso beliebt sein werden wie vor der Pandemie, als wir jährlich 150 Führungen durch das Schloss organisiert haben“, so Hoffmann, mit Alshut zugleich „Hebamme“ des „Gaudium“-Formats, das mittlerweile alle zwei Jahre Tausende Besucher nicht nur aus Gelsenkirchen nach Horst lockt.
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Nach der Premiere 2007 war der 63-Jährige ab 2012 federführend für das Programm und die Organisation des zuletzt mehrtägigen Open-Air-Spektakels verantwortlich. „Anfangs musste ich schon viel Überzeugungsarbeit bei den historischen Schauspiel-Gruppen leisten, die Gelsenkirchen nur in Zusammenhang mit Schalke kannten und wenig Lust hatten, für ein unbekanntes Mittelalter-Fest mit kleiner Aufwandsentschädigung einen Urlaubstag zu opfern. Aber im Laufe der Jahre hat sich das ,Gaudium’ einen Namen in der Szene erarbeitet und ist nun etabliert.“
In Horst gibt’s keine Ritter in Turnschuhen
So schleicht sich denn auch etwas Wehmut bei Hoffmann ein, wenn er an das tiefe Gefühl der Befriedigung denkt, mit dem er immer die Aufbautage beendete: „Morgens sah der Bereich rund ums Schloss noch normal aus, um 18 Uhr standen dann nicht nur Elektrik, WC-Wagen und Müllcontainer, sondern auch Ritterlager, Landsknecht-Zelte und der Mittelalter-Markt. Wenn ich dann über den Platz und die Wiesen ging, wusste ich, wofür ich das alles mache. Der Aufwand ist riesig.“
Viel Wert legte er dabei immer auf die Authentizität. „Bei uns in Horst gibt es keine Ritter in Turnschuhen oder Landsknechte mit Zigarette oder Bierflasche“, erzählt er nicht ohne Stolz, aber auch voll Bedauern, dass die jüngste Ausgabe 2020 wegen der Pandemie ausfallen musste.
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Was er künftig vorhat, so ohne Klinkenputzen beim Einwerben von Spendengeldern, ohne Repräsentationspflichten etwa bei der Verleihung des Ehrenamtspreises „Horster Löwe“ und ohne Arbeit hinter den Kulissen von Museumspädagogik und Gaudium? „Ich will noch was von der Welt sehen und mehr Zeit für meine Familie haben“, sagt der Vater von drei Töchtern und Opa eines Enkelkinds. Auch seine diversen Boots- und Segel-Führerscheine will er wieder reaktivieren und einer Tochter beim Renovieren eines Hauses aus dem 19. Jahrhunderts helfen. „Mit Denkmälern kenne ich mich ja aus.“