Gelsenkirchen-Hassel. In Gelsenkirchens Hotspots wurde am Wochenende gegen Corona geimpft. Doch nicht alle, die die Stadt erreichen wollte, folgten dem Aufruf.

Hier und heute darf jeder – vorausgesetzt, man ist rechtzeitig da. Und so ist die Schlange derer, die am Stadtteilzentrum in Gelsenkirchen-Hassel für eine Injektion des Corona-Impfstoffs von „Johnson & Johnson“ anstehen, auch lang, reicht entlang des Eppmannswegs bis zur Sekundarschule. Noch. Denn jetzt, um acht Uhr morgens und mit dem Startschuss, teilen Mitarbeiter des Kommunalen Ordnungsdienstes (KOD) die Impfwilligen in 30er-Gruppen auf, weisen ihnen eine Zeit zu und kennzeichnen die Impfberechtigung durch ein Armband. Dann dürfen die Menschen zunächst nach Hause gehen und im Tagesverlauf wiederkommen.

„Entgegen unserer Annahme haben wir bei unserem Einsatzbeginn um sechs Uhr morgens etwa zehn Wartende angetroffen“, erzählt Jennifer Holthaus, heute die Einsatzleiterin beim KOD für den Norden. Eine Stunde später erst seien spürbar mehr Menschen gekommen. Jetzt gerade sind es rund 180 Personen, die hier warten. Ganz entspannt. „Die Organisation ist wirklich gut.“

Das sagen die Gelsenkirchener zu der Aktion

Menschen aus ganz unterschiedlichen Bevölkerungsgruppen nutzen diese Gelegenheit. Eine von ihnen ist die 19-jährige Nicola Seitz. „Bislang war ich zu jung, habe den falschen Beruf und eine zu gesunde Familie“, sagt sie und lacht. Sie wohne noch zu Hause und es gehe ihr vor allem darum, ihre Familie zu schützen. „Natürlich würde ich mich freuen, auch mal wieder unbeschwert raus gehen zu können. Aber grundsätzlich ist mir die Gesundheit meiner Familie wichtiger.“ Bedenken wegen eventueller Impffolgen hat die junge Frau nicht.

Wer Impfberechtigt ist, bekommt ein Armband.
Wer Impfberechtigt ist, bekommt ein Armband. © FUNKE Foto Services | Frank Oppitz

Gudrun Pollender hat die schon ein bisschen. Trotzdem wagt sie heute den so wichtigen Schritt. „Ich bin 60 Jahre alt und war bisher noch nicht an der Reihe. Aber mittlerweile kommen mir deutlich jüngere Menschen entgegen und sagen, sie sind bereits geimpft, während ich noch immer gewartet habe, dass die älteren Leute durch sind. Das geht schon auf die Psyche“, sagt sie ehrlich und ist froh, dass sie jetzt ihr Armbändchen und damit die Injektion sicher hat.

Ehrenamtliche Helfer unterstützen bei der Impfung

Im Stadtteilzentrum selbst ist das Impfen bereits in vollem Gange. „Die Stimmung unter den Menschen ist sehr gut“, berichtet Johannes Heinrich, Geschäftsführer des örtlichen Deutschen Roten Kreuzes. „Das Wetter spielt mit und alle, die jetzt hier sind, wissen ja auch, dass sie eine Impfung erhalten.“ Das Ablauf sei auch deswegen reibungslos, weil die Räumlichkeiten optimal seien und das medizinische Team aus dem Impfzentrum komme. „Die wissen, was sie tun.“

Zettel gaben Auskunft über die voraussichtliche Wartezeit.
Zettel gaben Auskunft über die voraussichtliche Wartezeit. © FUNKE Foto Services | Frank Oppitz

Ergänzend sind einige ehrenamtliche Helfer vor Ort. So wie George Paun. Der junge Mann hat rumänische Wurzeln, spricht gleich mehrere Sprachen und hilft bei Verständigungsproblemen. Auch bei eventuellen Ängsten leistet er Aufklärungsarbeit. „In Osteuropa hat das Impfen nicht in allen Regionen so eine Tradition“, erklärt er, warum manch ein Gelsenkirchener mit Migrationshintergrund in seinem Leben nur selten geimpft wurde.

Nur wenige Migranten – diesen Tipp gibt Erkan Karabacak der Stadt

Jene, die das betrifft, sind aber kaum gekommen – wohl der einzige Wermutstropfen der sonst so sinnvollen Aktion, die Menschen mit Migrationshintergrund oder aus schwierigen sozialen oder Wohnverhältnissen hatte erreichen wollen. „Wir haben eine intensive Ansprache in den so genannten Communities gemacht“, erklärt Gesundheitsdezernent Luidger Wolterhoff, der eben eingetroffen ist, um sich selbst ein Bild zu machen von Ablauf und Erfolg der Aktion. „Ich glaube, dass wir die richtigen Kanäle gewählt haben um die zu erreichen, die wir an erster Stelle im Fokus hatten.“ Zumal, so betont er, zur Zeit der Bewerbung um diese zusätzlichen Impfdosen die Fallzahlen in ganz Hassel sehr hoch gewesen seien. Natürlich werde man im Nachgang auswerten, welche Bevölkerungsgruppen man erreichen konnte.

Und man will nachlegen. Am liebsten später. „Wenn alle, die wollen, eine Impfung erhalten haben, werden wir uns um die Menschen bemühen, die sich bei der Entscheidung für eine Impfung schwerer tun.“ Dann wolle und werde man auch kleinteilige Angebote vor Ort machen, vielleicht in Sportvereinen, Kirchen oder Moscheen.

So viele Dosen wurden am Wochenende verimpft

Impfung an zwei Standorten

Zunächst an zwei Orten im Stadtgebiet, dem Stadtteilzentrum Hassel und der Gesamtschule Ückendorf, wurde an diesem Wochenende geimpft – je 250 Dosen des Vakzins „Johnson & Johnson“ pro Tag. Am kommenden Wochenende (5. und 6. Juni) wird an den Gesamtschulen Erle und Horst sowie am Berufskolleg Königstraße geimpft.

Wie auch in Hassel lief es am Samstagmorgen in Ückendorf reibungslos ab. An beiden Orten hatten sich bis neun Uhr morgens rund 180 Personen eingefunden. Es hatten also auch jene Chancen, die nicht ganz so früh aufstehen mochten.

Beim Blick auf die Schlange der Wartende sticht eine Familie ins Auge, die der erhofften Zielgruppe angehört. Erkan Karabacak ist gekommen, sich seine Corona-Impfung abzuholen. „Wir waren sehr froh. Über den Hausarzt bekommt man ja gar keinen Termin. Aber wir hätten uns gewünscht, dass noch mehr Menschen aus der ausländischen Community kommen.“ Er selbst sei sehr aktiv in den sozialen Netzwerken, folge dort auch der Stadt Gelsenkirchen. „Aber viele andere haben von dieser Aktion gar nichts erfahren.“ Sein Tipp: „Ein Aushang wäre gut gewesen.“ Es sei eben nicht jeder online aktiv. „Das muss über viele Ecken laufen. Ein Plakat in den türkischen Supermärkten, das wäre super gewesen. Nur so als Idee – für die Zukunft.“

Am Sonntag zog die Stadt dennoch eine positive Bilanz: Der komplette Impfstoff sei an den Mann beziehungsweise die Frau gebracht worden, insgesamt wurden 660 Dosen verimpft, 330 in Ückendorf, 300 in Hassel. Das waren mehr als die eigentlich für diese Aktion zur Verfügung stehenden 250 Impfdosen pro Standort. „Wir konnten mehr Dosen aus den angelieferten Vials generieren, zudem haben wir noch eine Sonderlieferung aus den heute gleichzeitig laufenden Impfungen in den Flüchtlingsunterkünften mitverimpfen können“, freute sich der stellvertretende organisatorische Leiter des Impfzentrums, Julius Leberl. Insgesamt sei die Aktion ruhig und geordnet verlaufen.