Gelsenkirchen. Am 22. Juni 1971 wurde das Zentralbad in Gelsenkirchen eingeweiht. Vom Anfang und beschlossenen Ende der größten Schwimmhalle der Republik.
Als das Zentralbad an der Overwegstraße vor 50 Jahren – am 22. Juni 1971 – eröffnet wurde, war es mit seinen vier Wasserflächen unter einem Dach die größte Schwimmhalle der Bundesrepublik. Sechs Schwimmbahnen mit Startblöcken, Fehlstartmeldeanlage, Sprungturm, elektrischer Zeitnehmeranlage, Unterwasserscheinwerfern, Schaufenstern unter der Wasserfläche – Gelsenkirchener Schwimmer sollten bereit sein für Unterwasser-Fernseh-Kamerafahrten. Und für das Publikum der geplanten nationalen Schwimmwettbewerbe hatte Architekt Peter Schneider bei seinem „Meisterstück“ eine große Tribüne eingeplant. Zur Eröffnungsfeier war die Schwimmer-Elite der Republik zu Gast.
Für große Wettkämpfe fehlten anfangs einige Zentimeter am Becken
Mit den großen Wettbewerben wurde es allerdings zunächst nichts. Die Planer hatten zwar die Wettbewerbsvorgaben für Beckengrößen im Blick, aber nicht, dass auf die Rohbaubecken noch Fliesen angebracht werden mussten. Es fehlten Zentimeter für die nationale Wettkampferlaubnis, nachgebessert wurde erst Jahre später. Die Schwimmer aber schätzten ihr neues Paradies mit 1100 Quadratmetern Wasserfläche trotzdem. Vielleicht auch wegen der wunderbar warmen Duschen (ohne Zeitbeschränkung wie im alten Hallenbad) und der molligen Hallentemperatur. Stärken konnten sich die Sportler in der Milchbar, ein Getränkeautomat spendete auch Gemüsebrühe.
Energiebedarf wie für 1000 Wohnungen bei Minus 12 Grad Außentemperatur
Neben dem Schwimmbetrieb lockten Sauna, römisches Bad, medizinische Wannenbäder und Höhensonnen die Besucher. Den Wärmebedarf des neuen Bades im Betrieb beschrieb das Bäderamt damals als ausreichend für das Heizen von 800 bis 1000 Wohnungen bei minus zwölf Grad Außentemperatur. Wärme-Lieferant war das Heizkraftwerk Consolidation.
Altes Hallenbad an der Husemannstraße musste Bahnhofsneubau weichen
Trotz aller neuen Errungenschaften trauerte mancher Hobbyschwimmer dem Vorgänger-Bad nach. Nostalgisch schwärmten sie vom ehrwürdigen Hallenbad an der Husemannstraße, eröffnet zur Kaiserzeit, im schicksalsträchtigen Jahr 1904. Der schmucke Bau gegenüber dem heutigen Kaufhofgelände mit seinen Arkaden im Inneren bot zwar nur 500 Quadratmeter Wasserfläche, ließ auch manchen Komfort vermissen. Doch Nostalgie hilft beim Verblassen der Erinnerung an manch technisches Manko. Zumal das Bad auch historische Bedeutung hatte: Im ersten Weltkrieg bauten Gelsenkirchenerinnen hier eine Kriegsküche mit riesigen Gulaschkanonen auf, um die hungernde Bevölkerung zu versorgen.
Bis heute Internationale Wettbewerbe an der Overwegstraße
Doch zurück zum Neubau von 1971. Regierungspräsident Josef Schneeberger schwärmte bei der Eröffnung des Zentralbads „von der schönsten Stelle in Gelsenkirchen mit Musiktheater und Polizeiwache, die durch das Bad städtebaulich abgerundet“ werde. Indes: Das Musiktheater hat sich sein glamouröses Erscheinungsbild bewahrt, die benachbarte Polizeiwache ist längst Geschichte. Sie wurde bereits 2010 leer gezogen und 2017 abgerissen.
Streit um Zukunft des Bades seit 2016
Gutachter stellt Alternativen für die Bäderzukunft vorUm die Zukunft des Zentralbads wird nun bereits seit mehr als einem halben Jahrzehnt gestritten, die heiße Phase der Diskussion über die Zukunft der gesamten Bäderlandschaft in Gelsenkirchen begann 2016. Mittlerweile ist der Abriss des Bades an der Overwegstraße zwar beschlossen. Über die Gestalt der Ersatzlösung hier ist allerdings noch nicht das letzte Wort gesprochen. Gegen einen Neubau an der Caubstraße (ein SPD-Vorschlag) konnte sich der Standort zwar ebenso wehren wie gegen einen Abriss mit Neubau am Revierpark Nienhausen. Wie genau die Ersatzlösung aussehen wird, ist dennoch nicht sicher.
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Nach Machbarkeitsstudien und diversen Bäderkonzepten hatte sich die Politik in Gelsenkirchen im Herbst 2018 grundsätzlich darauf geeinigt, dass die Sanierungskosten bei den beiden großen Bädern so hoch sind, dass ein Abriss und Neubau günstiger erscheint. Und zwar ein großer Neubau am Berger Feld und ein kleinerer auf dem Gelände der ehemaligen Polizeiwache nach Abriss des heutigen Zentralbads. Doch letzteres ist ob der möglichen Polizeihochschule schon wieder fraglich. Es bleibt kompliziert.
Was der Ersatzbau mit einer Polizeihochschule zu tun hat
Auf dem Brachgelände der ehemaligen Polizeiwache plus dem heutigen Zentralbad-Areal soll – so die aktuelle Hoffnung – eine Polizeihochschule entstehen, in der auch ein modernes Schwimmbad seinen Platz finden könnte. Pläne für den Bau dieser Polizeihochschule inklusive Bad liegen bereits vor. Der Architektenentwurf plant mit einem sechsgeschossigen Gebäudeensemble mit Atrium und einem elf-geschossigen Hochhaus als Landmarke an der Ecke Florastraße.
Neben der Hochschule könnten ein neues Zentralbad mit 50-Meter-Becken sowie eine vierzügige Kita entstehen. Bauen soll die Gelsenkirchener Gemeinnützige Wohnungsbaugesellschaft ggw, das Land als Träger der Polizei-Fachhochschule wäre Mieter. 150 bis 180 Millionen Euro sind als Investitionssumme angesetzt, eine Tiefgarage mit 300 Plätzen, die abends Musiktheaterbesucher nutzen könnten, ist inklusive.
Standortentscheidung bis zum Jahresende
Allerdings steht Gelsenkirchen als Standort im Wettbewerb, vor allem mit Herne. Die Standort-Entscheidung wird bis zum Jahresende erwartet, der Unterricht soll laut Ministerium bereits im Herbst 2025 starten. Es ist ein ehrgeiziges Unterfangen. Bis das allerletzte Stündchen des Zentralbads geschlagen hat, dürfte es jedenfalls noch ein Weilchen dauern. Eine Feier zum runden Geburtstag allerdings ist nicht geplant.
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