Gelsenkirchen. Ein junges Ensemble setzt sich auf die Spur des berühmtesten Liebespaares der Antike: Cäsar und Cleopatra. Was Ihnen im Revier blüht.
Was für ein überraschendes Theater! Der Librettist persönlich tritt mit einem Megafon vor den Vorhang und stellt das komplette Personal seines Stücks erst einmal vor. Das Liebespaar Cäsar und Cleopatra zum Beispiel. Dann erst hebt Dirigent Giuliano Betta die Arme, und die Neue Philharmonie Westfalen beginnt zu spielen.
Das alles findet derzeit aber noch ohne Publikum auf der Bühne des Musiktheaters im Revierstatt. „Schade“, sagt der italienische Maestro in der Probenpause, „dennoch genieße ich es, wenigstens in den Proben einfach mal wieder dirigieren zu können.“ Die Arbeiten an der Oper „Giulio Cesare“ von Georg Friedrich Händel (1685-1759) laufen in diesen Tagen auf Hochtouren.
„Wir sind bereit, wieder zu spielen“, sagt Michael Schulz, Hausherr und Regisseur der Händel-Oper.
Intendant denkt bei längerer MiR-Schließung über ein Streaming-Angebot des Ägypten-Spektakels nach
Wann sich der Vorhang aber tatsächlich wieder heben kann, bedauert der Theatermacher, „steht in den Sternen“. So denkt der Generalintendant bei noch längerer Schließung des Hauses inzwischen auch über Streaming-Angebote von Produktionen nach. „Ich bin zwar kein großer Freund von Videoübertragungen, weil sie das Live-Erlebnis nicht ersetzen können, aber wenn es nicht anders geht, werden wir zumindest das anbieten.“
Vier fertige Produktionen liegen im Gelsenkirchener Opernhaus inzwischen „auf Halde“. Nur ab und zu werden sie wieder aufgefrischt bzw. erneut durchgeprobt. Bereits aufführungsreif sind der Tanzabend „Notre-Dame de Paris“, das Musical „Avenue Q“ und das Kinderstück „Rico, Oskar und die Tieferschatten“.
„Cäsar“ kommt in einer farbenprächtigen, opulenten Ausstattung auf die Bühne
Und eben das Drama rund um das berühmteste Liebespaar der Antike, Cäsar und Cleopatra. „Giulio Cesare“ sollte ursprünglich bereits im November auf die Bühne kommen, auch weil es mit seiner heiter-vergnüglichen Musik, mit seiner abwechslungsreichen Geschichte und einer opulenten, farbenprächtigen Ausstattung so gut hinein passt in diese durch die Pandemie belastete Zeit.
An die Corona-Lage hat Intendant Michael Schulz seine Sicht auf das barocke Spektakel längst angepasst. „Wir haben das Werk genutzt wie einen Steinbruch.“ Die ursprünglich über vier Stunden lange Produktion kürzte er auf eine zweistündige Version herunter und bediente sich dabei eines außergewöhnlichen dramaturgischen Kunstgriffs: Er fügte eine neue Figur in den Stoff ein, nämlich den Texter der Oper.
Maestro Giuliano Betta verspricht hochdramatische Musik und wunderschöne Arien
Der historische Librettist Nicola Haym (1678-1729) tritt in Gelsenkirchen in Gestalt eines Erzählers und Wegbegleiters des Publikums auf die Bühne. Diese Sprechrolle übernimmt der Wiesbadener Schauspieler und Sänger Klaus Brantzen, der bereits mehrfach zu Gast am MiR war.
Die Händel-Oper, sagt Dirigent Betta, stehe für tolle dramatische Musik und wunderschöne Arien, von denen er im Gespräch mal eben eine anstimmt, und sie sei geschrieben worden für große Stimmen: „Händel arbeitete damals mit den besten Sängern seiner Zeit zusammen.“
Michael Schulz besetzt das Stück am Musiktheater vor allem mit sehr jungen Stimmen, mit Mitgliedern des Opernstudios NRW und des Jungen Ensembles. Die Rolle Cäsars lässt er mit Rina Hirayama, aktuelle fmt-Stipendiatin, durch eine Frau verkörpern. Den Regisseur reizt an dem Stoff „das spannende Libretto, die fantastische Musik und das große politische Thema, das sich im Privaten widerspiegelt“.
Der Titelheld kämpft als Politiker und Liebhaber an allen Fronten
Denn darum geht’s: Eigentlich wollte der siegreiche Cäsar seinen Rivalen Pompeius endgültig aus dem Weg räumen und folgte ihm dafür bis nach Ägypten. Doch dort findet sich Cäsar unverhofft in einem ganz neuen Machtkampf wieder und ist plötzlich ganz schön ausgelastet – als Kämpfer, Politiker und Liebhaber… Schulz verspricht einen vergnüglichen Geschichtsunterricht.
Unterstützt wird er dabei von Kostümbildnerin Renée Listerdal: „Dieser Händel wird eine pralle Ausstattungsoper, die Lebensfreude widerspiegelt.“ Bühnenbildner Dirk Becker konstruierte eine große, üppige Bühne, die die Einhaltung der Abstandsregeln ermöglicht.
Wenn in diesen Tagen geprobt wird, singen übrigens alle Ensemblemitglieder mit Maske. Nur bei den Arien dürfen die Sängerinnen und Sänger die Masken kurz abnehmen. Das Musiktheater steht in ständigem Austausch mit dem Gelsenkirchener Gesundheitsamt, damit alles regelkonform abläuft.