Gelsenkirchen. Die Corona-Regeln sind gelockert worden, der Einzelhandel darf öffnen – unter strengen Regeln. Wie der Verkaufsstart in Gelsenkirchen verlief.

An diesem Montagmorgen kommt das Leben zurück in die Gelsenkirchener Einkaufsmeile. Passanten laufen über die Bahnhofstraße, zum ersten Mal in diesem Jahr. Läden in der Innenstadt dürfen ab dem 8. März wieder öffnen und so steht Sedad Abdulla vor einem Modegeschäft und hält eine volle Einkaufstüte in der Hand. „Es war sehr nötig, ich brauchte neue Kleidung“, sagt er mit einem Lachen. „Auf Online-Shopping hatte ich keine Lust mehr. Nur die Termine stören.“

Was er damit meint: Die Geschäfte dürfen lediglich unter bestimmten Bedingungen öffnen. „Click and Meet“ heißen die Zauberwörter der neuen Coronaschutzverordnung des Landes Nordrhein-Westfalen. Kunden können nicht einfach nach Belieben einen Laden betreten. Sie müssen vorher einen Termin buchen. Pro Kunde ist der Besuch auf eine bestimmte Zeit begrenzt. Zudem müssen sie Kontaktdaten zur Nachverfolgung von Infektionsketten hinterlegen.

Das alles hindert viele Gelsenkirchener nicht daran, wieder zum Shoppen in die Stadt zu gehen. Die Verkaufshäuser haben seit einer guten Stunde geöffnet und schon haben sich erste Warteschlangen gebildet.

„Freude ist riesengroß“ bei Gelsenkirchener Modehaus Schmitz

Direkt hinter der Eingangstür vom Modehaus Schmitz steht eine Mitarbeiterin an einem Tisch. Hier werden die Daten der Kunden erfasst. Interessierte können sich über WhatsApp, E-Mail, einen Online-Kalender oder das Telefon einen Termin sichern, und das seit Freitag. „Die Freude ist natürlich riesengroß“, sagt Inhaber Roman Schmitz über die Öffnung. „Die Kunden und wir haben darauf hingefiebert.“

+++ Damit Sie keine Nachrichten aus Gelsenkirchen verpassen: Abonnieren Sie unseren WAZ-Newsletter. +++

Das Modehaus Schmitz freut sich, den Laden wieder öffnen zu dürfen.
Das Modehaus Schmitz freut sich, den Laden wieder öffnen zu dürfen. © FUNKE Foto Services | Lutz von Staegmann

„Zum Glück“ betreibe er zusätzlich einen Online-Shop, sagt Schmitz. Somit konnte der Betrieb in den vergangenen Wochen etwas verkaufen. Aber: „Unsere Stärke ist, dass wir Beratungs- und soziale Kompetenz haben. Wir freuen uns, dass wir das wieder ausspielen können.“

Die Coronaschutzverordnung besagt weiter, dass pro Ladenbesucher ein Platz von 40 Quadratmetern vorhanden sein muss – bei Friseuren liegt dieser Wert übrigens bei zehn Quadratmetern. Für das Modehaus Schmitz bedeutet dies, dass 18 Kunden gleichzeitig einkaufen dürfen. Reichlich Platz ist also verfügbar. „Wir hoffen, dass davon Gebrauch gemacht wird“, sagt Schmitz. „Wie es dann wirklich wird, das werden die nächsten Tage zeigen.“

Handelsverband NRW kritisiert neue Coronaschutzverordnung

Kritik an den neuen Regelungen hagelte es hingegen vom Handelsverband NRW. „Click and Meet“ könne die Händler nicht einmal annähernd retten, urteilte der Verband: „Die damit weitgehend geschlossenen Handelsunternehmen werden bis Ende März im Vergleich zu 2019 weitere zehn Milliarden Euro Umsatz verlieren.“

Von den neuen Maßnahmen profitiert auch Heinz-Friedrich Pabst nicht. Er betreibt eine Bäckerei auf der Arminstraße. Sein Café darf er nicht öffnen, lediglich der Ladenverkauf ist für ihn erlaubt. „Ich weiß nicht, ob es so besser ist oder anders“, sagt Pabst über die neue Corona-Strategie. Froh ist er jedenfalls darüber, dass es „keinen totalen Stillstand“ mehr in der Stadt gebe.

Buchhändler aus Gelsenkirchen: „Das Geld ist einfach weg“

Die Buchhandlung auf dem Neumarkt hat für die Öffnung alles vorbereitet. Inhaber Dirk Niewöhner und seine Mitarbeiter haben aufgeräumt, eine Lüftungsanlage besorgt und zum Weltfrauentag ein Fenster mit dazu passenden Büchern dekoriert. Dennoch blickt Niewöhner skeptisch auf die nächsten Tage und glaubt nicht an einem großen Kunden-Ansturm.

Dirk Niewöhner, Inhaber der Buchhandlung Kottmann in Gelsenkirchen, bleibt skeptisch.
Dirk Niewöhner, Inhaber der Buchhandlung Kottmann in Gelsenkirchen, bleibt skeptisch. © FUNKE Foto Services | Lutz von Staegmann

Seit fast vier Monaten konnte er keine Bücher im Geschäft vertreiben. Die Einnahmen blieben aus, die Kosten, beispielsweise bei der Miete, allerdings bestehen. Überbrückungsgelder habe Niewöhner erst vor kurzem beantragen können. Offen ist, wann diese ankommen. Diese ganzen Verluste der Vormonate könne er nicht wieder reinholen. „Das Geld ist einfach weg“, sagt der Buchhändler. Durch die Öffnung habe er jetzt wieder alle Kosten zu bezahlen. „Ich erwarte aber realistisch gesehen nicht, dass die Leute so kommen wie in früheren Zeiten. Das heißt, dass es eher noch teurer wird.“

Er befürchtet, dass der Einzelhandel in eine Endlosspirale gerät. Falls die Inzidenzen es beispielsweise irgendwann zuließen, dass es weitere Öffnungen gibt, dann könnten andere Probleme auftreten: Ob Kunden durch die Pandemie verunsichert sind? Bis wirkliche Normalität herrscht, könnte es noch dauern. Es werde „eine schwierige Zeit“, so Niewöhner. Nicht nur für den Einzelhandel, sondern auch für andere Branchen.