Gelsenkirchen. Am Freitag mussten viele Senioren nach langem Warten trotz Termins das Gelsenkirchener Impfzentrum ungeimpft verlassen. Die Polizei war vor Ort.

Damit hätte sie im Traum nicht gerechnet. Die 82-jährige Ursula Gral fährt am Freitag gemeinsam mit ihrer Tochter glücklich zum lang ersehnten Termin für die Corona-Schutzimpfung in Gelsenkirchen. Sie freut sich, eines der Angebote schon früh ergattert zu haben. Doch was sie am Ziel erwartet, ist ein unglaubliches Chaos.

Der Platz vor dem Eingang der Emscher-Lippe-Halle rappelvoll, die Menschen stehen dicht an dicht, von Abstand keine Spur. Trotz Termins um 14.15 Uhr dringt die alte Dame erst nach fast einer Stunde zur Anmeldung vor. Und erfährt: „Sie stehen nicht auf der Liste.“

82-jährige Seniorin aus Rotthausen und ihre Tochter sind fassungslos

Sie muss die Halle ungeimpft wieder verlassen. Die Seniorin ist aufgebracht („Ich bin wirklich entsetzt!“), die Tochter empört. Beide waren sich sicher, alles richtig gemacht zu haben und dann das.

Die Gelsenkirchenerinnen waren mit ihrem Ärger allerdings ganz und gar nicht allein. Innerhalb von nur einer Stunde kamen 30 bis 40 Impfwillige wieder aus der Halle mit der gleichen Auskunft: Ihr Name steht nicht auf der Liste. Einige von ihnen wenden sich an unsere Redaktion berichten alle Geschichte wie diese:

Ein 81-Jähriger, der den Termin online gebucht hatte, ist ebenfalls dabei, den Zettel mit dem Impftermin samt Uhrzeit hat er noch in Händen. „Eine Unverschämtheit, eine Unverschämtheit“, murmelt er fassungslos vor sich hin.

Mancher kann sich nach langem Stehen ohne Sitzmöglichkeit nicht mehr auf den Beinen halten

Viele der noch wartenden Seniorinnen und Senioren haben sichtlich Probleme, so lange vor der Halle zu stehen. Sitzmöglichkeit, Fehlanzeige. Das Sicherheitspersonal vor der Halle ist freundlich, hilfsbereit, stellt einem Herrn, der fast schlapp zu machen droht, auf Nachfrage einen Stuhl nach draußen.

Zwei Schlangen im Gebäude bewegen sich nur im Schneckentempo voran. Eine ist gedacht für medizinisches Personal, die andere für Menschen jenseits der 80. Beide Reihen geraten durcheinander, was ebenfalls zur Verzögerung beiträgt. Es schimpft das Pflegepersonal, es fluchen die Senioren, die meisten üben sich dennoch in Geduld.

Damit ist es allerdings bei denen vorbei, die die Halle ungeimpft wieder verlassen mussten. Der Ärger macht sich draußen lautstark Luft. Die Wartenden auf dem Platz regen sich auf über die Zurückgeschickten. „Wie doof sind die denn? Wie können Sie denn ohne Impftermin hier herkommen?“, fährt ein Mann die Abgewiesenen an. Einige von denen strecken ihm ihren schriftlichen Impftermin entgegen. Der Mann staunt und schweigt.

Polizei mahnt das Einhalten der Abstände ein

Jetzt kommt die Polizei. Sie mahnt beim Personal vor der Hallentür den fehlenden Sicherheitsabstand unter den geschätzt 120 bis 150 Wartenden an. Die Begründung, die Klebeabstandshalter auf dem Boden seien nicht mehr zu sehen, ließen die Beamten nicht gelten. Dann müssten halt neue her.

Die Polizei ist fort, die Menschen rücken sich wieder auf die Pelle. Das hat einen Grund: Die Terminansagen erfolgen ohne Verstärkung, sind ein paar Meter weiter schon nicht mehr zu hören. Ein Mann hat den Kaffee auf und brüllt: „Wir haben seit einem Jahr Corona. Haben Sie nichts gelernt in der Zeit?“ Die Nerven liegen spürbar blank.

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„So etwas sollte nicht passieren“, bedauert Martin Schulmann, Sprecher der Stadt Gelsenkirchen, auf Nachfrage. Laut Kassenärztlicher Vereinigung habe es sich um einen Computerfehler gehandelt. Dadurch seien Termine mehrfach vergeben worden. Diese x-fache Überbuchung gab es allerdings ausschließlich für den 14.15 Uhr-Termin, so Schulmann. Dadurch auch der große Andrang. „Eine Panne, die auch in anderen Städten bereits passiert ist, jetzt leider auch bei uns. Und er bestätigt, dass rund 35 Menschen von der Überbuchung betroffen gewesen seien.

Eine davon war Ursula Gral aus Rotthausen. Noch auf dem Parkplatz greift ihre Tochter zum Handy und versucht, bei der Kassenärztlichen Vereinigung einen neuen Termin für ihre Mutter zu bekommen. Hoffentlich hat sie dabei, wie einige, nun wenigstens Glück, und die Mutter darf irgendwann erneut an den Start zur Impfparade.