Gelsenkirchen-Horst. Das Seniorenzentrum „Haus Marienfried“ in Gelsenkirchen-Horst überträgt Live-Konzerte und eigene Filme wie jüngst vom hauseigenen Karneval.
„Am Rosenmontag bin ich geboren, am Rosenmontag in Mainz am Rhein“, erklingt es aus dem Fernseher. Die Bewohner des Seniorenheimes Marienfried in Gelsenkirchen singen gerne mit. Zumal da nicht irgendein Sender läuft. Es ist ihr eigener, „TV Marienfried“. Der strahlt gerade einen Zusammenschnitt der hauseigenen Karnevalsfeier von vor zwei Jahren aus. Der Startschuss für die jecken Tage ist gefallen. Und die werden im katholischen Seniorenzentrum traditionell ausgelassen gefeiert.
Möglich ist das, weil alle geimpft sind. „Ich habe am Heiligen Abend eine Mail bekommen, ich kann Impfdosen bestellen“, erinnert sich Einrichtungsleiter Marcus Becker an ein besonderes Weihnachtsgeschenk. Schon am 3. Januar ist es soweit: Das Impfteam rückt an. Mittlerweile sind auch die zweiten Spritzen schon verabreicht. Deutlich zu bemerken sei seither eine neue Leichtigkeit im Haus. „Vieles ist weiterhin nur mit angezogener Handbremse möglich. Aber die Erleichterung ist bei allen spürbar.“ Und so kann denn auch Karneval gefeiert werden. Nicht so wie sonst, das ist klar. „Jeder Wohnbereich feiert für sich. Das ist eine Nummer kleiner aber nicht weniger schön.“
Gelsenkirchener Einrichtungsleiter tanzt den Schwanensee
An der Decke hängen bunte Girlanden, auf dem großen Tisch liegen Luftschlangen, jeder, der mag, hat ein Gläschen Sekt vor sich. Dazu schwelgen alle in gemeinsamen Erinnerungen, erleben noch einmal mit, wie das Heimpersonal das närrische Bühnenprogramm gestaltet, sich stets etwas Kreatives einfallen lässt. Die Eröffnung obliegt wie immer Marcus Becker und der Pflegedienstleiterin Brigitte Gehrmann. 2018 haben sie Schwanensee getanzt. Das ist auch heute noch mal ein Höhepunkt des Nachmittags.
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Zum ersten Lockdown „erfindet“ Marcus Becker den hauseigenen Fernsehsender. Die Technik ist vorhanden: Aus dem großen Saal können Programmpunkte in alle Wohnbereiche und auch in die Zimmer der Bewohner übertragen werden. Eingebaut wurde die Funktechnik, um hausinterne Gottesdienste übertragen zu können.
„TV Marienfried“ hat oft eine Einschaltquote von 100 Prozent
Seit Corona jedoch zeigt „TV Marienfried“ regelmäßig Hauskonzerte, etwa mit dem singenden Stammgast Rainer Migenda, Lesungen, Vorträge – und neuerdings auch eigene Filme. Dass es die überhaupt gibt, sei dem Einsatz eines Gatten einer Pflegekraft zu verdanken. „Der filmt unsere Veranstaltungen schon seit Jahren.“ Gutes Material, um jetzt etwas Normalität einkehren zu lassen. Beliebt ist es obendrein: Nicht selten hat der Sender eine Einschaltquote von 100 Prozent. Dann schauen alle 107 Bewohner des Hauses zu.
Hildegard Schäfers hat viel Freude heute. „Das ist richtig schön“, schwärmt sie und trennt sich kurz von der Gruppe. Im eigenen Zimmer lässt es sich besser sprechen. So richtig jeck, verrät sie, sei sie gar nicht. „Sicher, früher im Kolpinghaus, da haben wir tüchtig gefeiert.“ Heute halte sich die Narretei in Grenzen. „Aber wenn hier im Haus etwas gemacht wird, dann mache ich mit.“
Am Rosenmontag geht es in den Kostümfundus
Warten auf den Frühling
Derzeit ist der hauseigene Fernsehsender ein wichtiges Element in der Freizeitgestaltung der Bewohner des Seniorenzentrums „Haus Marienfried“ an der Marienfriedstraße in Horst.Bald schon hofft Marcus Becker, wenigstens wieder die im vergangenen Jahr erprobten Balkonkonzerte anbieten zu können. Dafür jedoch muss der Frühling Einzug halten. Ein Winter-Konzept, nämlich Konzerte aus dem mit Folie abgetrennten Fahrstuhl heraus für die jeweiligen Etagen anzubieten, wurde behördlich untersagt.
Verkleidet hat sich allerdings keiner. Noch nicht. Die eigentlichen tollen Tage stehen ja noch bevor. An Weiberfastnacht gehe die Party weiter – mit „Schlammbowle“, einer besonderen Spezialität mit Früchten und Vanilleeis. Und am Rosenmontag werde der hauseigene Kostümfundus geplündert. Natürlich, sagt die 94-Jährige, habe sie eben auch aus vollem Herzen gesungen. „Zum Beispiel: Wer soll das bezahlen, wer hat soviel Geld?“ Das sei im Haus ein echter Hit.
Ein gutes Stichwort ist es obendrein. Veranstaltungen dieser Art bedeuten in jeder Hinsicht einen Mehraufwand, auch finanziell. Vom Pflegesatz sind Berliner Ballen und „Schlammbowle“ schwerlich zu bestreiten. Hier springt der Trägerverein des katholischen Hauses ein. Damit das Leben auch zu Coronazeiten im „Haus Marienfried“ lebenswert ist. Eines sei schließlich schlimm genug: „Ich habe immer versucht, das Haus nach dem Motto zu führen, an der Tür ist die Welt nicht zu Ende“, sagt Marcus Becker. Das sei im vergangenen Jahr aber gefühlt eben doch oftmals so gewesen. „Deswegen ist das Wichtigste, was wir unseren Bewohnern bieten können, ein Stück Normalität.“ Zu der gehört in Horst der Karneval ganz klar dazu.
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