Gelsenkirchen. Nach einigen Vorfällen mit Rumänen und Bulgaren ist eine Integrationsdebatte in Gelsenkirchen entfacht. Wie die CDU die Probleme lösen will.

Ein Reflex ist eine rasche und stets gleichartige Reaktion auf einen bestimmten Reiz. Neben den angeborenen gibt es die angelernten Reflexe, die insbesondere in der Politik zu einer gewissen Vorhersehbarkeit im Wechselspiel der Parteien beitragen.

Dass die CDU darüber herziehen würde, dass die fünf Bezirksbürgermeister (alle SPD), öffentlich die bisherige Südosteuropa-Politik der bis vor kurzem noch allein von der SPD geführten Verwaltung kritisieren, ist daher wenig überraschend.

CDU-Politiker ziehen über SPD her

So schreibt Gelsenkirchens CDU-Chef mit dem Verweis auf den WAZ-Bericht auf Facebook etwa: "Spannend. Eine Gruppe der Bezirksbürgermeister rund um unseren Ex-OB sendet einen Hilferuf. Wer hat noch gleich die Geschicke der Stadt seit 2004 gelenkt? Die Fehler aus 16 Jahren Stadtentwicklung und das fehlende Gegensteuern dieser Jahre sollen und dürfen jetzt andere ausbaden".

Noch deutlicher fährt dem Koalitionspartner SPD der frühere CDU-Fraktionsvorsitzende, Wolfgang Heinberg, in die Parade, der den Hilferuf der Bezirksbürgermeister für eine "nachträgliche politische Bankrotterklärung" hält und daran erinnert, dass Oberbürgermeisterin Karin Welge als Sozialdezernentin eine Weile für die Integrationspolitik zuständig war.

EX-OB-Kandidat äußert sich

Ähnlich äußert sich auch Malte Stuckmann über die SPD, mit der er sich schon im Rennen um das Oberbürgermeisteramt manches Scharmützel lieferte. „Heute erklärt man die Integration für gescheitert? Dann war entweder die Maßnahme falsch, nicht richtig umgesetzt oder nicht ausreichend. Zumindest aber die Verantwortlichkeit in der Vergangenheit steht fest“, so Stuckmann.

Dass die EU-Südosterweiterung und die Probleme infolge der Zuwanderung Zehntausender Rumänen und Bulgaren in Städte wie Gelsenkirchen und Duisburg in die Ära der politischen Regierungsverantwortung der CDU im Bund und seit einigen Jahren auch im Land fallen, erwähnen die CDU-Politiker indes in ihren Äußerungen auf Facebook nicht.

Bezeichnend ist die Reaktion eines Gelsenkircheners auf Stuckmanns Wortbeitrag: „Das Scheitern der Integration ist unstrittig. Wer dafür verantwortlich ist, interessiert mich nicht mehr. Ich will Lösungen von der Politik sehen“.

Das fordern auch die Bezirksbürgermeister, die die „bisherigen Bemühungen für gescheitert" erklärten.

Kurth und Stuckmann erklären Ideen der CDU

Am Tag nach ihrer SPD-Schelte auf Facebook erklären Sascha Kurth und Malte Stuckmann auf Nachfrage der Redaktion, was die CDU als Juniorpartner in der Großen Koalition denn künftig anders zu machen gedenkt, angesichts der vielen Probleme mit Zuwanderern aus Südosteuropa.

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"Wir wollen die Probleme auf verschiedenen Ebenen angehen", sagt Stuckmann. Als Rechtsanwalt erlebe er am Amtsgericht immer wieder, wie sich die selben Bieter bei Zwangsversteigerungen heruntergekommene Immobilien für einen überschaubaren Betrag unter den Nagel reißen, um sie gewinnbringend an Familien aus Rumänien und Bulgarien zu vermieten. "Wir müssen die Rahmenbedingungen schaffen, um viel häufiger von ein Vorkaufsrecht für die Stadt Gebrauch machen zu können", sagt Stuckmann.

"Mehr Kontrollen, mehr Strafen"

Zwar gehe die Verwaltung seit einiger Zeit auch diesen Weg und reißt die Gebäude ab oder saniert sie, doch das müsse noch viel häufiger geschehen, so Stuckmann. Um Sozialbetrug vorzubeugen, müsse die Stadt darüber hinaus auch viel häufiger zusammen mit dem Finanzamt, der Polizei und dem Zoll die Häuser kontrollieren, "wo etwa neun Familien gemeldet sind, obwohl es nur ein Acht-Familienhaus ist."

Dass es dafür auch der Hilfe des Landesbehörden bedarf, räumen die beiden Kommunalpolitiker freimütig ein, um zugleich zu betonen, dass die CDU-Landesregierung "auch sehr hilfsbereit" bei diesem Thema sei.

"Wer sich nicht integrieren will, der hat keinen Platz in unserer Gesellschaft"

Im Kern will die CDU, dass die Stadt sehr viel engmaschiger an bekannten Problemstellen kontrolliert und sanktioniert. "Wer schon bei den ersten zwölf Mal nicht darauf gehört hat, dass er sich an die Regeln halten muss und dass er seinen Müll nicht einfach auf die Straße oder den Hof werfen darf, den müssen Sozialarbeiter das nicht noch dreimal erklären", sagt Kurth.

Die geltenden Regeln müssten durchgesetzt und bei Verstoß Bußgelder verhängt werden. Dort, wo das Bußgeld nicht einzutreiben ist, da müsse dann eben auch die Ersatzfreiheitsstrafe angewandt werden, so Stuckmann. "Wer sich nicht integrieren will, der hat keinen Platz in unserer Gesellschaft, destruktive Verhaltensweisen müssen wir aus unserer Stadt verdrängen", unterstreicht Kurth.

Auf welchen Kurs sich SPD und CDU in der Südosteuropa-Politik am Ende einigen werden und was sich die Stadt von den Forderungen nach mehr Kontrollen und Strafen annehmen wird, bleibt abzuwarten.

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