Gelsenkirchen-Buer. Das Team des Vereins „Arzt Mobil Gelsenkirchen“ leistet Sozialarbeit und bietet medizinische Hilfe an. Corona erschwert dabei Vieles.

Ihr Arbeitsplatz ist die Straße. Sie gehen zu den Menschen, die ihre Unterstützung benötigen. Die Mitarbeiterinnen des Vereins „Arzt Mobil Gelsenkirchen“ leisten Sozialarbeit und bieten sogenannte aufsuchende medizinische Hilfe an. Gerade jetzt, wo die Coronapandemie das Leben der Menschen in prekären Lebenslagen besonders belastet.

Doch das Virus hat auch auf eine andere Weise Folgen für den Verein: Er benötigt Spendengelder. Jene Hilfe sicherte über Jahre die Spendengala „Straßenfeuer“ von Norbert Labatzki. Coronabedingt konnte die nicht stattfinden. Mit dem Betrag wurde zuletzt eine halbe Streetworker-Stelle bezahlt. Sie ist nun nur noch bis Mitte März gesichert.

Dienstags steht das Arztmobil vor dem "Weißen Haus" in Gelsenkirchen-Buer

Vor dem Weißen Haus in Buer herrscht ein Kommen und Gehen. In der Einfahrt steht das „Arztmobil“. Gleich daneben sind zwei Sozialarbeiterinnen präsent. So wie jeden Dienstag. Vor dem Mittagessen schnell zur Ärztin ins Sprechzimmer auf Rädern, die Möglichkeit nehmen etliche Menschen wahr.

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Die Minipraxis ist seit über zwanzig Jahren der Arbeitsraum von Maria Behling. „Wir können nicht so viel machen wie eine normale Arztpraxis, verfügen nicht über so viele diagnostische Möglichkeiten“, erklärt sie. „Ich versuche, durch die Erfragung der Krankengeschichte eine Verdachtsdiagnose zu stellen. Unsere Aufgabe ist es, die Menschen zu motivieren, einen Hausarzt aufzusuchen.“ Die Medizinerin bezeichnet sich als die erste Anlaufstelle für jene, die aus dem Gesundheitssystem gefallen sind.

Bislang kein Corona-Verdachtsfall

Der Arztbesuch bei Maria Behling ist kostenlos. „Wenn jemand den Wunsch hat, anonym behandelt zu werden, geht auch das. Ansonsten führe ich für mich eine kleine Dokumentation.“ Also eine Krankenakte, wie es sie in jeder anderen Praxis auch gibt. Hier wird verzeichnet, welche Beschwerden vorliegen, ob vielleicht Wunden behandelt wurden, Erste Hilfe geleistet oder eine ganz normale Erkrankung therapiert wurde. „Das kann ein Magen-Darm-Virus sein oder eine Erkältung. Einen Verdacht auf Corona hatte ich bislang noch nicht“, freut sich die Medizinerin, die zugleich auch die Fahrerin ihrer mobilen Praxis ist.

Unterwegs sind heute auch die Sozialarbeiterinnen Vanessa Beckmann und Cornelia Müller. Beide gehören zum Team von „Arzt Mobil“, welches das Programm der Sozialarbeit gemeinsam mit der Caritas betreibt. Sie bezahlt auch eine der Stellen, nämlich die von Cornelia Müller. Dreieinhalb Stellen sind es insgesamt. „Und der Bedarf steigert sich“, sagen die Frauen. Insbesondere durch Corona. Allein schon der Appell, zu Hause zu bleiben, stelle ihre Klienten vor ein Problem. „Sie leben auf der Straße, treffen sich im Park.“ Die Szene sei ihr soziales Umfeld. Das jedoch darf wegen der Kontaktbeschränkungen nicht mehr zusammen kommen.

Kontakt zu halten ist das oberste Ziel

Schwierig sei auch die Situation in den Notschlafstellen. Auch hier gelte es, Abstände einzuhalten. Wie viele Menschen derzeit tatsächlich auf der Straße schlafen, darüber gebe es gar keine Zahlen, erklärt Vanessa Beckmann. „Manche Menschen können das gut verstecken und erzählen das nicht.“ So wüssten die Sozialarbeiterinnen auch nicht, wo genau die Menschen die Nacht verbringen. „Das ist ja deren Schlafzimmer. Das ist so privat, da möchte man keine Fremden drin haben. Das ist doch normal.“

Das oberste Ziel der Streetworkerinnen ist es, Kontakt zu halten. Oftmals dauere es lange, bis jemand um Hilfe bittet. „Den Punkt darf man nicht verpassen“, sagt Cornelia Müller. Nur dann könne es gelingen, Wege aufzuzeigen, den einen Drogensüchtigen in eine Einrichtung zum Entzug zu vermitteln und den anderen Obdachlosen in eine Wohnung.

Hilfe auch für Alleinstehende in Quarantäne

Sie sind eine verlässliche Konstante, sind regelmäßig da, sind ansprechbar – coronabedingt sogar noch für viel mehr Menschen. Das haben Vanessa Beckmann und Cornelia Müller im Vorfeld des Gespräches selbst zu Papier gebracht. Zur Verdeutlichung beschreiben sie hier einen Teil ihrer Arbeit: „Wir halten Kontakt und begleiten den verwahrlosen Mann, der draußen am Kanal schläft und keine Hilfe annehmen kann, die suchtkranke schwangere Frau, die ins Krankenhaus muss, den alten Mann, der Krätze aber keine Waschmaschine hat und auch den Weg zur Hautarztpraxis nicht findet, den Mann, der zu Hause in Quarantäne sitzt und niemanden hat, der ihn mit Lebensmitteln versorgt.“

Hier gibt es weitere Informationen

Der Verein „Arzt Mobil Gelsenkirchen“ hat seinen Sitz an der Caubstraße in Gelsenkirchen. Auf der Internetseite arztmobil.gelsenkirchen.de informiert das Team über die verschiedenen Angebote und Tätigkeitsbereiche.

Erreichbar sind die Mitarbeiter montags bis mittwochs von 13.30 bis 15 Uhr, donnerstags von 13.30 bis 18 Uhr und freitags von 9 bis 10.30 Uhr unter der Rufnummer 0209 165-6979 oder per Mail an willkommen@arztmobil-gelsenkirchen.de.

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