Gelsenkirchen-Ückendorf. Gelsenkirchener Praxis begleitet Paare, die ungewollt kinderlos sind. Ärztinnen setzen auf Hightech-Medizin und wissen um Grenzen ihres Handwerks
„Ihr Kinderlein kommet“: Was an Weihnachten gerne gesungen wird, gibt Dr. Ute Czeromin und Dr. Ina Walter-Göbel das ganze Jahr über den Takt vor. In ihrer Kinderwunschpraxis im Wissenschaftspark Ückendorf begleiten sie Paare, die ungewollt kinderlos sind.
Wenn eine Frau eben nicht so selbstverständlich schwanger wird und das Warten darauf alle Energie aufzusaugen scheint, können ihre Therapien helfen, den Traum von der Familie doch noch zu verwirklichen. Als „Babymacher“ sehen sie sich ausdrücklich nicht. „Wir optimieren nur die Bedingungen. Der Rest ist Natur – und Zauber“, so Gynäkologin Czeromin.
Wieder ein Monat vorüber, ohne dass sich eine Schwangerschaft eingestellt hat: Welch maßlose Enttäuschung damit verbunden ist, wissen die Ärztinnen nur zu gut. „Viele Frauen sind darüber nicht nur deprimiert und frustriert; fatal ist, dass einige auch die Schuld bei sich suchen“, berichtet Ina Walter-Göbel (57). Und so lautet ihre Kernbotschaft an ihre oft verzweifelten Patientinnen denn auch immer wieder: „Sie haben nichts falsch gemacht!“
Es gibt viele Gründe, warum eine Frau nicht schwanger wird
Gründe, warum eine Frau nicht schwanger wird, gibt es viele: Zyklusstörungen, verklebte Eileiter, auch die Spermienproduktion oder -qualität des Mannes kann eingeschränkt sein. „Wenn man sorgfältig genug sucht, findet man in aller Regel eine organische Ursache. Psychische Gründe hingegen werden total überschätzt“, so Walter-Göbel.
Natürliche Grenzen setzt auch das Alter. „Ab 35 nimmt die Wahrscheinlichkeit, schwanger zu werden, ab. Mit über 40 wird es immer schwieriger. Deshalb behandeln wir auch nur Patientinnen, die nicht älter als 44 Jahre alt sind“, erläutert Praxisgründerin Czeromin. „Ab 45 ist eine Schwangerschaft mit Unterstützung der Fortpflanzungsmedizin genauso ein Zufallstreffer wie ohne unsere Hilfe.“
Helfen können eine Hormontherapie oder eine künstliche Befruchtung
Wie das 21-köpfige Team, darunter Expertinnen für Gynäkologische Endokrinologie, Reproduktions-, Sexualmedizin, Biologie und Heilpraxis, der Natur auf die Sprünge hilft?
„Am Anfang steht immer ein ausführliches Paargespräch, bei dem in aller Offenheit die Vorgeschichte und Vorbefunde erörtert werden“, so Walter-Göbel. Eine Basisdiagnostik lotet bei der Frau dann Hormonstatus, Zyklus, Beschaffenheit des Schleims im Gebärmutterhals und des Gebärmutter-Innenraums aus.
„Nicht zuletzt werden auch die Anzahl, Beweglichkeit und Intaktheit der Spermien überprüft.“
Daraus ergebe sich schließlich der Ansatz für eine individuelle Behandlungsmethode: eine Hormontherapie etwa, eine künstliche Befruchtung der Eizellen mit Samen des Mannes oder eines Spenders via Spritze in die Gebärmutter oder im Reagenzglas. „Wir empfehlen den Frauen auch immer eine gesunde Ernährung, viel Bewegung und den Verzicht auf Nikotin“, betont Dr. Czeromin (59), für die auch Hypnose, traditionelle chinesische Medizin und Homöopathie durchaus ihre Berechtigung haben – etwa als Beitrag zur Entspannung.
Eine Wand, gespickt mit Babyfotos, macht Paaren Mut
Der Aufwand, um irgendwann ein Baby im Arm zu halten, er ist groß: Alleine für die Diagnose der Kinderlosigkeit sind nach dem Erstgespräch für die Frau drei bis vier Termine nötig und für den Mann einer.
Pro Behandlungszyklus müssen die Patientinnen dann fünf bis sechs Besuche in der Kinderwunschpraxis einplanen. Aber man ahnt schon: Die Paare nehmen die Mühen gerne in Kauf in der Hoffnung, dass sie sich auszahlen.
Eine mit Babyfotos gespickte Wand im Wartebereich über den Dächern von Ückendorf macht ihnen Mut: Mal zart wirkende, mal pausbäckig in die Kamera lachende Säuglinge, manchmal gar Glück im Doppelpack. Wobei Dr. Czeromin Wert darauf legt, dass die Zahl der Mehrlingsgeburten in ihrer Praxis 2019 mit 7,3 Prozent (bundesweit: 17,8 Prozent) vergleichsweise gering sei. Sind doch Mehrlingsschwangerschaften mit einem höheren Gesundheitsrisiko für Mutter und Kinder verbunden. „Was die Geburtenrate pro Behandlungszyklus angeht, so gehörten wir 2019 zu den fünf besten Zentren von 85, die sich bei der bundesweiten Auswertung der Ärztekammern zur Qualitätssicherung beteiligt haben.“
Begleitung durch alle Höhen und Tiefen
Sie verschweigt dennoch nicht, dass es oft mehrere Versuche braucht, bis eine Frau schwanger wird. „Es kostet schon viel Kraft, nach einer Enttäuschung wieder Mut zu fassen und die Therapie fortzusetzen. Auch der Stress beim Sex auf Knopfdruck, wenn die Eierstöcke gerade hormonell stimuliert sind, kann groß sein.“
Eine Fehlgeburt nimmt auch die Ärztinnen immer wieder mit, der letztlich ausbleibende Erfolg nicht weniger. „Wir begleiten die Paare ja durch alle Höhen und Tiefen und fiebern durchaus mit. Da schießen auch mir mitunter die Tränen in die Augen“, erzählt Ina Walter-Göbel.
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Das Glück aber in den Augen der werdenden Eltern, wenn „es“ geklappt hat: Daran könne sie sich auch nach so vielen Jahren nicht sattsehen, auch wenn alle medizinische Kunst in der Praxis genau darauf abzielt. „Ich werde tatsächlich demütig“, sagt sie im Bewusstsein der Grenzen, die der Wissenschaft dann doch gesetzt sind. Die Bochumerin, selbst Mutter einer 21-jährigen Tochter, nickt, als ihre Kollegin sich noch einmal wiederholt. „Fortpflanzungsmedizin ist nur eine Krücke, ein Handwerkszeug. Der Rest ist eben Natur – und Zauber.“
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