Essen. Michael S. muss für den Mord an der Gelsenkirchenerin Anna Smaczny ins Gefängnis. Das Gericht stellt zudem die besondere Schwere der Schuld fest.

Der Krefelder Michael S. ist wegen Mordes an der Gelsenkirchenerin Anna Smaczny zu lebenslanger Haft verurteilt worden. Das Schwurgericht Essen stellte am Dienstag zudem die besondere Schwere der Schuld fest und verhängte Sicherungsverwahrung.

Im Prozess um den Mord ohne Leiche hatte das Gericht von Michael S. keine Hilfe zu erwarten. Der 47 Jahre alte Krefelder auf der Anklagebank machte in der am 12. August gestarteten Verhandlung von seinem Recht Gebrauch, zu den Vorwürfen der Anklage zu schweigen. Ob er seine frühere Freundin, die Gelsenkirchenerin Anna Smaczny, wirklich umgebracht hat, das will am heutigen Dienstag um 13 Uhr die VI. Essener Strafkammer entscheiden.

Die Vorgaben sind klar. Staatsanwältin Sonja Hüppe hat keinen Zweifel an der Schuld des bulligen Mannes. In ihrem Plädoyer hatte sie Michael S. als schuldig eingestuft, die 35-Jährige ermordet und ihren Angehörigen die Möglichkeit zu trauern genommen zu haben. Denn er habe ihre Leiche spurlos verschwinden lassen. Sie beantragte die in Deutschland mögliche Höchststrafe: Neben lebenslanger Haft forderte sie für Michael S. die Feststellung der besonderen Schwere der Schuld und die anschließende Sicherungsverwahrung. Für den Angeklagte könnte dies ein Ende seines Lebens im Gefängnis bedeuten.

Verteidiger spricht von Sex-Unfall

Sein Verteidiger Stefan Tierel hält die Beweislage gegen seinen Mandanten dagegen für schwach. Es sei weiterhin "unklar, wie ihr Ableben zustande gekommen ist", sagte er in seinem Plädoyer. Er bestritt zwar nicht, dass Anna Smaczny tot ist. Möglich sei aber, dass sie bei einvernehmlichen Sexspielen ums Leben gekommen sei, ein Unfall also.

Weil Michael S. bereits 1999 wegen des gewaltsamen Todes einer Ex-Freundin verurteilt worden war, habe er Angst gehabt, die Polizei zu informieren. Denn die hätte ja sofort ihn verdächtigt, sei er sich sicher gewesen. Deshalb habe er sich entschlossen, den Leichnam von Anna Smaczny zu beseitigen. Wo, das weiß auch der Anwalt nicht. Vielleicht am Arbeitsplatz des Angeklagten, der Krefelder Müllverbrennungsanlage? Verteidiger Tierel hält es auch für möglich, dass die Leiche einbetoniert wurde.

Beziehung über das Internet

Über das Internetportal "Lovoo" hatten die Gelsenkirchenerin Anna Smaczny und der zwölf Jahre ältere Krefelder Michael S. sich Weihnachten 2017 kennengelernt. Schnell fingen sie eine Beziehung an, doch nur wenige Monate später machte Anna Smaczny Schluss. Sie hielt aber weiter Kontakt zu ihm, beide hatten auch regelmäßig Sex miteinander.

Dass sie sich von ihm trennen wollte, das akzeptierte Michael S. offenbar nicht. Ohne sich selbst zu offenbaren, mischte er sich immer wieder heimlich in ihr Leben ein. Er soll eine Tante in der Schweiz erfunden haben, die Anna Smaczny reichlich Geld schenken wollte. Er soll einen Nachschlüssel zu ihrer Wohnung im Gelsenkirchener Stadtteil Bismarck angefertigt und dort am 20. September 2018 Feuer gelegt haben. Anschließend habe er sie zu Unrecht bei der Polizei angeschwärzt. Auch Kameras soll er heimlich in ihrer Wohnung angebracht haben.

Staatsanwältin sieht Rache als Motiv

Für Staatsanwältin Hüppe sind dies ganz klar Hinweise auf Rache, denn Trennungen verarbeite der Angeklagte nicht: "Er kontrolliert Menschen, manipuliert sie - es geht ihm nur um Macht."

Die Vergangenheit des Angeklagten liefert dafür reichlich Hinweise. Frauen, die ihn verlassen, schweben offenbar in Lebensgefahr. Mit 120 Messerstichen hatte er 1998 eine Frau getötet, die es gewagt hatte, die Beziehung zu beenden. Für einen Mord reichten die Beweise damals dem Landgericht Duisburg nicht aus, so bekam er elf Jahre Haft für einen Totschlag. 2014 misshandelte er eine weitere Freundin, unvermittelt, brutal. Weil er die Essenerin gehen ließ, wurde er lediglich wegen gefährlicher Körperverletzung zu zwei Jahren und acht Monaten Haft verurteilt.

Vorwürfe gegen Polizei und Justiz

Es gibt noch einen weiteren Todesfall einer Frau aus seiner Umgebung, aber da gab es seriös keinen Beweis für seine Täterschaft. Es sind im Fall Michael S. immer wieder Stimmen zu hören, die Polizei und Justiz Versagen vorwerfen. Hätten sie ihn früher aus dem Verkehr gezogen, könnte Anna Smaczny noch leben, heißt es.

Aber um einen Verdächtigen rechtskräftig aus dem Verkehr zu ziehen, bedarf es eines Beweises. Auch im Fall der verschwundenen Anna Smaczny war Michael S. früh in Verdacht geraten. Es gab reichlich Indizien: etwa seine Suche im Internet, wie man eine Leiche verschwinden lassen, wie man Leichengeruch vermeiden kann.

Gewichtige Indizien, aber eben kein unwiderlegbarer Beweis. Diese Qualität haben schon eher ein Foto und ein Video, die Michael S. am Todestag seiner Exfreundin, am 23. Juni 2019, aufgenommen haben soll. Sie zeigen nach Ansicht der Anklägerin Anna Smaczny. Tot, den Kopf mit einer Plastiktüte verschnürt.