Gelsenkirchen-Buer. Ärger über die Gelsenkirchener Polizei hat einen Gelsenkirchener Senior veranlasst, sich gleich an die Minister Reul und Heinen-Esser zu wenden.
Das „ganz große Besteck“ heraus holen möchte WAZ-Leser Wolfgang Weidenberg. Um seinem Ärger über das vermeintliche Fehlverhalten der Gelsenkirchener Polizei Luft zu machen, hat sich der Gelsenkirchener nun an Innenminister Herbert Reul und Umweltministerin Ursula Heinen-Esser (beide CDU) gewandt. Stein des Anstoßes: Eine Verwarnung statt eines Bußgeldes für einen Lkw-Fahrer, der einen Transporter über längere Zeit an der Beckeradsdelle entgegen der Fahrtrichtung mit laufendem Motor und offener Fahrertür auf dem Gehweg abgestellt hatte.
Gelsenkirchener Rentner: 80 Euro Bußgeld für den Lkw-Fahrer wären fällig gewesen
Für die Polizei ist der Fall mit der mündlich erteilten Verwarnung des Brummi-Fahrers abgeschlossen, für den 83-jährigen Gelsenkirchener noch lange nicht. Er, nach eigenen Angaben schwerbehindert aufgrund eines Lungenemphysems und zwei Implantaten im Körper, klagt, dass ihm „Schaden zugefügt worden sei“ durch die stechenden Abgase des mindestens 30 Jahre alten Lkw (H-Kennzeichen). Der Gelsenkirchener sieht die Voraussetzung für ein Bußgeld in Höhe von 80 Euro gegen den Fahrer erfüllt wegen „des Verstoßes gegen das Bundes- und Landesimmissionsschutzgesetz, ganz abgesehen von der geöffneten Fahrertür und der Gefährdung von Fußgängern auf dem Gehweg“.
„Das muss man sich nicht bieten lassen“, sagt Wolfgang Weidenberg. „Ich ziehe das jetzt durch, egal wie viel das kostet.“ Hilfe will der erboste Senior daher über seinen Rechtsbeistand suchen, auch an die Gelsenkirchener Bundestagsabgeordnete Irene Mihalic (Bündnisgrüne) will er sich mit der Bitte um Unterstützung wenden.
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Zwischen dem Gelsenkirchener und dem Polizeipräsidium in Buer hat es in der Sache auch schon eifrig Schriftwechsel gegeben. Mit der Antwort ist Weidenberg aber alles andere als zufrieden, empfindet es unter anderem als Frechheit, „von keiner Gefahr für Passanten durch die offene Fahrertür“ zu sprechen. Immer versperre die Tür den gesamten Gehweg, ein Bild zur Dokumentation hat er beigefügt.
Die Unterschiede, die das Gesetz macht
Das Legalitätsprinzip ist in Deutschland die Verpflichtung der Strafverfolgungsbehörde (Staatsanwaltschaft, Polizei, Zoll und Steuerfahndung), ein Ermittlungsverfahren zu eröffnen, wenn sie eine den Anfangsverdacht rechtfertigende zureichende Kenntnis von einer (möglichen) Straftat erlangt hat.
Das Opportunitätsprinzip ermöglicht es, die begrenzten Kapazitäten der Strafverfolgung auf den Kernbereich der Kriminalität zu konzentrieren. Die einschlägigen Vorschriften für die Einstellung des Verfahrens aus Opportunitätsgründen sind insbesondere die Paragrafen 153 ff.
Polizeisprecher: Beamte haben bei Ordnungswidrigkeiten einen Ermessensspielraum
Polizeisprecher Christopher Grauwinkel begründete die Entscheidung, die dem Beschwerdeführer schriftlich wie auch mündlich mitgeteilt wurde, auf Nachfrage dieser Zeitung zum besseren Verständnis ganz ausführlich: „Anders als im Strafrecht, bei dem sich aus dem Legalitätsprinzip ein Strafverfolgungszwang für Polizisten ableitet, unterliegen Polizisten bei der Erforschung von Verfolgung von Ordnungswidrigkeiten dem Opportunitätsprinzip. Das heißt, in solchen Fällen gibt es einen an Leitlinien gebundenen Ermessensspielraum.
Die Ordnungswidrigkeit am Einsatzort festgestellt, sind die Beamten laut Grauwinkel eingeschritten. Wie aus dem Schriftwechsel hervorgeht, kam der Fahrer kurz nach dem Eintreffen der Polizei herbeigeeilt. Daraufhin ist er angehört worden und es hat ein „verkehrserzieherisches Gespräch“ durch die Einsatzkräfte stattgefunden. Der Lkw-Fahrer zeigte sich dabei nach Einschätzung der Polizei „uneingeschränkt einsichtig und kooperativ“, das Fahrzeug sei direkt umgesetzt worden. „Zu einer Behinderung oder Gefährdung des Fußgängerverkehrs ist es nicht gekommen“, so Grauwinkel weiter. Aufgrund dieser Gesamtumstände haben dann die Beamten den Entschluss gefasst, es bei einer mündlichen Verwarnung zu belassen.
„An der Vorgehensweise der Beamten ist aus Sicht des Gelsenkirchener Polizeipräsidiums nichts auszusetzen“, so Grauwinkel abschließend. Die Störung wurde beseitigt und den Umständen angemessen geahndet.
Gelsenkirchens Ordnungsdienst hatte in der Vergangenheit weniger milde entschieden
Das sieht Wolfgang Weidenberg anders. Er erzählt, dass ihm der KOD an gleicher Stelle, als er mal Grünschnitt habe verladen wollen und entgegen der Fahrtrichtung geparkt habe, „15 Euro Strafe“ aufgebrummt hat. Trotz „meiner Einsicht und Kooperation, das Fahrzeug wegzusetzen“. Der 83-Jährige empfindet es als absolute Frechheit, „dass hier ein falsch parkender und umweltverschmutzender LKW-Fahrer wegen Einsicht und Kooperation ungeschoren davon kommt.“ Daher jetzt der Hilferuf nach Düsseldorf.
Allerdings sind Polizei und KOD zwei verschiedene Dinge. Trotz Ermessensspielraum auf beiden Seiten kann der eine so, der andere so entscheiden.
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