Gelsenkirchen/Essen. Nachdem die Staatsanwaltschaft im Gelsenkirchener Prozess „Mord ohne Leiche“ die Höchststrafe beantragt hat, fordern die Verteidiger Freispruch.

Zu viele offene Fragen, zu viele Vermutungen: Im Prozess um das spurlose Verschwinden der Gelsenkirchenerin Anna S. haben die Verteidiger am Mittwoch einen Freispruch beantragt. Der Tod der 35-Jährigen könne aus ihrer Sicht nicht eindeutig geklärt werden.

Dass Anna S. tot ist, glaubt auch Verteidiger Stefan Tierel. „Auch ich gehe davon aus, dass sie nicht mehr lebt“, so der Anwalt in seinem Plädoyer vor dem Essener Schwurgericht. Das zeigten die Totenflecken, die nach Angaben einer Rechtsmedizinerin auf Fotos zu sehen seien. „Unklar ist jedoch, wie ihr Ableben zustande gekommen ist.“

Unfall bei einer Sexualpraktik?

Der Leichnam von Anna S. ist auf Fotos und auf einem Video zu sehen, die in der Wohnung des Angeklagten entstanden sind. Die 35-Jährige hat eine Plastiktüte über dem Kopf, die am Hals zugezogen ist.

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Aus Sicht der Verteidigung könne es sich aber auch um Sexualpraktik gehandelt haben, die außer Kontrolle geraten sei. „Hat der Angeklagte sie umgebracht?“, so Tierel. „Das ist aus meiner Sicht nicht zu klären.“

Leichnam könnte auch einbetoniert sein

Möglicherweise habe der 47-Jährige entschieden, die Leiche wegzuschaffen, weil ihm ein Unfall aus seiner Sicht nicht geglaubt worden wäre. Aber auch hier gebe es nur Vermutungen, weil der Angeklagte im Prozess von seinem Schweigerecht Gebrauch gemacht habe – was sein gutes Recht sei.

Es gebe zwar Hinweise darauf, dass der Leichnam von Anna S. in einer Müllverbrennungsanlage entsorgt worden ist. Aber auch das sei nicht geklärt. Genauso gut könne er auch einbetoniert worden sein.

Internet-Recherchen „unglücklich“

Dass der 47-Jährige im Internet recherchiert habe, wie man Spuren verwische, sei vielleicht „unglücklich“, aber ebenfalls nur ein Indiz. Einiges könnte sich auch auf die frühere Verurteilung des Angeklagten beziehen. Aus Mangel an Beweisen sei daher nur ein Freispruch möglich.

Die Staatsanwaltschaft hatte die Spuren- und Indizienlage in der vergangenen Woche komplett anders bewertet und die Höchststrafe beantragt: lebenslange Haft plus Feststellung der besonderen Schuldschwere plus unbefristete Sicherungsverwahrung.

Der Angeklagte hat bereits früher eine Freundin umgebracht und dafür elf Jahre Haft verbüßt. Ein weiterer Todesfall ist ungeklärt. Auch dabei handelte es sich um eine Bekannte des 47-Jährigen. Das Urteil soll am 15. Dezember gesprochen werden.