Gelsenkirchen. Höherer Aufwand, weniger Geld, große Verunsicherung: Drei feie Hebammen aus Gelsenkirchen erzählen, wie die Pandemie ihre Arbeit beeinflusst.

Die Unterstützung durch eine Hebamme ist für viele Schwangere und Wöchnerinnen unerlässlich. Doch die Corona-Pandemie macht für die Geburtsbegleiterinnen vieles schwieriger. Freie Hebammen – ohnehin schon oft genug in einer schwierigen finanziellen Situation – sprechen von Einbußen, Mehraufwand und Verunsicherung.

Daniela Schwittay aus Ückendorf arbeitet seit 2017 als Hebamme. Etwa acht Frauen pro Monat begleitet sie während der Schwangerschaft und nach der Geburt. Schon die erste Corona-Welle habe ihr zu schaffen gemacht, erzählt sie. Denn wie viele ihrer Berufsgenossinnen hat die 38-Jährige selbst Kinder.

Hebammen können auch Telefongespräche abrechnen, verdienen dabei aber weniger

„Als die Schulen geschlossen waren, musste ich mich mit meinem Mann abwechseln. Vormittags konnte ich nur Schwangerenberatungen am Telefon machen, nachmittags die Vor-Ort-Besuche. Wir haben quasi im Drei-Schicht-System gearbeitet“, erzählt sie. Nicht zuletzt die schwierige Betreuungssituation habe bei ihr für finanzielle Einbußen gesorgt.

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Nun, während der zweiten Welle, sagt Schwittay klar: „Ich bin zurückhaltend mit Besuchen.“ Wenn möglich, dann schwenke sie aufs Telefon oder auf Videotelefonie um. Solche Beratungen können Hebammen aufgrund der Pandemie im Moment bei den Krankenkassen abrechnen „Dafür gibt es aber weniger Geld“, gibt Schwittay zu bedenken. Alexandra Pozo Y Tamayo aus Ückendorf, die seit 14 Jahren als Hebamme arbeitet, sagt sogar: „Die Frauen wollen das auch gar nicht.“

Erfahrung zeigt: Frauen möchten weiterhin den persönlichen Kontakt

In der Tat decken sich die Erfahrungen der Hebammen in diesem Punkt. Zögerlicher seien die Frauen während der Corona-Pandemie nicht, berichten sie. „Die meisten wollen den persönlichen Kontakt“, so Schwittay. Denn schließlich seien sie durch die Kontaktbeschränkungen ohnehin schon relativ isoliert.

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Nadine Hackelbörger, die seit April 2020 als freie Hebamme und zusätzlich im Sankt-Marien-Hospital Buer arbeitet, kann das verstehen: „Es geht ja um einen sehr privaten, intimen Bereich. Den würde ich vielleicht auch nicht mit einer Person teilen wollen, mit der ich einmal per Skype gesprochen habe.“ Allerdings habe sie die Erfahrung gemacht, dass die Frauen gerade im persönlichen Gespräch mit ihrer Hebamme verleitet seien, den Corona-Abstand zu vergessen.

„Hausbesuche sind natürlich auch ein Risiko für mich und meine Familie“

So wird die Entscheidung für die Hebammen nicht selten zur Gratwanderung: Wie verhalte ich mich richtig? Wann liegt ein ausreichender Grund vor, persönlich vorbeizukommen, wann nicht? „ Hausbesuche sind natürlich auch ein Risiko für mich und meine Familie, die ich nicht gefährden will“, sagt Hackelbörger. Wenn die Hebammen zu den Frauen nach Hause kommen, dann nur unter strenger Einhaltung der Corona-Regeln: FFP2-Maske auf, Handschuhe an, wenn möglich Abstand halten und während des Besuchs durchgehend lüften.

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„Bevor ich komme, gebe ich den Frauen eine Komplettanweisung, was sie vorbereiten müssen und wie sie sich verhalten sollen“, berichtet Pozo Y Tamayo. Was wiederum einen zusätzlichen Zeitaufwand bedeute. Und: „Bei manchen Dingen kann ich auch nicht mehr so helfen wie vorher. Zum Beispiel bade ich das Baby nicht, sondern gebe der Mutter nur Anweisungen, wie sie es machen soll.“

Schutzmaterial müssen die Hebammen selbst kaufen

Zunehmend, so berichtet Pozo Y Tamayo, müsse sie Vor-Ort-Termine auch zwangsläufig absagen. Zum Beispiel, weil die Frauen selbst, Partner und Geschwisterkinder in Quarantäne seien. Oder auch einfach Erkältungssymptome hätten. Sie möchte kein Risiko eingehen.

Ein weiteres Ärgernis für die freiberuflichen Hebammen : Anders als zum Beispiel Ärzte, die von den kassenärztlichen Vereinigungen mit kostenlosem Schutzmaterial ausgestattet werden, müssen sie ihre Schutzkleidung selbst kaufen und bezahlen. „Wenn man bedenkt, dass eine FFP2-Maske mindestens fünf Euro kostet, kommt da einiges zusammen“, sagt Schwittay.

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Die Hebammenzentrale der Stadt

Aufgrund des herrschenden Hebammenmangels wird es zunehmend schwieriger für Frauen, eine Geburtshelferin zu finden. Seit Mitte Januar 2020 hilft die Hebammenzentrale Gelsenkirchen deshalb, schwangere Frauen oder Wöchnerinnen und Hebammen zusammenzubringen.

Die Hebammenzentrale Gelsenkirchen wird vom Arbeiter-Samariter-Bund (ASB) organisiert. Es handelt sich dabei um eine Kooperation mit der Hebammenzentrale Bochum.

Wer eine Vermittlung wünscht, findet dafür auf der Homepage der Stadt ein entsprechendes Online-Formular . Zu erreichen ist die Hebammenzentrale unter 0234 97730-55 oder per Mail an hebammenzentrale.gelsenkirchen@asb-bochum.de.

Hackelbörger erinnert sich an den ersten Lockdown: „Da war Schutzmaterial ja sehr schwierig zu kriegen. Einmal ging ich in die Apotheke und sagte: ‘Ich bin Hebamme und brauche Maske, Desinfektionsmittel und Handschuhe.’ Da bekam ich zu hören: ‘Die verkaufen wir momentan nur Leuten, die sie brauchen.’“

Frauen blicken zunehmend verunsichert auf Geburt und Wochenbett

Seitens der Frauen erleben die Geburtsbegleiterinnen eine starke Verunsicherung. „Viele haben große Angst vor der Geburt , weil sie nicht sicher wissen, ob und wie lange ihr Partner dabei sein darf“, erzählt Schwittay. Auch die Vorstellung, ohne emotionale Unterstützung mit dem Neugeborenen in der Klinik zu sein, beunruhige viele: „Ich bekomme mit, dass Frauen deutlich häufiger über ambulante Geburten nachdenken.“