Gelsenkirchen. „Ein Schnelltest ist nicht wie ein Schwangerschaftstest“, sagt ein Gelsenkirchener Arzt. Bei der APD werden Pflegekräfte deshalb extra geschult.

Wieder mal eine neue Verordnung für die Pflege: Schnelltests sollen nach Vorstellung des Landes ab Sonntag (8. November) Pflicht für alle Pflegeeinrichtungen sein. Aber werden die Tests, die nach zirka 15 Minuten direkt anzeigen, ob eine Corona-Infektion vorliegt, den Umgang mit der Pandemie künftig auch abseits der Pflege vereinfachen? Schnelltest für jedermann – da ist man bei der Ambulante Pflegedienste Gelsenkirchen GmbH (APD) skeptisch.

„Die Testung sollte ausschließlich in der Hand von Fachkräften sein, um mögliche Fehlerquellen auf ein Minimum zu reduzieren“, sagt Geschäftsführer Claudius Hasenau – und bekommt Zustimmung von dem Arzt, der bei der APD jüngst 23 Fachkräfte zu Schnelltest-Experten, dem „Corona Care Team“, ausgebildet hat. „So ein Corona-Schnelltest ist nicht wie ein Schwangerschaftstest“, sagt Allgemeinmediziner Hermann Brünjes. „Dafür braucht man Fachkenntnisse.“

Arzt: Schnelltests sind deutlich unangenehmer als PCR-Tests

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Zudem seien die Schnelltests „noch wesentlich unangenehmer“ als die üblichen PCR-Tests, die im Labor ausgewertet werden. Denn statt Abstrich in Mund und Nase müsse man bei den Schnelltests „durch die Nase direkt in den Rachen gelangen“, erläutert Brünjes, der „nur mit großer Mühe“ an vereinzelte Tests für seine Praxis in Rotthausen gekommen ist. „Ich halte es für fraglich, dass bald noch viele Tests verfügbar sein werden“, sagt der Arzt, der eine ähnliche Knappheit wie bei Masken und Desinfektionsmitteln zu Beginn der Pandemie erwartet.

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Erst einmal, sagt APD-Chef Claudius Hasenau, sei man aber froh, 1750 Testungen zur Verfügung zu haben. Auch wenn diese Menge wohl nur für kurze Zeit reichen wird: 800 Patienten werden bei der APD laut Hasenau pro Monat durch 450 Mitarbeiter in ambulant betreuten Wohngemeinschaften oder in ihren eigenen vier Wänden gepflegt. Pro Patient stehen einem ambulanten Pflegedienst wie APD zehn Schnelltests zur Verfügung. Das wären bei APD 8000 Tests im Monat, die jetzt durch das „Corona Care Team“ geleistet werden sollen.

Tests bei Pflegekräften: Kurzuntersuchung vor jedem Dienstbeginn

230.000 Euro mehr pro Monat

Pflegeanbieter werden Kosten durch die neue Teststrategie voraussichtlich weiter über den Rettungsschirm des Bundes absetzten können. Unter dem Strich würden alleine für die APD Corona-Mehrkosten in Höhe von monatlich rund 230.000 Euro übernommen werden müssen, so das Unternehmen.

Für die fachgerechte Durchführung der monatlich rund 8000 fälligen Tests rechnet APD mit bis zu 30 Minuten Arbeitszeit. Pro Monat würden damit 4000 zusätzliche Arbeitsstunden anfallen, wofür man rein rechnerisch 23 zusätzliche Arbeitskräfte benötigen würde. Das würde bei einem Stundenlohn von 33 Euro eine Summe von 132.000 Euro pro Monat ergeben - allein für die Personalkosten.

Die Anschaffung der Tests kostet pro Monat dann noch einmal mindestens 56.000 Euro - wenn man die Kosten eines Schnelltestes, so wie Bund und Länder, derzeit auf 7 Euro beziffert. Der Preis habe sich aufgrund der hohen Nachfrage aber bereits verdoppelt.

Janina Bialon, Qualitätsbeauftragte des Unternehmens, und Pflegedienstleiter Björn Schulte sind zwei der künftigen Schnelltest-Profis. Sie werden die Lage bei Patienten, Bewohnern und Belegschaft nun regelmäßig überprüfen. „Bevor jemand den Dienst antritt, wollen wir feststellen, ob er oder sie auch wirklich arbeitsfähig ist“, erläutert Bialon. Deshalb werden vor dem Dienstantritt „Erkältungsvisite n“ gemacht, bei denen die Temperatur gemessen wird und nach Symptomen gefragt wird. „Wenn es dabei zu Auffälligkeiten kommt, können wir jetzt mit den Schnelltests sofort handeln.“

Bislang habe es eine „enorme Unsicherheit“ gegeben, wenn bei jemandem der Hals kratzte oder die Nase lief. Mindestens zwei Tage habe eine Pflegekraft dann aussetzen müssen, um Sicherheit durch ein Laborergebnis zu erhalten. Das lange Warten auf die Ergebnisse habe auch pflegenden Angehörige n, deren Verwandtschaft bei der Tagespfleg e betreut wird, große Probleme bereitet, ergänzt Björn Schulte. „Bei Auffälligkeiten konnte er oder sie die Tagespflege erst einmal mehrere Tage nicht besuchen. Das bedeutet dann für die Angehörigen, dass sie sich plötzlich völlig umorganisieren mussten.“ Dank der neuen Tests könne man auch hier schnell für Klarheit und Entlastung sorgen.

„Ohne den Rettungsschirm hätten wir längst die Tür zumachen können“

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Ob die kürzeren Quarantäne-Zeiten für die Pflegekräfte den zusätzlichen Personalaufwand durch die Massen an Tests ausgleiche, könne man nicht absehen, sagt APD-Chef Hasenau. „Klar ist, dass der zusätzliche Aufwand allein bei der APD immens ist.“ Bislang hofft Hasenau, die zusätzlichen Aufgaben durch „Verdichtungen im Schichtsystem“ regeln zu können. „Es wird am Anfang etwas holpern, aber die Chancen für Leib und Leben durch die Tests sind groß.“

Denn Hasenau sieht die Tests – trotz der Zusatz-Belastung – vor allem als großen Gewinn für die Sicherheit in der Pflege. Die Teststrategie von Bund und Land sei grundsätzlich der richtige Weg. „Ich bin froh, in einem Land zu leben, dessen Regierung die Systemrelevanz der ambulanten Pflege nicht nur beklatscht, sondern mit enormer finanzieller Unterstützung sicherstellt“, lobt er die Politik. „Ohne den Pflege-Rettungsschirm hätte die APD längst die Tür zumachen können.“