Gelsenkirchen. An Allerheiligen werden wieder viele den Hauptfriedhof Gelsenkirchen-Buer besuchen. Ein Rundgang sagt viel über unseren Umgang mit dem Tod aus.
Am Sonntag ist der 1. November, Allerheiligen: Traditionell gehen Menschen dann auf den Friedhof und stellen Kerzen auf die Gräber ihrer verstorbenen Angehörigen. Auch auf dem Buerschen Hauptfriedhof, dem größten Friedhof der Stadt. Er umfasst ein Gebiet, das von Buer über Erle bis an die Grenze zu Resse reicht. Ein Rundgang über den Friedhof zeigt auch, wie sehr sich die Begräbnis- und Erinnerungskultur im Laufe der Jahre und Jahrzehnte gewandelt hat.
Andreas Mäsing kennt den Friedhof wie seine Westentasche. Er ist Geschäftsführer der Friedhofsgärtner Gelsenkirchen eG (FGG), sein Büro an der Middelicher Straße grenzt direkt an die Begräbnisstätte. Das Land, auf dem die FGG steht, war früher einmal als mögliche Erweiterungsfläche für den Hauptfriedhof gedacht. Das es dazu kommt, ist unwahrscheinlich, denn weiter wachsen wird der Friedhof wohl nicht. Im Gegenteil – angesichts der Bevölkerungsentwicklung in Gelsenkirchen ist er eher überdimensioniert.
Die Anlage in Buer ist der größte Friedhof in Gelsenkirchen
Mit 43 Hektar ist er der mit Abstand größte der neun genutzten Friedhöfe der Stadt – der nächstgrößte, der Ostfriedhof in Bismarck, kommt auf 22 Hektar. Zum Vergleich: Ein Fußballfeld ist etwa einen Hektar groß. „Etwa ein Drittel aller Beerdigungen in Gelsenkirchen finden hier statt“, erklärt Andreas Mäsing. Bei etwa 3200 Sterbefällen pro Jahr sind das 800 bis 1000 Beisetzungen zwischen Neujahr und Silvester.
Das waren einmal deutlich mehr: Um das Jahr 1970 hatte Gelsenkirchen fast 400.000 Einwohner, dementsprechend waren auch die Zahl der Sterbefälle und Beerdigungen viel höher. Dafür wurden Flächen auf dem Hauptfriedhof vorgehalten, Flächen, die man heute nicht mehr braucht. Doch Andreas Mäsing weiß: Auch Friedhofsflächen, die unbenutzt aussehen, weil keine Grabsteine dort stehen, wurden in früheren Zeiten als Grabflächen benutzt, enthalten die sterblichen Überreste von Menschen. Ein Rückbau des Friedhofs, um etwa Platz für Wohnbebauung zu schaffen, kommt für ihn daher nicht infrage.
Der Trend geht wieder weg von anonymen Gräbern
Wie sehr sich das Verhältnis der Menschen zum Thema Tod und Trauer im Laufe der Jahre verändert hat, merkt man, wenn man über den Friedhof geht. Im ältesten Teil um den Haupteingang an der Immermannstraße sind es noch die „klassischen“ Einzelgräber, die Familiengruften. Auf den teilweise sehr alten Grabsteinen stehen häufig Namen, die sich auch auf Straßenschildern in Buer wiederfinden.
Je weiter man aber nach Osten, Richtung Resse geht, auf den neueren Teil des Friedhofs, desto mehr neue Formen der Bestattung findet man. „Zum Glück geht der Trend wieder weg vom anonymen Grab“, sagt Andreas Mäsing. Diese Art der Beisetzung sei oft deswegen gewählt worden, um die Angehörigen nicht mit der Grabpflege zu belasten. Das sei aber in vielen Fällen zu kurz gedacht.
Acht Prozent der Verstorbenen haben keine Angehörigen mehr
„Es kommt immer wieder vor, dass Angehörige Blumen oder Kerzen auf die anonymen Grabfelder stellen, die dann von der Friedhofsverwaltung abgeräumt werden müssten, weil das nicht gestattet ist“, so Mäsing. Dabei liege es in der Natur des Menschen, beim Besuch des Grabes eines geliebten Menschen etwas mitzubringen.
Einweihung im Jahr 1899
1899 wurde der Buersche Hauptfriedhof eingeweiht, zunächst nur als Friedhof für Bürger aus Erle. Damals war Buer noch eigenständig.
Als einige Jahre später die Bevölkerung explosionsartig wuchs und der alte Buersche Friedhof an der Mühlenstraße nicht mehr ausreichte, kaufte die Stadt Bauernland rund um den neuen Friedhof auf – so kam er zu seiner heutigen Größe.
Eine Besonderheit des Hauptfriedhofs findet sich schließlich am Ostende der Anlage. Hier liegen die „unbedacht Verstorbenen“, Tote, bei denen sich kein Angehöriger fand, der sich um die Bestattung kümmern konnte. „Das sind immerhin acht Prozent der Menschen, die in Gelsenkirchen jedes Jahr sterben“, sagt Andreas Mäsing. Mehrmals im Jahr findet eine Trauerfeier statt, bei der an diese Menschen erinnert wird.
Dass diese Toten nicht vergessen werden, darum kümmert sich der ökumenische Verein „Ruhe-Steine“: Er
sorgt dafür, dass jeder einen kleinen Gedenkstein bekommt, auf dem Name sowie Geburts- und Todesdatum des Verstorbenen stehen. Für Andras Mäsing eine Selbstverständlichkeit: Für ihn sagt die Art und Weise, wie eine Gesellschaft mit ihren Verstorbenen umgeht, viel über sie aus. „Eine Reporterin hat einmal ein Kind gefragt, was denn ein Friedhof ohne Bäume, Grabsteine und Blumen sei“, erzählt er. „Die Antwort des Kindes: ,Eine Müllkippe’. Da ist etwas dran.“
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