Gelsenkirchen. Maximal 250 Besucher dürfen Aufführungen im Gelsenkirchener Musiktheater im Revier miterleben. Ein Gespräch mit Geschäftsführer Tobias Werner.
Die Pandemie-Lage hat in ganz NRW, aber vor allem in dieser Stadt eine derartige Dynamik entwickelt, dass sich die Auflagen für alle Konzertveranstalter seitens des Landes beinahe täglich verändern. Unter den Folgen einer kaum verbindlichen Planungsmöglichkeit für die erlaubte Auslastung leidet auch das Musiktheater im Revier (MiR). „Wir dürfen momentan maximal 250 Besucher ins Große Haus lassen. Das kann morgen aber schon wieder anders sein“, sagt Tobias Werner (42), der Geschäftsführer des Hauses. Trotz aller Corona-Sorgen in der Gesellschaft stellt er im Gespräch mit dieser Zeitung fest: „Wir sind kein Infektionsherd.“
Das Publikum steht auch in Pandemie-Zeiten voll zum Gelsenkirchener MiR
Die Änderung mit den bislang folgenschwersten Konsequenzen erlebten die MiR-Macher Mitte Oktober. Da wurden die erlaubten Besucherkapazitäten nach einem Erlass des Landes NRW nochmals reduziert. „Deshalb mussten wir bei einer Aufführung etwa ein Drittel der Besucher nachträglich wieder ausladen. Das war eine ganz bittere Erfahrung“, blickt Geschäftsführer Werner zurück. Zum Glück hätten sich recht schnell genügend Freiwillige gemeldet, die verzichten und das Stück zu einem späteren Termin anschauen wollten. „Die Reaktionen unserer Stammgäste waren bislang durchweg verständnisvoll. Unser Publikum steht auch in Pandemie-Zeiten voll zu uns“, stellt Werner erleichtert fest.
Werner und seine Mitstreiter stört vor allem, dass alle Opern- und Theaterhäuser des Landes bei den Corona-Vorschriften in einigen Punkten quasi über einen Kamm geschert würden. „Dabei kann man die Häuser doch gar nicht miteinander vergleichen. Wir haben im MiR räumlich so großzügige Foyers, dass sich die Gäste dort in den Pausen bestens aus dem Weg gehen und Abstand halten können“, so Werner. Immerhin darf er derzeit 250 Besucher einlassen, andernorts sind es maximal 100. Ausschlaggebend für diese kleine Aufstockung sei das Hygienekonzept des Hauses gewesen.
Besucher müssen nun auch während der Aufführungen die Maske aufbehalten
Neu ist auch, dass alle MiR-Gäste nun auch während der Aufführungen am Platz ihre Masken aufbehalten müssen. Das war zuvor nicht erforderlich. „Wir sorgen über unsere Belüftungsanlage auch ständig für Frischluft. Auch deshalb halte ich das MiR für einen der sichersten Orte in Gelsenkirchen“, sagt Werner. Dieses Gefühl teilen auch die meisten Besucher, wie sie in zahlreichen Feedback-Schreiben oder E-Mails mitgeteilt haben.
Auch interessant
„Die Menschen sind vor allem dankbar, dass wir in schwierigen Zeiten wie diesen überhaupt spielen“, weiß der Geschäftsführer. Deshalb sei es das vorrangige Ziel, den Spielbetrieb so gut und so lang, wie es Corona zulässt, auch aufrechtzuerhalten. „Das ist nicht nur aus wirtschaftlicher, sondern auch aus sozialer Sicht dringend erforderlich. Wir müssen und wollen ein Ort der Begegnung bleiben.“ Trotz oder gerade wegen der Corona-Pandemie.
Großes Lob des Geschäftsführers für das Kassenteam des Musiktheaters
Das Hygienekonzept des Hauses gilt natürlich nicht nur für die Besucher, sondern auch für die rund 300 Beschäftigten. In Absprache mit den eigenen Kräften für Arbeitssicherheit und den Betriebsärzten seien Maximalkapazitäten für jeden einzelnen Raum im MiR festgelegt worden, betont Werner. Das Konzept sei bislang aufgegangen. Es habe noch keinen einzigen Corona-Verdachtsfall in der Belegschaft gegeben. Nur vereinzelt seien Mitarbeiter aufgrund von Erkrankungen in deren Umfeld in Quarantäne geschickt worden.
Zum Mitarbeiterstab gehört auch das sechsköpfige Kassenteam. „Das leistet gerade großartige Arbeit“, lobt der Geschäftsführer. Ständig müsse in puncto Ticketverkauf derzeit umdisponiert, umgeplant und umgebucht werden. „Das ist eine sehr komplexe Aufgabe, da alles im Auge zu behalten.“ Doch nicht nur sie, alle Mitarbeiter würden in Krisenzeiten ihr Bestes geben und voll mitziehen. Und das, obwohl rund 75 der 300 Beschäftigten zwischenzeitlich in Kurzarbeit geschickt werden mussten oder es noch sind. Für sie verspüre er eine große Sorgfaltspflicht, genau wie für das Publikum, so Werner.
Von der NRW-Landesregierung würde er sich mit Blick auf die jüngsten Einschränkungen „etwas weniger Aktionismus, dafür mehr Vertrauen in das umsichtige Handeln der Akteure im gesamten Kulturbetrieb“ wünschen. Baden-Württemberg und Bayern hätten da bessere Lösungen gefunden, sagt Werner. Eine differenzierte Betrachtung der einzelnen Häuser sei dringend erforderlich: „Denn wir brauchen Kunst und Kultur in diesen Tagen mehr denn je.“
Zur Person: MiR-Geschäftsführer Tobias Werner
Tobias Werner ist in seinem fünften Jahr als Geschäftsführer des Musiktheaters im Revier aktiv. Der gebürtige Hamburger lebt in Buer. Er ist studierter Musikwissenschaftler und Betriebswirt. Vor seinem Engagement in Gelsenkirchen war er in Weimar, Berlin, Köln und Chemnitz beschäftigt – an letzterer Station als Verwaltungsdirektor.
Als Norddeutscher hat er das Ruhrgebiet als seine neue Heimat sehr schnell kennen- und schätzen gelernt. „Ich habe mich hier von Beginn an wohlgefühlt. Der Menschenschlag hier ist wirklich klasse“, sagte Werner. Zu seinen Hobbys in der Freizeit gehören Literatur, Ausstellungs- und Theaterbesuche.