Gelsenkirchen-Ückendorf. Der Gelsenkirchener Rechtspolitiker Henry Schwind ist zu einer Haftstrafe verurteilt worden. Sein Strafregister wächst damit auf 16 Einträge an.
Der Gelsenkirchener Rechtspolitiker Henry Schwind ist vom Amtsgericht zu drei Monaten Haft verurteilt worden. Die Richterin sah es als erwiesen an, dass der 32-Jährige am 4. März dieses Jahres eine Mitarbeiterin (57) der NS-Dokumentationsstätte an der Cranger Straße in Erle beleidigt hat. So sehr, dass sie sich bedroht gefühlt hatte. Mit der Strafe erweitert sich das Strafregister des Kreisvorsitzenden der Partei „Die Rechte“ um den 16. Eintrag.
In der Begründung legte die Vorsitzende Richterin dar, dass eine Geldstrafe oder Bewährungsauflage wegen „Uneinsichtigkeit und erheblicher Vorbelastung“ nicht mehr in Frage gekommen sei bei der Urteilsfindung. Schwind, gelernter Koch und zuletzt bei den Kommunalwahlen in Gelsenkirchen noch Spitzenkandidat der Partei „Die Rechte“ für die Bezirksvertretung Ost, ist vielfach vorbestraft.
15 Einträge wies das Register bislang aus. Von Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte über Sachbeschädigung, Beleidigung und Körperverletzung in unterschiedlichster Ausprägung reicht das Spektrum. Und: Der Gelsenkirchener stand aktuell (und davor schon mehrfach) unter Bewährung und unter Betreuung einer Sozialpädagogin. Ihrer durchaus positiven Prognose zur Zukunft des 32-Jährigen mochte die Richterin wohl aufgrund der erheblichen Hafterfahrung und Verstöße gegen Auflagen nicht ganz glauben. In der Summe ergeben sich aus den bislang ergangenen Urteilen gut sechs Jahre Haft für Schwind.
Gelsenkirchenerin zieht vor Schreck nach der Attacke die Vorhänge im Büro zu
Das Gericht glaubte der Darstellung der Zeuginnen Lydia G. (57) und Bettina G. (44), beides Mitarbeiterinnen der NS-Dokumentationsstätte. Demnach kam es am 4. März dieses Jahres gegen 18.30 Uhr zu tumultartigem Krach durch einen Sprung gegen das Büro-Fenster im Erdgeschoss. Dahinter saßen die gelernte Altenpflegerin und die Aufsicht am Schreibtisch. Schwind, in Begleitung eines Kumpels, soll in ihre Richtung gespuckt und „Loser“ gebrüllt haben.
Erschrocken und verängstigt, so erzählte es Lydia G. dem Gericht, habe sie dann wie vom Staatsschutz empfohlen die Vorhänge zugezogen. Die Beamten hatten der 57-Jährigen zufolge eine Woche vorher an Ort und Stelle über mögliche Gefährdungen berichtet. Einen Tag nach der Attacke sei sie dann bei ihrer „Recherche zu Rechtsradikalen im Internet auf Fotos des Gelsenkircheners“ gestoßen – so dass sie „sicher war, wer da vor dem Haus gestanden hat“.
Kumpel Daniel S. (41) aus Gelsenkirchen und Lebensgefährtin Cosma S. (25) aus Dortmund mit „Maulkorb Demokratie“-Maske schilderten den Tatabend ganz anders. Während der Gerüstbauer wegen seiner starken Leidenschaft für das Rauchen unbewusst und in angeblicher „Unkenntnis der NS-Dokumentationsstätte“ im Vorbeigehen mit Henry Schwind auf den Boden gespuckt haben will, verortete die Bäckereifachverkäuferin das Männer-Duo ganz woanders. Allein will sie an dem Gebäude vorbeigegangen sein, während die beiden Freunde vorher die Straßenseite gewechselt hätten, um bei „Woolworth etwas zu kaufen“. Niemand, so ihre Version, „hat ein böses Wort gesagt“.
Die Vorsitzende Richterin schenkte diesen Versionen aber keinen Glauben. Zu groß war wohl für sie Widerspruch in der Darstellung, dass die beiden gar nicht an der NS-Dokustätte vorbeigelaufen sind und Schwinds Kumpel die Schuld für die Spuckerei auf sich nehmen wollte.
Versuchte Körperverletzung nicht nachweisbar, dazu Frist abgelaufen
Die Anklagepunkte einer zusätzlichen Beleidigung, Bedrohung und versuchten Körperverletzung flossen in die Urteilsfindung nicht mit ein. Die Beweislage war dem Gericht zu dünn, auch spielt Verjährung eine Rolle. Hintergrund: Der Gelsenkirchener Integrationshelfer Dominik Z. fühlte sich von Henry Schwind bedroht und tätlich angegriffen. Am 16. Februar 2018 soll der Rechtspolitiker den 29-Jährigen im Nachtexpress von Bochum nach Buer von hinten attackiert haben. Zuvor, am 20. April 2017, soll der vorbestrafte Gelsenkirchener dem Linkssympathisanten nach dem Ausstieg aus der Straßenbahn an der Gesamtschule Ückendorf nachgejagt sein, ihn bedroht sowie übel beschimpft haben.
Auch hier waren Widersprüche ein maßgeblicher Faktor für das Gericht. Das „Outlaw“-Tattoo auf Schwinds Wange will der Integrationshelfer sich gut gemerkt haben, sich an Details der Bedrohung und des tätlichen Angriffs aber erst nach mehrfacher Befragung erinnern können. Außerdem reichte er den Strafantrag erst zwei Jahre später ein.
Gegen das am Mittwoch ergangene Urteil kann binnen einer Woche Berufung eingelegt werden.
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