Gelsenkirchen. Der Austausch von Bank- und Steuerdaten zwischen den Staaten schreitet voran. Warum das für viele Deutsch-Türken spürbare Folgen haben könnte.

Ahmet* sitzt in seinem Ferienhaus an der türkischen Ägäis, mit sorgenvollem Blick verrührt er den Zucker in seinem Tee. Eigentlich fährt der Gelsenkirchener für ein Taxiunternehmen in Nordrhein-Westfalen. Doch seit Ausbruch der Corona-Pandemie liegt die Branche nahezu komplett darnieder, deshalb verbringen Ahmet und seine Frau schon seit Monaten ihre Zeit in der Türkei.

„Es gibt schlicht nichts zu tun, der Flughafen in Düsseldorf ist wie leer gefegt, es finden kaum Messen statt und in den Ausgehmeilen ist auch kein Kunde mehr“, sagt der Familienvater. Dank des Kurzarbeitergeldes und anderer Sozialleistungen sind Ahmet und seine Frau finanziell abgesichert. Dennoch macht er sich inzwischen große Sorgen. Weniger wegen Corona, sondern vielmehr wegen des deutschen Finanzamtes. Damit ist er nicht alleine. So wie ihm, geht es vielen anderen Deutsch-Türken auch.

Automatischer Informationsaustausch über Finanzkonten zwischen der Türkei und Deutschland

Denn was das Finanzamt bisher noch nicht über Ahmet weiß, ist, dass er in der Türkei ein Mehrfamilienhaus besitzt und dadurch regelmäßige Mieteinnahmen auf sein dortiges Konto fließen. Der Gelsenkirchener ist bei weitem kein Einzelfall. Bislang ist die genaue Zahl der Deutsch-Türken, die sich in der alten Heimat über zusätzliche, in Deutschland unversteuerte, Einnahmen freuen, noch unbekannt. Doch das wird sich aller Voraussicht nächstes Jahr ändern.

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Ankara hat den „Automatischen Informationsaustausch über Finanzkonten“ (AIA) mit Deutschland, Frankreich, Belgien, Österreich und den Niederlanden zwar auch 2020 nicht umgesetzt, obwohl es anders verabredet war. Doch im kommenden Jahr sollen die Daten fließen. Steuersündern drohen dann empfindliche Nachforderungen von den Finanzämtern, wie Ahmet weiß und fürchtet.

Noch überlegt der Gelsenkirchener, ob er sich nicht selbst anzeigen soll. „Vorher werde ich aber erstmal einen Anwalt aufsuchen“, sagt der 60-Jährige.

Steuerhinterziehung ist eine Straftat

Wer bisher die entsprechenden Einkünfte aus der Türkei nicht in seiner deutschen Steuererklärung angegeben hat, sollte schnell handeln, raten indes Anwälte. Es drohe der Vorwurf der Steuerhinterziehung und gegebenenfalls die Einleitung eines Steuerstrafverfahrens. Denn: Vorsätzliche Steuerhinterziehung stellt in Deutschland eine Straftat dar, die mit einer Geld- oder Freiheitsstrafe geahndet werden kann.

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Künftig werden zwar nur Daten zum jeweils zurückliegenden Steuerjahr übermittelt. Daten aus den Vorjahren sind nicht erfasst. Das bedeute jedoch nicht, dass für die zurückliegenden Jahre kein strafrechtliches Risiko bestehe, warnt Diplom-Kaufmann und Steuerberater Adem Göksal im Interview mit der deutschsprachigen Seite des türkischen Nachrichtensenders TRT. Eben weil die Informationen Rückschlüsse auf entsprechende Einkünfte aus vorangegangenen Jahren zuließen und das Finanzamt weitere Auskünfte verlangen und Kapitalerträge schätzen könne. Göksals Prognose zufolge könnten eine halbe Million Türkeistämmige in Deutschland davon betroffen sein.

„Ich bin einer davon und ich kenne noch eine ganze Reihe weiterer Gelsenkirchener“, sagt Ahmet. Inzwischen hat er seinen Tee ausgetrunken. „Das Glas“, sagt er in Anspielung auf die deutsche Redewendung, „ist im Moment nicht mal mehr halbvoll.“

*Name geändert