Gelsenkirchen. Gerichtsprozess gegen den Gelsenkirchener Rechtspolitiker Henry Schwind. Der Vorwurf: Beleidigung, Bedrohung, versuchte Körperverletzung.

Die Anklage lautet: Beleidigung, Bedrohung und versuchte Körperverletzung: Der Kreisvorsitzenden der Partei Die Rechte, der Gelsenkirchener Henry Schwind, musste sich am Mittwoch vor dem Amtsgericht Gelsenkirchen verantworten.

Die Anklage geht zurück auf drei Vorfälle. Am 4. April dieses Jahres soll der 32-jährige Schwind eine Mitarbeiterin der NS-Dokumentationsstätte an der Cranger Straße in Erle als „Looserin“ beschimpft und gespuckt haben, so dass sie sich bedroht gefühlt habe. Des Weiteren wird dem Gelsenkirchener zur Last gelegt, am 16. Februar 2018 den 29-jährigen Integrationshelfer Dominik Z. im Nachtexpress 10 von Bochum nach Buer von hinten attackiert zu haben. Zuvor, am 20. April 2017, soll der ehemalige Spitzenkandidat der Rechten für die Gelsenkirchener Bezirksvertretung Ost Z. nach dem Ausstieg aus der Linie 302 an der Gesamtschule Ückendorf nachgejagt und bedroht haben. „Du linke Fotze. Wenn du Nazis boxen willst, dann komm her“ soll Schwind beim ersten und „Endlich habe ich dich“ beim zweiten Aufeinandertreffen gesagt haben.

Gelsenkirchener ist sich sicher: Ohne Flucht hätte es Schläge gesetzt

Wie Dominik Z. bei der Zeugenvernehmung schildert, ist er beide Male geflüchtet. Einmal in Richtung Arbeit, also in das Schulgebäude, wo eine „Lehrerin oder Sekretärin“, die er nicht mehr genau beschreiben kann, die Polizei verständigte. Beim anderen Mal suchte er Schutz im türkischen Imbiss Sultan Saray am Goldbergplatz. „Er hat mich massiv bedroht“, sagt Z. „Wäre ich stehengeblieben, hätte er mir auf die Schnauze gehauen“, schildert der auffällig gepiercte und getunnelte Integrationshelfer seine Sicht auf den Angriff im April 2017. Im Nachtexpress habe er sich losgerissen, als er von „hinten an der Schulter gepackt worden“ sei.

Henry Schwind nimmt zu allen Vorwürfen keine Stellung. Schweigend verfolgt er die Einlassungen seines Verteidigers, die Hände mit dem Skelett-Tattoo links gefaltet, der Blick schweift zwischen Richterin, Zeugen und Entourage auf den Zuschauerplätzen hin und her. Gut sichtbar: Das „Outlaw“-Tattoo (Gesetzloser) auf der rechten Wange. Apropos Entourage, darunter auch der ehemalige Dortmunder Stadtrat Siegfried Borchardt: Die Unterstützer verwechseln die Eingangstür zum Gerichtssaal offenbar mit der eines Nachtclubs, versperren breitschultrig den Zugang. Erst die verstärkte Präsenz von Justizkräften und wohl auch auf Geheiß Gleichgesinnter verschwinden sie.

Gelsenkirchener Rechtspolitiker Schwind sieht sich von Linkssympathisant verfolgt

Über seine Verteidigung teilt Schwind mit, dass vom ihm „keine Bedrohung“ ausgegangen sei. Er habe Dominik Z. nicht angefasst. Vielmehr fühle er sich von dem Zeugen bedroht und verfolgt, und er sei derjenige, der vor Z. davonlaufe. „Er weiß, dass er dem linken Lager zuzuordnen ist, hält deshalb Abstand“, sagt der Verteidiger. Und er zitiert weiter seinen Mandanten: „Ich versuche nicht, meine politische Überzeugung mit Gewalt durchzusetzen, mit meiner politischen Vergangenheit habe ich abgeschlossen.“ Ist Letzteres eine Abkehr von jedwedem politischen Engagement? Das bleibt unklar.

Die Vorsitzende Richterin und auch die Verteidigung haken nach, warum der Integrationshelfer erst 27 Monate später Anzeige erstattet hat, und seit wann er weiß, wer der Angeklagte ist – denn bei dem Vorfall in der Straßenbahn will Dominik Z. keine Ahnung gehabt haben, wer ihm „zuvor gegenübergesessen hat“. Das sei ihm bei einer Infoveranstaltung über die rechte Szene Ende April 2017 erklärt worden, sagt der 29-Jährige.

Angebliche Drohung: „Wenn ich dich das nächste Mal in Buer oder Erle sehe, schlage ich dir den Schädel ein“

Das lange Zögern begründet der Zeuge damit, dass er „Stress aus dem Weg gehen wollte“, die Polizei nach dem Ückendorfer Vorfall keinen Erfolg bei der Nahbereichsfahndung hatte und ihm zudem mitgeteilt worden sei, dass kein Straftatbestand vorliege. Der Gelsenkirchener berichtet aber auch, dass er den Angeklagten öfter wieder gesehen habe, unter anderem auf dem Feierabendmarkt, letztmalig am 13. Juli 2019. „Da stand er mit anderen in der Sparkasse vor dem Haus, zog aber kein Geld, sondern beobachtete das Haus und telefonierte“, so Dominik Z. Und weil bei einem der ungewollten Treffen die Drohung „Wenn ich dich das nächste Mal in Buer oder Erle sehe, schlage ich dir den Schädel ein“ von Schwind gefallen sei, hat er es sich anders überlegt. Auch der Verfassungsschutz hat mit Z. befragt.

Der Vorfall an der NS-Dokumentationsstätte vom 4. April dieses Jahres bleibt nur spärlich aufgearbeitet. Die Zeugin fehlt. Deshalb wird die Fortsetzung des Prozesses auf den 21. Oktober, 13 Uhr, im Justizzentrum an der Bochumer Straße vertagt. Ohnehin, so lässt Schwind ausrichten, wisse er nicht mehr, ob er seinerzeit „überhaupt etwas wahrgenommen habe“, ob es dort eine Ausstellung gegeben habe. Soll wohl heißen: Ich wusste nicht, wo ich mich befand.