Auch an Weihnachten steht die Welt nicht still. Ärzte, Busfahrer, Feuerwehr - in vielen Berufen kommt die Pflicht vor dem Fest. Erst wenn bei anderen Familien schon die ersten Kerzen niedergebrannt sind, können sich viele Menschen aus diesen und ähnlichen Professionen auf den Heimweg machen.

Wenn heute Nachmittag aus den Radios Chris Reas ultimative Heiligabend-Heimfahr-Hymne „Driving Home for Christmas” klingt, dürfen die meisten Menschen nach Hause - Weihnachtszeit ist schließlich Familienzeit.

Und wenn dann im Kreise der Liebsten die Welt auf die wohlig warme und weihnachtlich geschmückte Wohnung zusammenschrumpft, dann blenden viele aus, dass das Leben draußen weitergeht, ja weitergehen muss. Denn auch an Weihnachten werden manche Menschen krank, brauchen Hilfe für den Leib und Trost für die Seele, müssen ihr Auto tanken oder wollen Busse und Bahnen benutzen. Und dafür müssen andere arbeiten.

Wenig Zeit für Besinnlichkeit

Eine, die es gar nicht anders kennt, ist Hülya Klüsener. Die Kinderärztin hat heute Dienst in der Kinder- und Jugendklinik im Bueraner Bergmannsheil und wird Heiligabend nicht mit ihrer Familie verbringen: „Das bleibt in dem Beruf nicht aus. Das gehört einfach dazu.” - für Klüsener schon seit ihrer Kindheit. Die Mutter war Krankenschwester, gemeinsame Feiertage die Ausnahme. Das hat sich bis heute nicht geändert: „Jedes Jahr überlegen wir, wer wann mit wem und wo Weihnachten feiert. Eine richtige Tradition haben wir nicht.” Und im Zweifelsfall gilt: „Was nicht geht, das geht nicht.” Klüsener ist nicht verheiratet und hat auch keine Kinder - das macht es einfacher. Und außerdem bleibe im Job nur wenig Zeit für besinnliche Gedanken.

Nach der morgendlichen Visite und den medizinischen Routineaufgaben betreut die 36-Jährige die Ambulanz der Kinderklinik - und dort warten dann die richtigen Härtefälle: „An Weihnachten kommen nur die Kinder, die wirklich sehr krank sind.” Denn: „Welches Kind verbringt Weihnachten schon gerne im Krankenhaus.” Da müsse man manchmal schon trösten, meint Klüsener. Ab und zu könne man auch mal ein Auge zudrücken: „Wenn es medizinisch verantwortbar ist, entlassen wir die Kinder, damit sie Weihnachten zu Hause bei ihren Familien sind.”

Fehlende Festtage für Busfahrer

Nicht oder erst spät daheim sind auch zahlreiche Fahrer der Bogestra. Der öffentliche Nahverkehr rollt auch an Feiertagen: Bis 18 Uhr lenkt Ulrich Stefaniak seinen Bus auf verschiedenen Strecken durch Gelsenkirchen. Seit 35 Jahren ist Stefaniak schon bei der Bogestra und hat die meisten Weihnachtsabende am Steuer verbracht. Er hat sich längst an die fehlenden Festtage gewöhnt: „So ist nun mal der Rhythmus, das macht mir nichts mehr.” Zu Hause müssen seine Frau und die erwachsene Tochter eben auf die Bescherung warten, der Kirchgang fällt meistens aus. „Das Wichtigste ist, dass die Familie das mitmacht”, sagt Stefaniak, der in diesem Jahr an allen Weihnachtsfeiertagen auf die Straße muss. Doch das hat auch Vorteile: „Die Fahrgäste sind schon freundlicher an Weihnachten”, hat Stefaniak beobachtet - und manche bescheren sogar den Busfahrer: „Der eine oder andere bringt mir ein Schokoladenkugel oder einen Nikolaus mit. Das ist doch eine nette Aufmerksamkeit”, freut sich Stefaniak.

Ein ganz normaler Arbeitstag

Da zu Weihnachten die Aufmerksamkeit aber zuweilen auch mal nachlässt, muss auch die Feuerwehr ständig in Bereitschaft sein. Die Wache in der Seestraße im Berger Feld ist auch während der Feiertage mit 50 Feuerwehrmännern besetzt. Denn: „Rein statistisch ist das Risiko, dass es brennt, an Weihnachten genau so hoch wie an jedem anderen Tag”, sagt Feuerwehrchef Ulrich Tittelbach. Die Hauptbrandmeister Georg Lugge (50) und Thorsten Bannuscher (36) sind an Weihnachten im Einsatz: „Das ist für uns ein fast normaler Arbeitstag. Mit dem Unterschied, dass wir versuchen, es uns hier auch ein bisschen weihnachtlich zu machen”, sagt Lugge. Sein Kollege Bannuscher hat zwei kleine Kinder: „Manchmal wird die Feier dann eben um unseren Dienst herumgelegt.” - irgendwie kommen alle zu ihrem Fest.

Doch erst wenn bei anderen Familien schon die ersten Kerzen niedergebrannt sind, können sich auch Ärzte, Busfahrer, Feuerwehrleute und viele andere auf den Heimweg machen. Erst dann gilt auch für sie: „Driving home for Christmas.”