Beckhausen-Sutum. Die 14-jährige Pflegetochter von Gelsenkirchener Pflegeeltern hat selbst ein Kind zur Welt gebracht. Jetzt gibt es Streit um das Sorgerecht.
Eine Vertreterin des Jugendamtes kam am Montag, 14. September, um 10.30 Uhr zu Ralf-Dieter Gebehenne und seiner Ehefrau Anke Kalinowski – und zwar in Begleitung der Polizei. Sie holte den fünf Monate alten Hamza (Name geändert) ab, den Sohn der 14-jährigen Pflegetochter des Ehepaares. Es war das vorläufige Ende einer traurigen Geschichte.
Die nahm ihren Anfang im Jahr 2015: Damals waren viele Flüchtlinge nach Deutschland gekommen. Ralf-Dieter Gebehenne (heute 65), Beamter im Ruhestand, und seine heute Ehefrau Anke Kalinowski (57) waren sich einig: Da muss man helfen. Sie boten ihre Hilfe an, gern würden sie sich um einen minderjährigen, unbetreuten Flüchtling kümmern.
Zusammenleben zwischen Pflegeeltern und Pflegetochter war von Beginn an schwierig
Dazu kam es nicht, doch das Jugendamt bot dem Ehepaar dann im Jahr darauf an, die Pflegschaft für ein Mädchen zu übernehmen. Ramona (Name von der Redaktion geändert), damals neun Jahre alt, kam aus äußerst schwierigen Verhältnissen. „Sie wurde höchstwahrscheinlich von ihrem Vater missbraucht“, berichtet Anke Kalinowski. Bevor sie zu dem Ehepaar nach Sutum kam, hatte sie drei Jahre Kinder- und Jugendpsychotherapie hinter sich. „Uns war das egal“, erinnert sich Kalinowski. „Wir wollten jedem Kind eine Chance geben.“
Doch das Zusammenleben gestaltete sich von Anfang an schwierig. Ramona habe sich selbst Verletzungen zugefügt, immer wieder unter Anfällen gelitten. Immer wieder sei es zu Spannungen zwischen den Pflegeeltern und Ramona gekommen. Das Mädchen habe sich kaum an Regeln gehalten, auch Ordnung und Sauberkeit seien immer wieder Streitthemen gewesen.
Den Vater des Kindes lernte Ramona am Essener Hauptbahnhof kennen
Im Juni 2019 sei die Situation dann eskaliert, berichten Kalinowski und Gebehenne. Ramona habe sich erneut durch „Ritzen“ selbst verletzt, das Ehepaar rief die Feuerwehr. In die Klinik wollte das Mädchen nicht, bei den Pflegeeltern bleiben auch nicht – das Jugendamt verfügte zunächst einmal, dass Ramona in eine Wohngruppe kommt.
„Dort ist sie aber relativ schnell wieder abgehauen“, berichtet Kalinowski. Mit Folgen: Ramona lernt einen jungen Mann aus Afghanistan kennen. Die beiden schlafen miteinander, Ramona wird schwanger.
Im April 2020 kam der kleine Hamza zur Welt
„Dann hat sie wieder Kontakt zu uns aufgenommen“, berichtet Kalinowski. Der Vater des damals noch ungeborenen Kindes sei wegen Missbrauchs von Minderjährigen nach Afghanistan abgeschoben worden, Ramona kam wieder zurück zu ihren Pflegeeltern. Im April 2020 brachte sie per Kaiserschnitt ihren Sohn Hamza zur Welt – Kalinowski und Gebehenne hatten nun nicht nur ein Pflegekind, sondern noch ein Pflege-Enkelkind.
Doch die Spannungen in der Familie nahmen schnell wieder zu. „In den ersten Wochen war sie eine gute Mutter“, berichtet Kalinowski, „doch dann wurde ihr das Kind schnell lästig“. Sie habe immer wieder Kontakt zu jungen Männern gesucht, das habe zu Konflikten geführt.
Die Entscheidung des Jugendamts können die Pflegeeltern nicht nachvollziehen
Am 21. August schließlich kam es zum Bruch: Ramona rief das Jugendamt an, bat, aus der Pflegefamilie herausgeholt zu werden. Das Baby blieb zunächst in der Familie, doch Anfang September meldete sich das Jugendamt: Hamza solle wieder mit seiner Mutter zusammenleben, und zwar in einer speziellen Einrichtung für minderjährige Mütter und ihre Kinder.
Eine Entscheidung, die Kalinowski und Gebehenne nicht nachvollziehen können: „Wir sehen das Wohl des Kindes in Gefahr. Die Fürsorge, die der Kleine bei uns kennengelernt hat, ist dort nicht gegeben.“ Gebehenne behält sich rechtliche Schritte gegen die Entscheidung vor.
So argumentiert das Gelsenkirchener Jugendamt
Das Jugendamt der Stadt Gelsenkirchen wollte sich aus Datenschutzgründen zu dem konkreten Fall nicht äußern. „Generell lautet aber der gesetzliche Auftrag, Mutter und Kind, soweit es irgendwie möglich ist, zusammenzubringen“, erläuterte Stadtsprecher Martin Schulmann. Das Recht sei in einem solchen Fall eindeutig aufseiten der Stadt. „Minderjährige Mütter und ihre Kinder werden in besonderen Einrichtungen untergebracht, in denen sie rund um die Uhr betreut werden“, erklärte Schulmann. Sollte festgestellt werden, dass die Mutter nicht in der Lage ist, sich um das Kind zu kümmern, würde es in eine andere Pflegefamilie gegeben.
„Uns geht es gar nicht darum, Hamza in jedem Fall für uns zu behalten“, sagt Kalinowski. „Wir wollen nur sichergehen, dass der Kleine in gute Hände kommt.“