Gelsenkirchen. Der WIN-OB-Kandidat arbeitete sich aus einfachen Verhältnissen zum Betriebswirt hoch. OB will er werden, “weil ich es besser kann“.

Große Auftritte im Rampenlicht: Die sind Ali Akyols Sache eigentlich nicht. "Ich stehe ungerne im Mittelpunkt", sagt der Fraktionsvorsitzende der Wähler-Initiative NRW (WIN). Wie sich das verträgt mit seiner Kandidatur für das Amt des Oberbürgermeisters? "Ich trete aus Verantwortung an, weil ich weiß, dass ich das besser kann als andere", so der Betriebswirt und selbstständige Unternehmer (49). Er will nicht nur inhaltlich neue Impulse setzen, sondern auch einen anderen Politikstil pflegen.

Strukturwandel und Integration, diese Themen liegen dem gebürtigen Horster, der mit seiner Frau und den beiden Töchtern (6 und 9) in Buer lebt, besonders am Herzen - schon durch seine Biographie bedingt. Akyol stammt aus einer großen Arbeiterfamilie mit türkischen Wurzeln, die beengt zu sechst in einer 50-Quadratmeter-Wohnung lebte "ohne Dusche und warmes Wasser, die Toilette mussten wir uns mit den Nachbarn teilen. Aber wir waren glücklich, weil wir an die Zukunft geglaubt haben."

Gelsenkirchener trat 18-jährig in die SPD ein - und fünf Jahre später wieder aus

Er ist überzeugt: "Was die Menschen brauchen, ob mit oder ohne Zuwanderer-Wurzeln, sind Perspektiven auf eine bessere Zukunft." Er selbst nutzte die Chancen, die sich ihm boten: Nach dem Realschulabschluss in Gladbeck baute er sein Abitur am damaligen Gymnasium Am Rathausplatz in Buer und begann in Essen ein BWL-Studium, das er mit dem MBA für Internationales Management abschloss.

Zur Politik kam Akyol aufgrund seines Interesse an Sozialwissenschaften - "und weil ich mich gerne für andere einsetze". 18-jährig trat er in die SPD ein, "ich hätte mich aber ebenso in anderen demokratischen Partei engagieren können; in der CDU hätte ich mich für den Austausch der Religionen stark gemacht und in der FDP für sozialliberale Ziele. Auch bei den Grünen hätte ich mich wohl gefühlt." Dass es die SPD wurde, sei der Herkunft aus einer Arbeiterfamilie geschuldet.

Gewerbesteuern für Unternehmen sollen gesenkt werden

Mit der fünfjährigen Arbeit im Integrationsrat sei jedoch die Ernüchterung gekommen. "Dort sollten wir nur Entscheidungen abnicken; Eigenständigkeit war nicht gefragt. Deshalb haben wir 2009 die Bürgerinitiative Gelsenkirchen (BIG) gegründet, die dann wegen einer Namensgleichheit mit einer anderen Gruppierung in WIN umbenannt wurde", berichtet Akyol, seit zehn Jahren für WIN im Rat.

Menschen mit Migrationshintergrund eine Stimme zu geben, ihnen mit Empathie und auf Augenhöhe zu begegnen, ist ihm wichtig; ebenso die Ankurbelung der lokalen Wirtschaft, um Arbeitslosigkeit und Kinderarmut zu bekämpfen. Dabei setzt er auf niedrigere Gewerbesteuern für Unternehmen, ganz wie sein Vorbild David Zimmermann, OB in Monheim, Kandidat einer Schülerpartei.

Akyol will junge Menschen für Politik begeistern

"Keine Firma wird sich angesichts der hohen Gewerbesteuern bei uns niederlassen", ist der Geschäftsführer der Firma Bistronik Elektrogeräte GmbH sicher. Nur wenn Gelsenkirchen Unternehmen ansiedeln könne, würden mehr Arbeitsplätze geschaffen.

"Herzensangelegenheit" ist es ihm, junge Menschen mehr für Politik zu begeistern. "Junge Leute wie Greta Thunberg lesen mit ihrer Leidenschaft und Expertise routinierten, aber oft inkompetenten Politikern die Leviten. Dieses Engagement müssen wir nutzen", meint Akyol, selbst passionierter Schweden-Fan.

Weltenbummler spricht sechs Sprachen

Überhaupt ist er ein Weltenbummler, spricht sechs Sprachen, lebte bis zu zwei Jahre in Hongkong, Spanien, Frankreich und China. Was er mitgenommen hat? "Dass ich zuerst ein Mensch bin und nicht eine Person mit einer bestimmten Nationalität." Gelsenkirchen ist für ihn Heimat, "hier leben die Menschen, die ich liebe".

Wenn er Oberbürgermeister wäre, würde er sich für "mehr Transparenz" in Verwaltung und Politik einsetzen. "Beim Vergleich mit Tonbandaufzeichnungen habe ich festgestellt, dass die Niederschriften von Ratssitzungen nicht immer den korrekten Ablauf wiedergeben." Daher schlägt er Live-Streams für den Rat vor, die überdies auch Interessierte mitverfolgen und motivieren könnten, sich politisch zu engagieren.

Bueraner will authentisch sein und sich nicht verbiegen

Auch der Umstand, dass nicht alle Protokolle vergangener Ratssitzungen im Ratsinformationsservice der Stadt-Homepage zu finden sind, erschwere Interessierten die Recherche. Das müsse alles deutlich schneller erfolgen, fordert der Unternehmer, dessen besondere Leidenschaft es ist, sich im Aktenstudium tief in ein Thema einzuarbeiten.

Sein Politikstil? "Ich will authentisch sein, mich nicht für die Öffentlichkeit verbiegen. Mich interessieren Sachthemen, nicht Ideologien oder die Herkunft eines Menschen." Auch wenn er den einstigen SPD-Kanzler Gerhard Schröder nicht (mehr) als Vorbild schätzt, dessen Motto nimmt Akyol sehr wohl für sich in Anspruch: Es gebe keine rechte und keine linke Politik - sondern nur richtige.

>> Politische Kernbotschaften

Wir setzen uns für mehr Bürgernähe, Transparenz und Bürgerbeteiligung ein.

Wir wollen die politische Stimme der Jugend sein, ihr Verantwortung übertragen und sie in wichtige Entscheidungsprozesse einbinden. Ein neues Konzept für Jugendzentren, Freizeit- und Ferienangebote soll mit Jugendrat und jungen Stadtverordneten entwickelt werden.

Poltische Entscheidungen sollen eine fundierte Grundlage haben: Der Ausschuss für Wirtschaftsförderung benötigt einen Beirat mit Personen aus der Wirtschaft, der Kultur-Ausschuss Kulturschaffende, Sozial- und Bildungsausschuss jeweils Akteure aus großen gesellschaftlichen Gruppen. Ämter sollen nach Kompetenz, nicht nach Parteibuch besetzt werden.

Es sind umgehend Entsiegelungs- und Begrünungsmaßnahmen notwendig.

Durch das Einbinden der Hochschulen sollen neue Impulse für eine lebendige und aktive Innenstadt gelegt werden. Ein Start-Up-Center an der Westfälischen Hochschule in Kooperation mit der IHK, der Wirtschaftsförderung und Banken soll für innovative, neue Beschäftigungsmöglichkeiten sorgen.

>> Die Direktkandidaten

Bismarck-West, Ismet Karaöz, Dipl.-Ingenieur, geb. 1966

Bismarck-Ost, Gökhan Özdemir, Verfahrensingenieur, 1987

Hüllen, Gökhan Yilmaz, Dipl.-Ingenieur, geb. 1987

Bulmke-Nord, Lütifiye Cam, Schülerin, 2000

Bulmke-Süd, Hakan Karagöz, Versicherungskaufmann, 1980

Altstadt, Nuh Yilmaz, Elektriker, 1995

Feldmark, Volkan Yilmaz, Elektrotechniker, 1991

Heßler, Semih Karaöz, Schüler, 2001

Schalke-Ost, Berram Taskin, Schülerin, 2000

Schalke-Süd/Altstadt, Abdul Samed Karaöz, Student, 1998,

Schalke-West, Bilal Karaoglu, Zerspanungsmechaniker, 1997

Scholven, Enver Deniz, Auszubildender, 1998

Hassel-Nord, Nese Gündogan, Dipl.-Ökonomin, 1984

Hassel-Süd, Ibrahim Aydinli, Chemietechniker, 1974

Buer-Ost, Tayfun Gegek, Schüler, 2001

Buer-Süd, Kalid Oilkadi, Kranken- und Gesundheitspfleger, 1977

Buer-West, Abdellatij Hajji, Chemiemeister, 1979

Buer-Nord, Serdar Akyol, Einzelhandelskaufmann

Beckhausen-West/Schaffrath, Nurettin Ertürk, Kaufmann, 1972

Beckhausen-Ost, Isa Alcan, Maschinenbediener, 1972

Horst-Süd, Ali-Riza Akyol, Betriebswirt MBA, 1971

Horst-Nord, Hasan Celebi, leitender Angestellter, 1973

Erle-Nord, Feyzullah Aydinli, Schüler, 2010

Resse, Nesrin Akyol, Mediengestalterin, 1981

Resser Mark, Cikangir Karagöz, Fluggastbetreuer, 1993

Erle-Süd, Jörg Etgeton, Geschäftsführer, 1985

Erle-West, Stefanie Schäfer-Lach, Zahnmedizinische Fachangestellte, 1971

Erle-Mitte, Jens Schäfer, Projektleiter, 1976

Ückendorf-Nord, Semih Uludogan, Schüler, 2002

Ückendorf-Süd, Gökhan Karagöz, Glasproduktion-Arbeiter, 1983

Rotthausen-Ost, Oguzhan Coskun, Student, 2000

Rotthausen-West, Bayram Coskun, Student, 1995

Neustadt, Osman Duran, Diplom-Ingenieur, 1977