Gelsenkirchen-Buer. Nach dem Weggang von Lucia van den Boom verantwortet ein Team die Aufgaben. Die Pfarrei erprobt die Neuorganisation als Modellprojekt.
Eine Frau als Leiterin einer katholischen Gemeinde? Rund sechs Jahre war genau das Alltag in St. Ludgerus in Buer, ein Novum nicht nur für Lucia van den Boom, sondern auch für die Pfarrei St. Urbanus. Mit dem Weggang der 60-Jährigen nach Bochum ist das nun Geschichte. Und St. Ludgerus trotzdem auf Premieren abonniert: Geleitet wird die Gemeinde nun von einem Team aus sieben Ehrenamtlichen - ein Modellprojekt, das Propst Markus Pottbäcker erproben möchte, um es womöglich künftig auf andere Gemeinden zu übertragen.
Seit Oktober 2014 war Lucia van den Boom als Gemeindereferentin mit Koordinierungsaufgaben in St. Ludgerus tätig. Nach Angaben der Pfarrei konnte sie jedoch seit Ende Januar 2020 wegen einer langen Krankheitsphase ihren Dienst nicht ausüben und habe sich in Absprache mit Bistum und Pottbäcker entschieden, in die Propsteipfarrei St. Peter und Paul zu wechseln, "die ihr die Möglichkeit eröffnet, sich mit ihren Kräften, aber vor allem ihren Talenten und Begabungen einzubringen", heißt es auf der Homepage.
Gelsenkirchener Gemeindeleiterin wurde wegen "Geschwisterlichkeit" auch kritisiert
Nachfragen der Redaktion, ob mögliche Unstimmigkeiten der Hintergrund waren, wollte die Pfarrei mit Hinweis auf "Personalangelegenheiten" nicht beantworten. Auf der Website heißt es, der Abschied sei "bedauerlich"; eine Würdigung ihrer Verdienste findet sich dort nicht. Lucia van den Boom wollte ebenfalls nicht Stellung nehmen und verwies auf die Pfarrei.
Nach Informationen dieser Redaktion hatte die geschiedene, alleinerziehende Mutter von drei Kindern mit ihrem Ansatz einer "geschwisterlichen Kirche" viel Unterstützung erfahren, aber auch Kritik hervorgerufen. Bei ihrem Amtsantritt 2014 hatte sie betont, wiederverheiratet Geschiedene und Homosexuelle nicht abweisen und St. Ludgerus "gerade als Frau" führen zu wollen. In ihre Verantwortung fielen u.a. Seelsorge, Wortgottesdienste, Beerdigungen und die Betreuung kirchlicher Gruppen.
Team nimmt Aufgaben bereits seit Monaten wahr
Einen Teil dieser Aufgaben nimmt nun "in enger Absprache mit den Gremien der Pfarrei" das neue Leitungsteam wahr. Während Seelsorge-Gespräche und Beerdigungen von Hauptamtlichen übernommen werden, koordinieren die Ehrenamtlichen das Gemeindeleben, dienen als erste Ansprechpartner für alle Fragen rund um St. Ludgerus.
Wie sich das anfühlt, als ehrenamtlicher Laie im Team eine Gemeinde zu führen? Ludger Klingeberg, Öffentlichkeitsreferent der Pfarrei und Teil des Teams, ist sich der Verantwortung durchaus bewusst - aber mittlerweile auch recht routiniert.
Propst hat großes Vertrauen in die ehrenamtlichen Akteure
"Wegen der Krankheit von Frau van den Boom arbeiten wir schon seit Monaten zusammen und sind gut aufeinander eingespielt. Wir haben Aufgaben wie Erstkommunion-Vorbereitung, Jugendarbeit oder Kontakt zu den Hauptamtlichen verteilt, ansonsten wird alles mehrheitlich entschieden. Heilige Messen feiert wie schon unter Frau van den Boom Pastor Michael Fey oder ein anderer Priester."
Propst Pottbäcker jedenfalls hat "großes Vertrauen in die Akteure. Sie scheuen sich nicht, Verantwortung auch tatsächlich wahrzunehmen, sie packen gemeinsam die Themen vor Ort an. Das hilft uns sehr vor dem Hintergrund, dass die Wiederbesetzung der Leitungsstelle durch einen Hauptamtlichen sehr unklar ist; denn der Pool der Bewerber ist bistumsweit sehr klein." Für den Verkauf von Liegenschaften oder Eucharistiefeiern seien nach wie vor Kirchenvorstand bzw. Priester zuständig.
Pottbäcker sieht keinen Widerspruch zu Papst-Instruktion
Angesichts des sich verschärfenden Mangels an Priestern könne die Gemeindeleitung durch ein Team Ehrenamtlicher durchaus eine Option sein. Dies soll nun - bis auf weiteres unbefristet - erprobt werden.
Als Widerspruch zum vielkritisierten aktuellen Schreiben des Vatikans, das die Delegierung von Leitungsaufgaben an Nichtkleriker als "illegitim" kritisiert, sieht der Propst das Modellprojekt in Buer nicht. "Der Papst bezieht sich auf Pfarreien, nicht auf kleinere Einheiten wie Gemeinden oder Quartiere." Insofern sei die Einbindung von Ehrenamtlichen in Führungsfunktionen durchaus zulässig. Auch Bischof Franz-Josef Overbeck hatte in einer Reaktion auf die Instruktion aus Rom die Bedeutung Ehrenamtlicher vor Ort betont. Die Position des Vatikans hatte er als "realitätsfern" bezeichnet.
>> Das neue ehrenamtliche Leitungsteam in St. Ludgerus
Das Leitungsteam ist erster Ansprechpartner für alle Fragen rund um das Gemeindeleben. Es leitet Sitzungen des Gemeindekonvents und hält Kontakt zu den einzelnen Gruppen der Gemeinde. Es besteht aus den gewählten Vertretern der Gemeinde im Kirchenvorstand und Pfarrgemeinderat. Zusätzlich werden zwei Mitglieder aus dem Gemeindekonvent für je zwei Jahre in das Leitungsteam gewählt.
Dem Leitungsteam gehören an: David Benz, Ludger Klingeberg, Bettina Schilde,
Sandra Schüler, Melanie Spernol, Klemens Teichmann, Jürgen Thelen.
Erreichbar ist das Team über das Gemeindebüro (Telefon 0209 597764) oder per Mail (leitungsteam.ludgerus@urbanus-buer.de).