Gelsenkirchen-Buer. SPD, CDU und Linke stellen bei Bürgern größere Zurückhaltung durch Angst vor Corona fest. FDP meldet großes Interesse von Passanten.

Was hier passiert, das ist mehr als bloßer Wahlkampf, das darf man durchaus als Happening bezeichnen: Auf dem Goldbergplatz ruht, weithin sichtbar, ein riesiger Marienkäfer. Auf dem Rücken liegend streckt er die Beinchen in die Luft. Der Wind bringt sie gar in Bewegung. Doch die Vorderansicht macht deutlich, der Käfer ist tot. Die Grünen wollen mit der Aktion aufmerksam machen auf das Insektensterben.

Das ist schon lange nicht mehr ausschließlich ein grünes Thema. Klimawandel und Artensterben bewegen viele; Nachhaltigkeit hat, auch durch Denkanstöße in der Coronazeit, einen neuen Stellenrang. Jedoch nicht für jeden, weiß Wahlkämpfer Wolfram Schneider aus dem Vorstand der Partei. Der gesellschaftliche Umbruch sei "in der Perspektivsicht natürlich eine jüngere Frage“. Das sei im Straßenwahlkampf zu spüren.

Gelsenkirchener OB-Kandidat Stuckmann (CDU) spendiert Eis

Geht man die Hochstraße hinunter, fällt vor allem eines besonders auf: Es ist laut. Politische Lieder von Mitgliedern des Wählerbündnisses „Auf“ mischen sich mit Stimmen, mit dem einstmals normalen urbanen Soundtrack eines Samstagvormittags in Buer. Überlagert wird die Klangkulisse von der Musik eines Straßen-Pianisten. Dessen aktuelles Stück steht durchaus im Widerspruch zur Szenerie: „Sound of Silence“.

Die CDU hat ihren Stand an traditioneller Stelle gegenüber dem Eiscafé „Botticelli“ aufgebaut – und macht sich die Nähe gleich zunutze. Das Team verteilt Gutscheine an Kinder. Spitzenkandidat Malte Stuckmann lädt sie damit zu einer Kugel Eis ein. „Das kommt gut an“, sagt Nils Dobratz.

CDU: "Durch die Masken fehlt die Mimik"

Ansonsten jedoch berge der Straßenwahlkampf in Corona-Zeiten durchaus Herausforderungen: „Durch die Masken fehlt die Mimik. Man kommt schwieriger mit den Leuten ins Gespräch.“ Jene, die bereits interessiert seien, kämen zwar von allein an den Stand, seien offen für Inhalte. Andere zu erreichen, sei jedoch nicht einfach. Eine gute Nachricht hat er aber: „Schon im vergangenen Jahr hatten wir den Eindruck, die Menschen interessieren sich mehr für Politik. Das hat sich in den letzten Monaten noch verstärkt.“

Tatsächlich ist es an allen Parteiständen recht voll. Auch bei der FDP, die an der Ecke zur Ophofstraße steht. „Es ist richtig was los“, freut sich Spitzenkandidatin Susanne Cichos. „Wir werden aktiv angesprochen, müssen gar nicht so viel auf die Menschen zugehen“, sagt auch Anne Schürmann. Beide Wahlkämpferinnen freut, „dass vermehrt auch die frauenpolitischen Themen eine Rolle spielen“. Insgesamt führe man gute Gespräche – mit gebührendem Abstand. „Das läuft reibungslos“, loben beide und verweisen dann noch darauf, dass der buersche Künstler „Balu“ nebenan Gläser personalisiert. Ein Beitrag zur Unterstützung örtlicher Künstler.

SPD und FDP bindet lokale Künstler in Wahlkampf ein

An der Ecke zur Nienhofstraße hat die SPD ihre Holzhütte geöffnet. Davor singt und spielt Norbert Labatzki Evergreens und Gassenhauer. Durch seine Verpflichtung, so ist zu hören, wolle man auch hier die heimische Kulturszene unterstützen. In dieser Kulisse wirbt Silke Wessendorf für Stimmen. „Die Maske ist dabei schon ein Hemmnis. Weil man deutlich lauter sprechen muss und weil die Menschen das Lächeln nicht sehen können. Da muss man ganz fokussiert die Menschen ansprechen.“

Zudem werde man von jenen, die Kandidaten nicht persönlich, sondern nur vom Plakat kennen, kaum wieder erkannt. Insofern sei, in diesen besonderen Zeiten, Kreativität gefragt. „Es fallt ganz viel flach, was sonst im Wahlkampf normal ist. Viele von uns ziehen jetzt mit Bollerwagen durch die Wahlkreise, um mit den Menschen an öffentlichen Orten ins Gespräch zu kommen.“

Weiter unten auf dem Altmarkt präsentiert sich noch der OB-Kandidat der Linken, Martin Gatzemeier. Auch er spürt die Folgen von Corona: „Es gibt weniger Gespräche. Die Leute halten mehr Distanz. Aber es geht schon“, sagt er und berichtet, ein paar Meter weiter oben, an der Maximilianstraße, habe bis vorhin die AfD gestanden. Die jedoch habe ihre Zelte schon abgebrochen.

>> Passant schlitzt Käfer der Grünen auf

So mancher fühlt sich vom Wahlkampf offenbar persönlich sehr angesprochen - und geht zum Angriff über: Ein Passant griff am Donnerstag zum Messer und schlitzte den großen aufblasbaren Marienkäfer der Grünen auf der Domplatte seitlich auf.

Der Schaden war am Samstag deutlich zu sehen. In den nächsten Tagen soll der Ballon repariert werden.