Gelsenkirchen. 25 Jahre arbeitete eine Krankenschwester für die evangelischen Kliniken Gelsenkirchen. Weil sie nun ein Kopftuch trug, erhielt sie die Kündigung.

25 Jahre hat Krankenschwester Gülcan D. (Name von der Redaktion geändert) im evangelischen Krankenhaus in Gelsenkirchen gearbeitet. Weil sie neuerdings während der Arbeit ein Kopftuch trug, kündigte ihr der Arbeitgeber im Februar 2020. Zuvor hatte die Mitarbeiterin zwei Abmahnungen erhalten. Die Krankenhausleitung beruft sich auf christliche Werte, die das Tragen eines Kopftuches verböten.

Der Anblick sei Patienten wie auch den übrigen Mitarbeitern nicht zumutbar, so die Argumentation der Hausleitung. Die 42-Jährige, Mutter von drei Kindern, klagte vor dem Arbeitsgericht gegen die fristlose Kündigung. Die 2. Kammer wies die Klage ab. Die Richter werteten die Satzung des Diakoniegesetzes höher als das Persönlichkeitsrecht der Klägerin.

Krankenschwester legte Kopftuch nach Gesundung ihres erkrankten Kindes an

Allein, weil sie ein Kopftuch am Arbeitsplatz trug, wurde einer seit 25 Jahren Beschäftigten gekündigt. Die Hausleitung der evangelischen Kliniken Gelsenkirchen verteidigte diesen Schritt beim Prozess vor dem Arbeitsgericht – und erhielt Recht.
Allein, weil sie ein Kopftuch am Arbeitsplatz trug, wurde einer seit 25 Jahren Beschäftigten gekündigt. Die Hausleitung der evangelischen Kliniken Gelsenkirchen verteidigte diesen Schritt beim Prozess vor dem Arbeitsgericht – und erhielt Recht. © dpa | Wolfram Steinberg

Leidenschaftlich schildert die junge Frau ihre Motive vor Gericht, warum sie auf das Kopftuch nicht verzichten wolle. Sie hatte in der Vergangenheit nur außerhalb des Krankenhauses ein Kopftuch getragen, es regelmäßig im Krankenhaus abgelegt. Sie begründet die Änderung ihres Verhaltens mit der Dankbarkeit, die sie nach der Gesundung ihres schwerkranken Kindes empfunden habe. „Ich legte das Kopftuch aus überzeugtem Glauben an“, sagte sie. Es sei für Christen wie auch für Muslime bedeutend, in schwierigen Lebenssituationen zu beten und sich auf den Glauben zu berufen.

Tim Lütkewenning, Personalmanager im Krankenhaus, stellt die Loyalitätsrichtlinien des Arbeitgebers heraus. Das Trage eines Kopftuches als Symbol des islamischen Glaubens wird dort als Verstoß gegen christliche Werte interpretiert. Die 42-Jährige, die bei ihren Darstellungen mitunter die Tränen nicht unterdrücken kann, schildert dem Gericht, wie gedemütigt sie sich nun vorkomme, abgeschoben, nicht anerkannt, in der Menschenwürde verletzt. Sie fühlt sich körperlich und seelisch zerstört: „Warum bewertet man nicht meine Leistung, sondern beruft sich ausschließlich auf das Symbol des Kopftuches. Ich bin doch kein anderer Mensch, nur weil ich ein Kopftuch trage. Nächstenliebe stellen doch beide Religionen als Werte heraus.“

Früher hätten muslimische Ärztinnen ebenfalls Kopftuch getragen

Die junge Frau erinnert sich an den Beginn ihrer Tätigkeit, kann sich den Sinneswandel im Krankenhaus nicht erklären. Denn während ihrer Ausbildungszeit vor 25 Jahren hätten nicht nur Schwesternschülerinnen, sondern auch muslimische Ärztinnen Kopftücher im Haus getragen.

Das Krankenhausmanagement sieht keine Schnittmengen zwischen evangelischer Kirche und Kopftuch. Eine Tätigkeit unter Tragen eines Kopftuches schließt die Leitung aus. Mit der Leistung der 42-Jährigen sind die Vorgesetzten zufrieden. Wenn sie das Kopftuch ablege, könne die Krankenschwester, die man fachlich schätze, sofort weiterarbeiten, erklärte der Personalmanager. Den Vorschlag der Frau, im Labor oder in einem anderen, weniger publikumsintensiven Bereich zu arbeiten, hatte die Geschäftsführung abgelehnt.

Richterin tut sich ber der Beurteilung der Rechtslage schwer

Man merkt der Vorsitzenden Richterin Birte Kensy an, dass sie sich bei der Beurteilung der Rechtslage und der Abwägung der Grundrechte schwer tut. Man könne durchaus der Ansicht sein, dass die Auseinandersetzung zwischen Religionen nicht mehr dem aktuellen Zeitgeist entspreche. Der Klägerin steht wohl ein langer Rechtsweg bevor. Gegen das Urteil hat sie Berufung eingelegt. Birte Kensy schließt nicht aus, dass sich sogar Verfassungsgerichte oder der Europäische Gerichtshof mit dem Thema befassen könnten.