Horst. Seit knapp drei Jahrzehnten ist Udo Gödje Schiffsführer bei der der „Weißen Flotte“. In Gelsenkirchen ging einst die heutige Kanzlerin an Bord.
Udo Gödje hat in seinem ersten Berufsleben als Binnenschiffer Millionen Tonnen Erze von Rotterdam nach Dortmund transportiert. Seit knapp drei Jahrzehnten schippert der 60-Jährige nun aber als Schiffsführer bei der Weißen Flotte Baldeney seine Fahrgäste über den Baldeneysee und über den Rhein-Herne-Kanal. Was ist von beidem die angenehmere Aufgabe? „Das hat alles seine Vor- und Nachteile“, antwortet er mit einem Augenzwinkern. „Die Fahrgäste stauben nicht. Und die Kohlen reden nicht.“ Der typisch-trockene Humor eines waschechten Seebären.
„MS Kettwig“: Platz für 200 Fahrgäste
Es ist früher Mittwochnachmittag. Die pralle Juli-Sonne taucht den Schiffsanleger am Amphitheater in Horst in ein gleißend-grelles Licht. Auf dem Rhein-Herne-Kanal nähert sich in Schrittgeschwindigkeit die „MS Kettwig“. Das knapp 28 Meter lange Kanalschiff, Baujahr 1975, bietet Platz für 200 Personen, rund 60 von ihnen können die Bootstour auf dem Freideck an der frischen Luft genießen. Es ist nahezu komplett belegt. Das prächtige Sommerwetter lockt die Leute an Bord.
Dann beginnt das Anlegemanöver. Dazu ist zunächst eine elegante Wende auf der Stelle vonnöten. Zentimeter für Zentimeter nähert sich das schneeweiße Schiff danach dem Ufer an. Nachdem es erreicht ist, werden die Leinen fest gemacht und die Fahrgäste von Bord gelassen. Udo Gödje hat jetzt eine halbe Stunde Pause – ausreichend Zeit, um aus dem Leben eines erfahrenen Schiffsführers zu berichten.
Die familiäre Bande lockte ihn zum Beruf des Binnenschiffers
„Es ist das Wasser. Das hat schon immer so eine Anziehungskraft auf mich ausgeübt“, erzählt Gödje. Aufgewachsen ist er im norddeutschen Walsrode, seine Heimat liegt nun aber schon lange in Duisburg-Homberg. Das ist bekanntlich jener Ort, an dem heute alle Binnenschiffer dieser Region ausgebildet werden. „Meine Lehre begann 1975 aber auf einem Kohlenschiff in Bottrop“, erinnert er sich. Es war die familiäre Bande, die diesen Beruf für ihn so attraktiv machte: „Meine Cousins waren auch Binnenschiffer.“
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In den 90er Jahren änderte sich die Marktlage – und mangels Perspektive wechselte er den Job. Ein früherer Kollege arbeitete da bereits für die „Weiße Flotte“. Und der hat Gödje dann im wahrsten Sinne des Wortes herübergelotst.
Seit dem Kulturhauptstadt-Jahr 2010 gibt es die Touren auf dem Rhein-Herne-Kanal
Zunächst war er nur auf dem Baldeneysee im Essener Süden unterwegs. Seit dem Kulturhauptstadtjahr 2010 gibt es aber zusätzlich die Touren auf dem Rhein-Herne-Kanal, die immer mittwochs und samstags vom Gelsenkirchener Amphitheater zum Oberhausener Kaisergarten und zurück fährt. Dreimal geht es pro Tag hin und her. Hinzu kommen immer sonntags die Schleusentouren vom Stadtquartier Graf Bismarck nach Wanne-Eickel und zurück durch den Stadthafen.
„Ich fahre lieber auf dem Kanal als auf dem See“, nennt Gödje seine Präferenz. Das sei ein wenig abwechslungsreicher und auch fahrerisch anspruchsvoller. Und er sieht seine geliebten Binnenschiffe dort regelmäßig wieder. Auf einem, das ihm mal begegnete und zu dem er Funkkontakt aufnahm, traf er zufällig auf seinen Steuermann aus alten Zeiten. Das gab ein großes Hallo.
Kanzlerin in spe und einstige Ministerpräsidentin an Bord
Zu den Zehntausenden Fahrgästen in den vergangenen Jahrzehnten zählten auch Prominente. Wie Angela Merkel. Die Dauer-Kanzlerin ging im Jahr 2004 am Nordsternpark an Bord und fuhr bis Oberhausen mit – damals aber noch nicht als Frau im mächtigsten Amt, aber immerhin schon als Partei- und Fraktionsvorsitzende der CDU. „Sie ist zu mir ans Steuer gekommen. Wir haben auch geplaudert“, erzählt Gödje. Worüber? „Ich weiß noch, dass die Tomaten in ihrem Garten in diesem Jahr wohl nicht so richtig wachsen wollten“, sagt er und lacht. Eine Anekdote für die Ewigkeit.
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Nett und sympathisch fand er die frühere SPD-Ministerpräsidentin Hannelore Kraft. Die stieg mal in Oberhausen bei einer Parteiveranstaltung aufs Schiff. „Sie war locker und natürlich. Und mit ihr konnte man auch mal ein Scherz machen“, berichtet Gödje. Nicht nur ihr, sondern allen Fahrgästen erzählt er unterwegs über das Bordmikrofon stets Wissenswertes zu allem, was da bei der Tour am Ufer auftaucht. „Zu viel plaudere ich aber nicht“, so Gödje, „sonst wäre ich ja jeden Abend zu Hause heiser“.
Buchung der Touren auf dem Rhein-Herne-Kanal
An Tagen, an denen Udo Gödje nicht mit der „Weißen Flotte“ fährt, kümmert sich der Schiffsführer um die Wartung, Reinigung und Instandhaltung der Schiffe. „Eine technische Ausbildung gehört zum Job. Wir müssen zur Not auch Reparaturen an Bord ausführen können“, sagt er. Einmal sei die Hydraulikpumpe der Lenkung unterwegs abgerissen. Das machte das Bedienen des Steuerrads zur Schwerstarbeit. Sicher ans Ziel gebracht hat er das Schiff damals trotzdem.
Alle Termine, Tourenpläne und Fahrpreise zu den Gelsenkirchen-Touren gibt es im Internet unter: www.kanalschiff.de .