Gelsenkirchen. Die Volksbank Ruhr Mitte in Gelsenkirchen präsentiert ihre Jahresbilanz für 2019. Im Gespräch ist auch eine Fusion mit der Volksbank Rhein-Ruhr.

Vor einem halben Jahr, am 31. Dezember, schloss die Volksbank Ruhr-Mitte die Bücher für das Geschäftsjahr 2019, so wie in jedem Jahr an diesem Tag. Das Wort „Corona“ kannten zu diesem Zeitpunkt nur Menschen, die sich intensiv mit dem Weltgeschehen beschäftigten und in ihrer Tageszeitung auf den hinteren Seiten vielleicht über eine kleine Meldung über dieses neuartige Virus in China stolperten.

Heute muss man nicht mehr zu den hinteren Seiten blättern. Das Thema Corona ist allgegenwärtig – gerade deswegen wirkt die Jahresbilanz für 2019, die die Volksbank Ruhr Mitte jetzt vorlegt, ein wenig aus der Zeit gefallen. Die Auswirkungen der Corona-Krise sind darin nämlich – logischerweise – nicht berücksichtigt.

Auch in Gelsenkirchen bereitet der EZB-Zinssatz Sorgen

Und so liest sich die Bilanz durchaus positiv. Die Bilanzsumme wuchs um 6,6 Prozent auf 2,3 Milliarden Euro. Der Bilanzgewinn liegt mit 3,1 Millionen Euro auf dem Niveau des Vorjahres. Die Kundenforderungen insgesamt erhöhten sich um 5,8 Prozent auf 1.4 Milliarden Euro. Darin enthalten sind Neukreditzusagen in Höhe von 311,4 Mio. Euro.

Das klingt alles soweit gut - aber auch ohne Corona betrachtet man die Entwicklung bei der Bank nicht gänzlich sorgenfrei. Das liegt am Dauerthema der vergangenen Jahre: dem unverändert niedrigen Leitzins der Europäischen Zentralbank (EZB). Wobei das Wort „niedrig“ fast noch untertrieben ist: Zurzeit liegt der Leitzins bei Null Prozent.

Diese Kunden werden in Sachen Negativzinsen zur Kasse gebeten

Für Banken, die ihre Gelder bei der EZB oder bei den Landesbanken hinterlegen, gilt sogar ein Negativzins von 0,5 Prozent. Das heißt: Die Bank zahlt drauf. Bislang haben es die Kreditinstitute vermieden, diese Kosten an ihre Kunden weiterzugeben. Dieser Grundsatz bröckelt jetzt allerdings.

„Ab dem 1. August 2020 werden für alle Neukunden bei einer Überschreitung bestimmter Freibeträge Negativzinsen weitergegeben“, teilte die Bank mit. Für Privatkunden gelte das bei Girokonten ab 25.000 Euro und Tagesgeldern ab 100.000 Euro; für Firmenkunden auf Girokonten ab 100.000 Euro und Tagesgeldern ohne Freibetrag.

Altkunden sind von der Maßnahme in der Regel nicht betroffen

Der Hintergrund: Viele andere Banken verlangen von ihren Kunden schon seit längerem Gebühren für das „Parken“ von Geld - mit ihrer Maßnahme will sich die Volksbank davor schützen, dass größere Mengen Geld bei ihr angelegt werden, für die das Institut dann Gebühren zahlen muss, die letztlich auf alle Kunden umgelegt werden müssten.

Für Altkunden gelten diese Maßnahme allerdings nicht – außer, sie haben sehr viel Geld auf dem Konto. „Bei bestehenden Kundenverbindungen will die Bank nur bei Kunden mit sehr hohen Guthaben individuell eine Vereinbarung zur Berechnung von Negativzinsen treffen, das breite Privatkundengeschäft bleibt damit weiterhin ausgenommen“, teilt die Volksbank mit.

Fusion soll Vorteile bringen

Normalerweise informiert die Bank, die ja genossenschaftlich organisiert ist, im Frühjahr ihre Vertreter über die Bilanz. Diese Versammlung fiel in diesem Jahr der Corona-Krise zum Opfer, zum ersten Mal in der 136-jährigen Geschichte der Volksbank.

Dafür deutet sich für die kommende Vertreterversammlung 2021 ein spannendes Thema an: Die Volksbank Ruhr Mitte steht in Gesprächen mit der Volksbank Rhein-Ruhr mit Sitz in Duisburg über eine mögliche Fusion. Bereits am 25. Mai 2020 hatten die Vorstände und Aufsichtsräte der beiden Banken einen „Letter of Intent“ (LoI) unterzeichnet, der die Absicht erklärt, in konkrete Fusionsverhandlungen einzusteigen und erste Rahmenbedingungen für das Gesamthaus zu entwickeln.

Eine Hochzeit auf Augenhöhe

Die beiden Banken, die zurzeit eine Fusion planen, sind ungefähr gleich groß. Die Volksbank Ruhr Mitte mit Sitz in Gelsenkirchen hat 15 Geschäftsstellen und 14 SB-Standorte, die Volksbank Rhein-Ruhr mit Sitz in Duisburg verfügt über 16 Geschäftsstellen und 12 SB-Standorte.

Auch die Zahl der Mitglieder ist vergleichbar: Das Gelsenkirchener Geldinstitut hat etwa 45.000 Mitglieder, in Duisburg sind es ca. 38.500.

Bei der Volksbank Ruhr Mitte arbeiten 389 Mitarbeiter, die Volksbank Rhein-Ruhr beschäftigt derzeit 295 Menschen.

Bei einer Fusion der beiden Banken entstünde nach jetzigem Stand eine Genossenschaftsbank mit einer Bilanzsumme von ca. 4 Mrd. EUR, über 80.000 Mitgliedern und knapp 700 Mitarbeitern.

Vor allem mittelständische Unternehmen könnten von der Fusion profitieren: Eine größere Bank, so die Rechnung, könne dann auch im Alleingang Kredite stemmen, für die zuvor noch die Hilfe anderer Geldhäuser nötig war.