Gelsenkirchen-Feldmark. Nach dem Tod eines Mieters darf der Verwalter dessen Wohnung nicht betreten und säubern. Nachbarn leiden seit drei Wochen unter dem Gestank.

Vor knapp drei Wochen wurde in einem Mehrfamilienhaus an der Rembrandtstraße ein Mieter tot in seiner Erdgeschosswohnung aufgefunden. Der 65-Jährige war eines natürlichen Todes gestorben und hatte längere Zeit dort unentdeckt gelegen. Das konnten Polizeiermittler nach Untersuchung der Leiche bestimmen. Der beißende Verwesungsgeruch schwebt aber seitdem durchs gesamte Haus. Bis heute. Denn der Hausverwalter versucht seit 10. Juni vergeblich, Zutritt zur Wohnung zu erhalten, um diese reinigen zu lassen. Die Leidtragenden sind die anderen zehn Menschen, die in diesem Haus leben.

„Es ist ein fürchterlicher, penetranter Gestank. Vor allem im Hausflur ist es nicht auszuhalten. Dort wird jedem sofort übel“, schildert Evelyn Schlappa (33). Sie wohnt mit ihrem Partner seit knapp einem Jahr in der vierten Etage dieses 1953 erbauten Mehrfamilienhauses, zu dem acht Wohneinheiten mit Größen zwischen 34 und 80 Quadratmetern gehören. Im zweiten Geschoss lebt Ferdi Raschiti (38) mit seiner Tochter Berisha (6). „Der Gestank zieht inzwischen sogar bis in unsere Wohnungen hinein. Wir versuchen deshalb, so wenig Zeit wie möglich zu Hause zu verbringen“, sagt der besorgte Familienvater.

Nachbarin vermisste den 65-Jährigen und alarmierte die Polizei

Auf die Tatortreiniger warten manchmal schwierige Aufgaben.      
Auf die Tatortreiniger warten manchmal schwierige Aufgaben.       © Rose

„Wir lassen Tag und Nacht die Haustür und die Hoftür sowie alle Fenster im Flur offen stehen, damit permanent Durchzug herrscht. Aus Sicherheitssicht ist das natürlich eine Katastrophe, aber anders ist es im Hausflur nicht auszuhalten“, schildert Sabine Daubhäußer (65) die Situation. Sie ist seit 13 Jahren Hausverwalterin im Dienste des Unternehmens „Geld & Grund Andreas Schneider“, das rund 230 Wohnungen betreut – viele davon aus eigenem Bestand, einige aber auch im Auftrage Dritter. Die meisten dieser Wohnungen befinden sich in Gelsenkirchen, Unna sowie Senden im Münsterland.

Der tot aufgefundene Rentner hatte bereits seit über 30 Jahren allein dort im Haus an der Rembrandstraße gelebt. Als ihn eine Nachbarin längere Zeit nicht mehr gesehen und sich Sorgen gemacht hatte, alarmierte sie die Polizei. Die öffnete die Wohnungstür des Alleinstehenden und fand den bereits stark verwesten Leichnam. Dieser wurde zwar noch am Tag des Auffindens abtransportiert, eine professionelle Reinigung des Fundortes durfte der Hausverwalter aber nicht vornehmen lassen. Bis heute.

Nach dem Tod treten toxische Flüssigkeiten aus dem Leichnam aus

„Das ist ein großes Problem“, sagt Verwalter Andreas Schneider. Denn nach dem Tod treten aus dem Leichnam Flüssigkeiten aus. Werden diese nicht zeitnah beseitigt, „fressen“ sie sich derart tief in den Boden, dass bei einer Renovierung sogar der Estrich entfernt und erneuert werden müsse. Geschehe dies mit Verzögerung, würden nicht nur die Kosten für die Instandsetzung deutlich teurer, sondern vor allem verschlechtere sich die Situation durch Gestank und Insektenbefall für die verbliebenen Bewohner eines betroffenen Hauses – so wie jetzt an der Rembrandtstraße.

Der Verwalter darf nach eigenem Bekunden nicht in die Wohnung, weil die Stadt Gelsenkirchen derzeit noch nach Angehörigen des Verstorbenen suche. Gibt es welche und nehmen diese das Erbe an, dann sind sie auch für die Instandsetzung der Wohnung verantwortlich. Findet sich niemand oder wird das Erbe abgelehnt, bleibt der Hausverwalter auf den Arbeiten und Kosten sitzen. Und ein Erbe entscheidet auch, wann der Hausverwalter Zutritt zur Wohnung erhält.

Vorwürfe des Hausverwalters: Stadt ignoriere das Problem

„In Fall Rembrandtstraße lassen es Ordnungsamt und Gesundheitsamt der Stadt an einem beherzten Vorgehen mangeln, stattdessen zeichnen sie sich durch unerträgliche Ignoranz und Rücksichtslosigkeit gegenüber den im Umfeld lebenden Bürgern aus“, kritisiert Hausverwalter Schneider scharf. Es könne nicht sein, dass die Stadt fast drei Wochen immer nur Verantwortlichkeiten hin und her schiebe, keine Auskünfte gebe und keine pragmatische Lösung im Sinne der betroffenen Nachbarn im Haus fände.

Der Zugang für die professionellen Reinigungskräfte müsse nun „schnell und unkompliziert gewährt werden“, fordern Hausverwalter und Nachbarn mit Nachdruck. In anderen Städten sei das möglich, betont der gebürtige Gelsenkirchener Schneider. „Hier wird hingegen unterlassen und weggeschaut – zum Leidwesen vieler Menschen“, klagt Schneider.

Das sagt die Stadt Gelsenkirchen zu dem Fall

Die Stadt habe einen bestattungspflichtigen Angehörigen ermitteln können, so Stadtsprecher Oliver Schäfer am Montag. Dieser habe die Bestattung in Auftrag gegeben und somit auch die Schlüssel zur Wohnung erhalten.

„Aus datenschutzrechtlichen Gründen dürfen wir aber keine Angaben an den Hausbesitzer weitergeben“, begründet Schäfer das lange Schweigen der Stadt in Richtung Verwalter. Allerdings wird den Angehörigen in solchen Fällen durch die beauftragte Bestattungsfirma nahegelegt, schnell Kontakt zum Vermieter/Hausverwalter aufzunehmen.

Die Polizei habe dem Verwalter dann erst am vergangenen Freitag mitgeteilt, dass sich der Wohnungsschlüssel beim Bestatter befinde. Ein Mitarbeiter des Bestatters habe dem Hausverwalter dann Montag bestätigt, dass es immer noch Abstimmungsbedarf mit den Angehörigen gebe.

Die Stadt ist zuständig für die Aufgaben nach dem Bestattungsgesetz NRW und führt diese im Rahmen der Gefahrenabwehr durch. Jährlich würden 300 Sterbefälle bearbeitet, bei denen keine Angehörigen ermittelt und alle Entscheidungen daher durch die Stadt getroffen werden.