Gelsenkirchen-Altstadt. Bauarbeiter haben erneut ausstehende Löhne eingefordert und aus Protest einen Baukran in Gelsenkirchen besetzt. Um 14.03 Uhr kamen sie herunter.

Erneut haben am Freitag zwei rumänische Bauarbeiter einen Kran an der Sellhorststraße in der Altstadt besetzt. Anderthalb Wochen nach einem ähnlichen Vorfall an gleicher Stelle verschanzten sie sich um 11 Uhr auf zwei Plattformen unterhalb des Kranführerhäuschens. Sie forderten ausstehenden Lohn ein und drohten, in die Tiefe zu springen. Um kurz nach 14 Uhr endete der Protest, sie stiegen freiwillig wieder herab. Was Bauarbeiter, Baufirma und Bauherr zu den Hintergründen sagen. Je nach Sichtweise geht es um „falsche Versprechungen“, „Erpressung“ und „Baumängel“.

Für Trockenbauer Julian, dem Kopf der Protestler, sieht die Sache so aus: „Wir müssen unserem Geld seit drei Monaten hinterherlaufen, es sind addiert rund 17.000 Euro für acht Arbeiter. Jedes Mal, wenn wir in der Firma nachfragen, wird gesagt, das Geld wird nächste Woche überwiesen. Aber nichts passiert, nur falsche Versprechungen.“ Der 28-Jährige kramt sein Handy hervor. Bilder und Mails an seinen Auftraggeber sollen beweisen, was an Arbeiten als Subunternehmer erbracht, was in in Rechnung gestellt worden ist und was als Lohn für die geleistete Arbeit noch aussteht.

Zweiter Protest innerhalb von zehn Tagen

Protestplattform: Den Baukran an der Parkhausbaustelle halten die Arbeiter am Freitag, 26. Juni, seit etwa 11 Uhr besetzt. Sie sind im benachbarten Komplex mit Trockenbauarbeiten beschäftigt.
Protestplattform: Den Baukran an der Parkhausbaustelle halten die Arbeiter am Freitag, 26. Juni, seit etwa 11 Uhr besetzt. Sie sind im benachbarten Komplex mit Trockenbauarbeiten beschäftigt. © Unbekannt | Foto: NIkos KImerlis

Und Julian ist fest entschlossen: „Wir werden so lange weiter protestieren, bis wir unser Geld bekommen.“ Mittlerweile ist es die dritte Aktion dieser Art. In Düsseldorf beispielsweise, wo er und seine Kollegen die Jakobuskirche in eine Kita umbauen, ist es zu ähnlich Szenen gekommen. Und erst am Dienstag vor einer Woche haben zwei Bauarbeiter den Kran an der Sellhorststraße erstmals besetzt, darunter nach WAZ-Informationen auch Julian selbst.

Beides bestätigt Volker Berendes, Geschäftsführer der Angerland Akustik Bau GmbH mit Sitz in Ratingen, deren Dienste der ADAC Westfalen als Bauherr in Anspruch genommen hat. An der Ecke Sellhorst-/Ringstraße baut der ADAC einen Geschäfts- und Wohnkomplex, in den die Geschäftsstelle des Automobilclubs und auch die Deutsche Bank einziehen werden.

Bauunternehmer: Beträchtlicher Kollateralschaden für Firma und ADAC

Berendes ist verärgert. Die Kran-Besetzungen, das mediale Interesse: Alles das ergebe einen „beträchtlichen Kollateralschaden“. Für seine Firma. Und für den ADAC. Zu den Vorwürfen sagt er: „Völlig haltlos. Ich bleibe dabei. Es wird dieses Geld nicht geben. Das ist Erpressung.“ Berendes zufolge haben die Trockenbauer um Julian eine „Fantasierechnung“ gestellt. Darin unter anderem aufgelistet: „300 Stunden Arbeit und keiner weiß wofür.“ Und: Eine Prüfung der Rechnung zusammen mit der Bauleitung habe ergeben, dass maximal 1700 Euro an Leistungslohn noch offen sind, also nur ein Zehntel des geforderten Betrages.

Tobias Scheffel, Sprecher des ADAC Westfalen, untermauert Berendes Linie: „Bei der Rechnungsprüfung und der Baustellenbegehung mit dem Architekten und einem unabhängigen Bau-Controller sind wir auf nie geleistete Stunden und Arbeiten sowie auf Mängel in der Ausführung gestoßen.“ 1700 Euro seien noch offen. Der ADAC prüfe nun weitere Schritte. Scheffel: „Das ist eine klassische Rechtsstreitigkeit, die nicht auf einem Baukran entschieden werden sollte.“

Expertenteam der Polizei schafft den Durchbruch

Ein Protestbanner haben die Arbeiter in Gelsenkirchen am Baukran an der Sellhorststraße aufgehängt.
Ein Protestbanner haben die Arbeiter in Gelsenkirchen am Baukran an der Sellhorststraße aufgehängt. © Unbekannt | Foto: NIkos KImerlis

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Die Polizei hatte während des Einsatzes die Sellhorststraße auf den ersten 40 Metern abgeriegelt, Feuerwehrkräfte rückten an. Die beiden Protestler auf dem Kran machten lautstark und mit einem Protestplakat deutlich, warum sie dort stehen: „Kein Geld“ rufen sie immer wieder. Kollegen auf dem Boden versuchen, die Männer zum Abstieg zu bewegen – ohne Erfolg.

Die Polizei setzte ein Expertenteam ein, um mit den beiden Männern auf dem Kran Kontakt aufzunehmen. Anrufe der Vermittler scheiterten jedoch lange Zeit. Um 14.03 Uhr schließlich konnten die Einsatzkräfte die beiden Bauarbeiter dazu bewegen, vom Kran abzusteigen. Sie wurden vorläufig festgenommen und kamen ins Gewahrsam. Sie müssen sich wegen Nötigung verantworten.

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