Gelsenkirchen-Buer. Mit einer Demonstration am 22. Juni erinnern Aktivisten an die Messerattacke eines Stalkers gegen eine junge Mutter. Sie entging knapp dem Tod.
Vor fast genau einem Jahr erschütterte eine Bluttat Gelsenkirchen. Ein Mann aus Gelsenkirchen fiel über über eine alleinerziehende junge Mutter her und stach mehr als 20 Mal mit einem Messer auf sie ein. Seda, so ihr Spitzname, entging nur um Haaresbreite dem Tod. Unter dem Motto „Gegen Gewalt an Frauen – Ni una mas/Keine einzige mehr – Tek Bir Kadin Bile Fazla!“ veranstaltet der Frauenverband Courage am 22. Juni in Buer eine Demonstration anlässlich Anschlags - genau ein Jahr später.
Die Protestaktion auf dem Goldbergplatz in Buer beginnt um 17 Uhr. Es ist zugleich eine Solidaritätskundgebung für die zweifache Mutter, die bis heute an den Folgen des Anschlags leidet. Für eine lebenshungrige Frau, die sich lange gegen die Nachstellungen von Faruk P. zur Wehr setzte und nach eigenem Bekunden weiter alles daransetzen will, dass "dieser Stalker hinter Gitter kommt". Nur deshalb und für ihre Kinder halte sie den strapaziösen Weg über Gerichtsbarkeit durch. Ihr Lebenstraum: Bald als Erzieherin arbeiten.
Gutachterin attestiert Gelsenkirchener Messer-Angreifer Schuldunfähigkeit
Der vierfache Familienvater aus Gelsenkirchen musste sich bereits wegen der Bluttat vor dem Landgericht Essen verantworten, wegen einer psychischen Erkrankung hatte eine Gutachterin Faruk P. allerdings Schuldunfähigkeit attestiert. Er befindet sich derzeit auf unbestimmte Zeit in der geschlossenen Psychiatrie.
Aber: Gegen das Urteil wehrt sich Seda über ihren Anwalt. Zusammen wollen sie bewirken, dass der Vorwurf des "versuchten Totschlags" und "gefährlicher Körperverletzung" in die Kategorie "versuchter Mord" umgeändert wird. Das hätte für das Strafmaß ganz andere, weitreichendere Folgen. In der aktuellen Konstellation könnte der Täter - eine erfolgreiche Behandlung vorausgesetzt - wesentlich früher wieder auf freien Fuß kommen.
Parallel dazu muss sich der Gelsenkirchener noch wegen des Vorwurfs des Stalking verantworten. Er hatte der früheren Zumba-Trainerin trotz gerichtlich verhängten Kontaktverbotes nachgestellt und sie übelst bedroht. Sieben Fälle von massivem Stalking listet die Anklageschrift auf im Zeitraum eines halben Jahres, zitiert bedrohliche Nachrichten, die Seda von dem Stalker aufs Handy bekommen habe. Unter anderem die: „Ich werde dich töten, ich schwöre auf meine Kinder. Ich werde dich durchlöchern. Ich werde dich töten. Ich schwöre auf Allah und mein Buch. Ich werde dich töten, du Hure.“
Den Kundgebungsort für den Protest hat der Frauenverband Courage nicht zufällig gewählt, er liegt in der Nähe des früheren Tatortes. Die Attacke ereignete sich an der Schauburg an der Horster Straße - einem Kino. Nach Auffassung des Verbandes wird "Gewalt an Frauen noch zu oft als Familiendrama abgestempelt und Tötungsdelikte nicht als das betrachtet und verfolgt, was sie sind: Mord nur aus dem Grund, weil sie eine Frau ist." Jeden zweiten bis dritten Tag sterbe eine Frau durch häusliche Gewalt und als Ergebnis einer extrem frauenfeindlichen und reaktionären Denkweise.
Verschärfter Stalking-Paragraf - Strafbarkeit nach dem Gewaltschutzgesetz
Der Verband erinnert an die "Istanbul Konvention", zu deren Unterzeichnern 2018 auch die Bundesregierung gehöre. "Trotz der Verpflichtung zum verstärkten Schutz von Frauen gibt es bis heute keine Umsetzungsanweisungen der Regierung für diese Konvention", kritisiert Courage. Mit der Demonstration wollen die Protestler mehr Öffentlichkeit für diese Problematik herstellen.
Stalking wird heute stärker geahndet als früher. Die Neuregelung aus dem Jahr 2017 sieht bis zu drei Jahre Freiheitsstrafe oder eine Geldstrafe vor. Und wer einem gerichtlich angeordneten und vollstreckbaren Kontaktverbot und/oder Wohnungsbetretungsverbot nach Paragraph 1 des Gewaltschutzgesetzes zuwider handelt, wird mit einer Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit einer Geldstrafe belegt. Damit soll der Schutz des Opfers effektiver durchgesetzt werden. Dies gilt auch, wenn keine Partnerschaft zwischen Täter/Täterin und Opfer besteht.
Lesen Sie hier mehr Nachrichten aus Gelsenkirchen
Oder folgen Sie uns auch auf Facebook