Gelsenkirchen-Buer. Nutrias im Norden von Gelsenkirchen. Die „Einwanderer“ machen sich im buerschen Grüngürtel breit. Die eifrigen Gräber sorgen für Probleme.
Sie wirkt auf den ersten Blick recht possierlich, ist zudem nicht ängstlich und, der Abstammung nach, ein rassiger „Latino-Nager“: die Nutria. Und sie hat besonders den Stadtnorden für sich als Lebensraum entdeckt. Immer öfter kommt es zu Sichtungen beim Sonntagsspaziergang. Davon berichtet auch die Landtagsabgeordnete Heike Gebhard, die „ihr“ Exemplar im Teich im Stadtwald zu Beweiszwecken gleich mehrfach fotografiert hat.
„Die Nutria kommt in Deutschland flächendeckend vor. Im Stadtnorden Gelsenkirchens erleben wir in den letzten zwei Jahren eine explosionsartige Ausbreitung“, erklärt Martin Schmid von der Kreisjägerschaft. Nutrias leben in der Nähe von Gewässern. „Deswegen ist der Norden für die Tiere so interessant. Sie leben vielfach am Rande der Emscher.“ Dort sorgen sie für Probleme: Bei der Futtersuche durchlöchern sie den Emscherdeich. Das könne, so Schmid, fatale Folgen haben. So gibt es auch nur eine Möglichkeit, die Tiere müssen bejagt werden. „Mittlerweile gibt es dafür eine Kooperation zwischen der Emschergenossenschaft und der Kreisjägerschaft.“ Seit 2008 gibt es einen Erlass des Umweltministeriums, welches die Tiere zur Jagd freigibt – ganzjährig. Dennoch, so Martin Schmid, achte man auf den Mutterschutz. Aus Tierschutzgründen.
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Mehr und mehr beobachte man die Ausbreitung der Tiere. Sie ernähren sich eigentlich von Wasserpflanzen, machen aber auch vor Kulturpflanzen auf landwirtschaftlichen Flächen nicht Halt. Das bereite zudem den Landwirten Sorgen, weiß der Jäger. Mehr noch: Erst kürzlich habe eine Nutria einen Privatgarten verwüstet. Das Tier fand einen Eingang, aber keinen Ausgang mehr. So mussten schlussendlich die Jäger kommen.
Das Revier wird im Handstand abgesteckt
Eine Nutria wird bis zu 65 Zentimeter groß. Dazu kommt der Schwanz von bis zu 45 Zentimetern. In freier Wildbahn werden die Tiere etwa drei Jahre alt, in Gefangenschaft deutlich älter.
Nutrias hören gut, sehen aber deutlich schlechter. Wollen sie sich mitteilen, geschieht das über ein Grummeln, Fauchen oder sie geben Quietschlaute von sich. Zähneklappern gehört auch zum Repertoire. Die beeindruckenden Hauer sind orangefarben.
Ein Kuriosum: Das Männchen markiert sein Revier im Handstand, spielt sich quasi als „großer Mann“ auf.
Bejagt werden die Tiere mittels Lebendfallen. Sind sie gefangen, werden sie getötet. Verwertet wird hauptsächlich ihr Pelz. „Der Fleischkonsum steht nicht im Vordergrund.“ Nutrias fressen zwar zumeist Pflanzen, lassen sich aber auch schon mal Molche und Muscheln schmecken. Daher unterliegt ihr Fleisch der so genannten Trichinbeschau. Hierbei wird kontrolliert, ob das Muskelfleisch der Tiere von speziellen Fasenwürmern befallen ist, die auch für den Menschen schädlich sind. Weil aber eine Nutria nur zwischen sechs und acht Kilogramm wiege, lohne dieser Aufwand nicht, erklärt Martin Schmid.
Eines liegt dem Jäger besonders am Herzen: „Es ist ganz wichtig, dass die Tiere auf gar keinen Fall gefüttert werden.“ Das sei im Stadtnorden schon vorgekommen und mitunter sei die Versuchung auch groß. Die Nager, die mit Meerschweinchen verwandt sind, können recht zahm werden und ihre Scheu vor Spaziergängern verlieren. Einmal angefüttert, sehen sie in jedem Menschen, der vorbei kommt, einen „Futterspender“ und nähern sich. Haben die Passanten jedoch einen Hund dabei, droht Gefahr: Die Nutria sieht einen Futterkonkurrenten und greift an. „Wir haben schon schlimme Bisswunden gesehen“, mahnt Martin Schmid, das auf den ersten Blick niedliche Tierchen könne eben auch ganz anders.
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