Gelsenkirchen. Der Bildhauer Nol Hennissen zeigt seine Rauminstallation „Schüttung“ im Kunstmuseum Gelsenkirchen. Sein Material gerät in Schwingung und Unruhe.

Leise rieselt der Roggen. Massige, braune Getreidesäcke stapeln sich derzeit auf dem Boden des Kunstmuseums. Der niederländische Künstler Nol Hennissen hat sie hier drapiert. Er sticht einen der Säcke an und die Schwerkraft setzt das Material fließend in Bewegung. „Schüttung“ titelt der Bildhauer seine temporäre Rauminstallation, die er auf Einladung des Kunstvereins Gelsenkirchen fürs Museum schuf. Am Sonntag wird die Schau eröffnet.

Sie ist die siebte in der Reihe „Open Up. Kunst. Technologie. Innovation“ und setzt sich doch mit einem uralten, ganz ursprünglichen Material auseinander, dem Getreidekorn. Beredte Metapher schon in der Antike und in den Texten der Bibel. Und für Ulrich Daduna, dem Vorsitzenden des Kunstvereins, eine Kindheitserinnerung: „Ich bin in der Lüneburger Heide auf einem Bauernhof groß geworden, habe dem Großvater oft bei der Ernte geholfen.“

Frei bewegliche Stoffe

1964 in Roermond geboren, lebt Nol Hennissen heute in Berlin und scherzt in Anspielung aufs beliebte Outlet-Zentrum: „Klamotten habe ich genug.“ Als Bildhauer, Meisterschüler und langjähriger Assistent von Prof. Ben Willikens setzt er sich bevorzugt mit vorhandenen architektonischen Räumen und deren Verwandlung auseinander. In seiner Gelsenkirchener Installation nutzt Hennissen ein Material aus der Logistik: „Schüttgut bezeichnet man hier Stoffe, die in ihren Lager-oder Transportbehältern nicht gesondert verpackt werden, sondern die frei beweglich sind.“ Für sein Projekt „Schüttung“ benutzt er ein solches Schüttgut, nämlich Roggenkörner.

Roggen rieselt aus einem Getreidesack in der Ausstellung von Künstler Nol Hennissen im Kunstmuseum Gelsenkirchen.
Roggen rieselt aus einem Getreidesack in der Ausstellung von Künstler Nol Hennissen im Kunstmuseum Gelsenkirchen. © FFS | Lutz von Staegmann

Die Arbeit besteht aus zwei Stapeln Säcke, gefüllt mit über 500 Kilo Getreide, und aus zwei Videoinstallationen. Auf einer großen Leinwand tanzen, fliegen und schweben die Körner in einer großen Massenbewegung. Mit Hilfe eines Rütteltisches werden sie in Aktion gesetzt. Dadurch geraten sie in eine rhythmische Schwingung und tänzerische Unruhe. Der Arbeitstisch scheint ab und zu durch und erinnert mit seinen Strukturen an eine Landkarte.

Jedes Korn für sich ein Speicher

Bewegung, Struktur, Schwingung und Raum sind die formalen Aspekte dieser Arbeit. „Welche Assoziationen dem Betrachter dabei in den Kopf kommen“, sagt der Künstler, „bleibt ihm überlassen.“ Eine aber regt er an: „Zurzeit dominiert das Thema Corona alles. Vieles steht still, es darf keine Ansammlungen geben.“ Im Video sammeln sich die Körner, gehen aber auch wieder auseinander: „Außerdem ist jedes Korn für sich ein Speicher, alles ist darin angelegt und kann warten bis zum nächsten Jahr.“ Auch Assoziationen an das Grundnahrungsmittel Brot, das für Leben und Wachstum steht, sind denkbar.

Bekannter Künstler

Die Ausstellung wird am Sonntag, 7. Juni, um 11.30 Uhr im Kunstmuseum an der Horster Straße 5-7 eröffnet. Eine Einführung ins Werk „Schüttung“ gibt Thomas Schöps von der Bleckkirche.

Die Schau wird bis zum 2. August zu sehen sein. Das Kunstmuseum ist geöffnet dienstags bis sonntags von 11 bis 18 Uhr, der Eintritt ist frei.

Arbeiten des Niederländers Nol Hennisson haben die Gelsenkirchener bereits kennen gelernt. Er war am Kulturhauptstadtprojekt „Gahlenscher Kohlenweg“ beteiligt.

Dem quirligen Rhythmus der Schüttung steht ein zweites, langsameres Video gegenüber. Hier bewegen sich zwei Linsen wie in einem choreographierten Pas de Deux. Von Zeit zu Zeit wird im Museum einer der Getreidesäcke angestochen. Dann rieseln die Körner heraus. Hennissen: „Hier wird der Fluss von Zeit und die Kraft natürliche Abläufe sichtbar, nichts ist dabei manipuliert.“

Und nichts wird am Ende der Ausstellung vernichtet. Der Roggen geht zum Ziegenmichelhof, wo er an die Tiere verfüttert wird.