Gelsenkirchen-Hassel. Ex-Stadtplaner Heidemann hält Kirchenraum als Tagesstätte für ungeeignet und bezweifelt denkmalgerechte Nutzung. Er fürchtet einen Abriss.
Kita-Kinder in der Kirche St. Theresia: Diese Umnutzung des seit 2007 geschlossenen Gotteshauses an der Polsumer Straße, geplant von einem noch nicht namentlich bekannten Investor, rief in der Bezirksvertretung Nord einhellige Begeisterung hervor. Nun meldet sich mit Dr. Lutz Heidemann, Ex-Stadtplaner und Bauhistoriker, jedoch ein Kritiker, der ein solches Projekt für falsch hält - um des Denkmalschutzes, aber auch um der Kinder willen.
"Ich war alarmiert und erschrocken, als ich von den Plänen hörte", berichtet Heidemann, der das Gebäude gut kennt. "Der strenge, fast fensterlose hohe Raum ist als Kindertagesstätte nur wenig geeignet. Er gibt das einfach nicht her", meint er. Die Planungsvorgaben von Kindergärten in Sachen Belichtung, Außenanlagen, Sozialräumen und Fluchtwegen seien dort nur schwer umsetzbar, wenn es um eine denkmalgerechte Nutzung des 1958 entworfenen Gotteshauses gehe.
Gelsenkirchener Bauhistoriker fürchtet Kirchen-Abriss
Seine Sorge: Der Kita-Betrieb könnte sich für den neuen Eigentümer des 9200 Quadratmeter großen Grundstücks mit weiteren Nebengebäuden wirtschaftlich so schwierig gestalten, dass er dieses Unterfangen als unzumutbar darstellen - und am Ende eine Abriss-Genehmigung für die Kirche erwirken könnte. "Denn das Gesetz sieht vor, dass der Erhalt eines Denkmals wirtschaftlich zumutbar sein muss."
Was die Ansiedlung eines 1500 Quadratmeter großen Vollsortimenters mit rund 100 Parkplätzen auf dem Areal angeht, wo sich derzeit noch das einstige Gemeindehaus, zwei Wohnhäuser und ein leerstehender Kindergarten befinden, äußert Heidemann - wie Bezirksverordnete von SPD und Grünen - Bedenken.
Heidemann: Schon jetzt viele Einkaufsmöglichkeiten
"Einkaufsmöglichkeiten gibt es an der Polsumer Straße eine ganze Menge, auch einen großen türkischen Supermarkt." Geschäfte mit einem höherwertigen Angebot wie etwa eine traditionsreiche Fleischerei hätten hingegen schließen müssen, weil die Nachfrage gefehlt habe. Und dass die Zufahrt über die Polsumer Straße problematisch sei, zeige schon jetzt die Situation der Discounter vor Ort. "Soll später hinten um die Kirche herum und vorbei an Wohnhäusern gefahren werden?"
Die Pfarrei St. Urbanus mag sich angesichts noch ausstehender Formalitäten - so liegt die Genehmigung des Vermögensrates des Bistums Essen noch nicht vor - nicht konkret äußern und auch den Namen des Investors noch nicht nennen. Propst Markus Pottbäcker verweist aber auf die letztlich erfolglosen Bemühungen seit 2007, die denkmalgeschützte St.-Theresia-Kirche zu verkaufen. Erst durch den Beschluss im Jahr 2018, das gesamte Grundstück zu vermarkten, hätten sich neue Verhandlungsoptionen ergeben.
Protest-Plakate gegen Vollsortimenter
Jetzt „haben (wir) eine vernünftige Lösung gefunden, bei der die Kirche erhalten wird und sich neue Chancen für den Stadtteil Hassel ergeben“, zeigt sich Pottbäcker "dankbar über den bevorstehenden Abschluss". Ähnlich wertet dies die Stadt nach Vorgesprächen mit der Pfarrei, dem Investor, Ge-Kita als Betreiber der geplanten Kinder-Tageseinrichtung und der Unteren Denkmalbehörde: Stadtsprecher Oliver Schäfer spricht von einer "guten Lösung für alle Beteiligten und den Stadtteil".
Dass es daran auch Zweifel gibt, zeigen aktuell mehrere Protest-Transparente, die Unbekannte an dem Bauzaun vor der Kirche angebracht haben. "Noch ein Supermarkt? Nein danke!" und "Für ein grünes Hassel - Gegen die Betonwüste" heißt es darauf.
Pfarrei St. Urbanus bittet zum "ehrlichen Meinungsaustausch"
St. Urbanus "begrüßt" in einer Pressemitteilung "ausdrücklich die öffentliche Meinungsbildung über die Zukunft des Areals St. Theresia unter Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger" und betont, sie sei "an einem ehrlichen Meinungsaustausch interessiert". Da dies "durch anonyme Protestbanner nicht gegeben" sei, bittet sie die Urheber, diese in den nächsten Tagen abzunehmen und "in einen direkten Dialog mit den Entscheidungsträgern der Pfarrei" zu treten. Auch sonstige daran Interessierte seien dazu eingeladen.
Ex-Stadtplaner Heidemann kann sich für das Gelände unterdessen alternative Nutzungen vorstellen: etwa ein sozial-integrierendes Konzept für Jugendliche in der Kirche, "gegebenenfalls unter Einbeziehung des vorhandenen, 1996 erbauten Pfarrheims"; oder eine interreligiöse Kinder- und Jugendeinrichtung mit einer musischen Komponente wie Tanz-, Theater- und Musikaufführungen. "Warum in Gottes Namen nicht eine Moschee? Wohnbebauung auf den Freiflächen statt weiterer Kommerz", fragt Heidemann.
Unverzichtbar sei es jedoch, möglichst frühzeitig die Öffentlichkeit zu unterrichten und einzubeziehen. Aber das will ja auch die Pfarrei St. Urbanus.
>> St. Urbanus lädt zum Dialog
Interessierte sind eingeladen, mit Entscheidungsträgern der Pfarrei St. Urbanus in einen direkten Dialog zu treten.
Möglich ist das per Mail (zukunft-theresia@urbanus-buer.de) und telefonisch (0209 386000). Aktuelle Informationen gibt's unter www.urbanus-buer.de/zukunft-theresia