Gelsenkirchen-Buer. Auch im Homeoffice müsse man auf das Erscheinungsbild achten, sagt der Gelsenkirchener Etiketten-Dozent Gerhard Daniel.

Lohnt es sich überhaupt, sich ordentlich anzuziehen, sich fein zu machen, wenn man doch nur im Homeoffice sitzt? Diese Frage stellen sich derzeit etliche Menschen. Unbedingt, hält ihnen Gerhard Daniel entgegen. Seit vielen Jahren lehrt er in Seminaren Menschen allen Alters den guten Ton, die Etikette und nicht zuletzt Stilbewusstsein. „Ich bin fest der Überzeugung, wenn man in einer Krise anfängt, sich gehen zu lassen, gibt man sich selbst auf – und auch den Kampf.“

Gleich zwei Gründe führt er an, sich auch in der Heimarbeit täglich heraus zu putzen. „Da ist zum einen das Selbstwertgefühl. Dass man es sich selbst wert ist, das, was einen Menschen ausmacht, nämlich den eigenen Willen, nicht aufzugeben, sondern ihn sogar zu fördern. Das stimuliert den Lebenswillen.“ Im zweiten Argument denkt der stilsichere Bueraner an das persönliche Umfeld. „Es ist seinem Partner oder der Familie gegenüber eine Unverschämtheit, sich gehen zu lassen. Weil man ihnen damit auch den Mut nimmt. Das Zeichen dahinter ist doch, es ist mir egal, was ihr von mir denkt.“ Und so sei es in diesen Tagen besonders wichtig, auf sich zu achten. „Viel wichtiger als sonst, weil diese Situation nachweislich ohnehin schon die Psyche belastet.“

Für Mode-Ikone Karl Lagerfeld galt ein Jogginganzug als untragbar

Gerhard Daniel hier bei einem früheren Termin. Der Apotheker aus Gelsenkirchen-Buer gibt in seiner Freizeit Benimm-Kurse für junge Menschen.
Gerhard Daniel hier bei einem früheren Termin. Der Apotheker aus Gelsenkirchen-Buer gibt in seiner Freizeit Benimm-Kurse für junge Menschen. © FFS | Thomas Schmidtke

Unwillkürlich denkt man da an Karl Lagerfelds Ausspruch – wer einen Jogginganzug trage, habe die Kontrolle über sein Leben verloren. „Dieser provokante Satz gilt gerade jetzt. Denn viele bedenken die Konsequenzen nicht. Das hat Auswirkungen auf die Umwelt“, sagt Gerhard Daniel und meint, es könne eine Kettenreaktion entstehen. „Sich gehen zu lassen, das birgt Gefahren.“ Ganz nebenbei vermittelten tägliche Rituale, wie das Duschen, die Körperpflege und das sorgsame Ankleiden, den Menschen ja auch Sicherheit.


Dass man vielleicht in Sachen Erscheinung aktuell Abstriche machen müsse, weil Friseure geschlossen sind, müsse man jedoch mit Fassung tragen. „Mein Tipp ist: das Beste draus machen – im Rahmen der eigenen Möglichkeiten. Denn eine nicht mehr formgerechte Frisur zu haben ist etwas ganz anderes, als mit ungewaschenen Haaren herum zu laufen.“

Experten-Rat: Auch unter Mundschutzmaske Make-up tragen

Das Erscheinungsbild der Masse wird sich in den nächsten Wochen und Monaten verändern, soviel steht fest. Mundschutze werden alltäglich sein, könnten jedoch, kreativ gestaltet, auch zum modischen Accessoire avancieren. „Das hat ja dann auch eine Wirkung auf das Gegenüber.“ Den Frauen der Schöpfung rät der Fachmann übrigens, auch unter dem Mundschutz das einstmals übliche Make-up zu tragen. „Da kann man sich ein Beispiel nehmen an den Frauen in den streng islamischen Ländern. Bei ihnen kann man schon an den Augen sehen, die sind auch verschleiert traumhaft geschminkt.“

Hinter all diesen Ansichten steht für Gerhard Daniel natürlich eine tiefer gehende Philosophie. Auch fernab jeder Krise hat er schon in den vergangenen Jahren eine Debatte über Alterozentrik angestoßen. Das Wort, das kaum einer mehr kenne, beschreibt das Gegenteil von Egozentrik, das Unterordnen eigener Interessen gegenüber denen anderer. Das ginge vielleicht etwas weit, findet der Dozent. Altruismus jedoch, also uneigennütziges Handeln, brauche die Gesellschaft heute mehr denn je. „Und da schließt sich der Kreis. Denn wer im Sinne der Gemeinschaft handelt, der präsentiert sich ordentlich gekleidet und gepflegt.“ Dann lehnt sich der Bueraner in seinem Sessel zurück. Der Blick fällt auf sein rosé-kariertes Oberhemd, kombiniert mit einem etwas dunkleren roséfarbenen Pullover. Das bemerkt er und erklärt: „Ich brauche das für mich. Gerade jetzt. In diesen Zeiten ist das meine Form von Protest.“

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