Gelsenkirchen/Wattenscheid. . Drei junge SGW-Fußballer aus Gelsenkirchen sind beim Joggen erwischt worden. Das Corona-Bußgeld verschlingt fast das Taschengeld eines Jahres.
Das Grundrecht auf Leben und körperliche Unversehrtheit gewinnt angesichts der Gefahren der Corona-Pandemie gegenüber dem Recht auf Versammlungsfreiheit eine überragende Bedeutung. Verstöße gegen die geltende Verordnung werden mit hohen Bußgeldern bestraft - diese Erfahrung haben jetzt drei junge Fußballer aus Gelsenkirchen gemacht, die gemeinsam joggen waren und vom Kommunalen Ordnungsdienst angehalten wurden. Die Frage, die nun im Raum steht: Was ist mit der Verhältnismäßigkeit, hätte es eine Ermahnung zunächst nicht auch getan?
Im Vereinsdress versetzt zueinander durch Gelsenkirchen gejoggt
Abid, Efe Can und Mario – 15 und 16 Jahre alt, spielen bei der SG Wattenscheid 09 Fußball. Weil sie sich fit halten sollten, wollten sie joggen gehen, denn der Trainingsbetrieb ist auch bei ambitionierteren und höherklassigen Vereinen durch Corona zum Erliegen gekommen. Nur wenige Clubs, darunter die Profis von Schalke 04, haben eine Ausnahmegenehmigung bekommen.
„Der eine hat den anderen abgeholt“, im gemeinsamen Vereinsdress der SGW ging es am 29. März 2020 nachmittags dann durch den Ortsteil Heßler – „zwei vorneweg, der dritte versetzt dazu dahinter“, so schildert es der 16-jährige Abid. Auf der Hans-Böckler-Allee wurde das Fitnessprogramm vom Kommunalen Ordnungsdienst beendet. „Von uns wurden direkt die Personalien aufgenommen. Mit dem Hinweis, dass Treffen zu dritt nicht erlaubt sind.“ Folge: ein Bußgeldbescheid über 200 Euro, zuzüglich Gebühren und Auslagen stehen jetzt unterm Strich dreimal 228,50 Euro. „Das ist fast mein gesamtes Taschengeld für ein Jahr“, sagt Abid. Er bekommt monatlich 20 Euro. Für ihn und seinen Vater ist die Strafe unverständlich, zumal sich Abid, Efe Can und Mario regelmäßig treffen – sie zocken gemeinsam am PC oder trainieren im Garten gemeinsam – allerdings daheim.
Anwalt: KOD hätte es bei einer Ermahnung belassen können
Der Gelsenkirchener Anwalt Arndt Kempgens vertritt die drei Jugendlichen. Er hat für sie Widerspruch in der Sache eingelegt und sagt: „Der Bußgeldkatalog ist für alle gleich. Und wir stellen auch nicht den Maßnahmenkatalog in Frage. Aber in einem solchen Fall müsste man doch etwas mehr Fingerspitzengefühl zeigen. Die drei sind ja weder unbelehrbar noch haben sie sich aufmüpfig gezeigt. Eine Ermahnung hätte es auch getan, den Ermessensspielraum haben die Kontrolleure.“ Kempgens hofft, dass das Verfahren eingestellt wird: „Diese Möglichkeit gibt es.“
Was sagt die Stadt dazu?
„Die Verordnung soll alle schützen“, erklärt Stadtsprecher Oliver Schäfer die Haltung der Verwaltung. „ Das funktioniert nur, wenn sich alle daran halten - ohne Ausnahme. Wir sollten die temporär eingeschränkten Freiheiten, die wir zurzeit haben, nutzen. Schauen wir nach Frankreich, nach Paris, dort ist selbst Sport im Freien tagsüber untersagt. Soweit soll es hier erst gar nicht kommen. Zu Beginn hat die Stadt noch ermahnt. Die Kontrolle fand aber nicht zu den Anfangszeiten der Corona-Schutzverordnung statt.“
Das heißt: Die Einstellung des Verfahrens kommt aus städtischer Sicht nicht in Frage. „Dann darf man gespannt sein, wie das Gericht den Fall bewertet“, sagt Rechtsanwalt Arndt Kempgens. Denn: Die Stadt hat selbst über die Ostertage noch eine Vielzahl von Ermahnungen ausgesprochen, das steht so auf der Internetseite der Verwaltung - möglich ist es also.
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