Gelsenkirchen. Noch vor der Corona-Krise startete in Gelsenkirchen die Fastenaktion „Sieben Wochen ohne Plastik“. Wie sie in Zeiten der Pandemie gelaufen ist.
Manches ist dieser Tage ein Experiment. Gewohntes, Liebgewonnenes, Bräuche – viele Gelsenkirchener müssen derzeit verzichten. Und das zu so einem besonderen Zeitpunkt, an dem das Osterfest doch eigentlich mit der Familie und anderen lieben Menschen gefeiert werden sollte. Kurzum: Es ist derzeit ein Fasten der besonderen Art, so eigentlich nicht gewollt.
Noch vor der allumfassenden Corona-Krise startete das Projekt „Sieben Wochen ohne Plastik“ – die eigentliche Fastenzeit lieferte den Rahmen für die Idee. Wie ist es gelaufen, unter diesen besonderen Umständen? Ein Fazit.
Gelsenkirchen: Projekt zum Plastik-Verzicht lief wegen Corona nicht wie geplant
Zum Hintergrund: Mit dem Projekt wollten das Agenda-21-Büro und die Evangelische Erwachsenenbildung im Kirchenkreis Gelsenkirchen und Wattenscheid etwas anstoßen, ein Zeichen setzen. Für mehr Nachhaltigkeit, gegen die immense Vermüllung durch Plastik, die Tag für Tag entsteht. Es sollte auch eine Anregung sein, das eigene Leben, die eigenen Gewohnheiten zu hinterfragen und bestenfalls zu ändern. Die Idee hatten Anna Konrad vom Agenda-Büro und Heidi Wiesner von der Erwachsenenbildung. Die Leitung des Kurses hatte Inga Clever.
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Acht Gelsenkirchener hatten sich zu Beginn der Fastenzeit auf den Aufruf in der WAZ gemeldet. Immer wieder mittwochs sollte der Kurs im Agenda-Büro stattfinden. Doch dann kam eben Corona. Und mit der Pandemie fielen die Treffen aus. „Viele Dinge, die wir geplant hatten, kamen leider nicht zustande“, berichtet Inga Clever. Kein Grund, enttäuscht zu sein. Denn: „Wir planen, das Projekt im Sinne der Nachhaltigkeit fortzuführen, und zwar so, dass sich der Ansatz im Leben der Teilnehmer noch weiter verfestigt“, so Inga Clever weiter.
Treffen mussten wegen der Corona-Krise ausfallen
Und doch: „Dass die Treffen ausfallen mussten, war schon schade“, sagt Inga Clever. Denn gerade die hätten für noch mehr Motivation bei den Teilnehmern gesorgt. Inga Clever stellte auf Technik um, schrieb E-Mails, darin beispielsweise Tagebücher, an die Gruppe, doch das sei nicht unbedingt immer etwas für jeden. Sicher, es gab noch einen Austausch, auch per Mail, aber der persönliche Kontakt fehlte schlicht.
Eine, die das nur bestätigen kann, ist Projekt-Teilnehmerin Andrea Overmeyer: „Ich fand es auch total schade, dass man sich nicht mehr getroffen hat“, sagt sie. Und sie fügt hinzu, dass sie sehr profitiert hätte, von den Erfahrungen der anderen Teilnehmer. Dass sie in der und durch die Gruppe Rückenwind bekommen habe – den eigenen Alltag, die eigenen Gewohnheiten noch weitreichender umzustellen.
„Man sollte mit dem anfangen, womit man sich am wohlsten fühlt“
So stellte sie beispielsweise kurzerhand den Gebrauch von Mineralwasser in Plastikflaschen ein – eine Glasflasche mit Leitungswasser tut es schließlich auch. Obst und Gemüse kommen bei ihr nur noch lose in den Korb, einen selbst hergestellten Badreiniger aus nur vier Zutaten möchte sie nicht mehr missen. Es sind manchmal Kleinigkeiten, mit denen man viel erreichen kann. „Mein Tipp ist, dass man nicht alles auf einmal versucht, sondern Stück für Stück umstellt“, sagt die 54-Jährige. Inga Clever stimmt zu: „Man sollte immer am besten mit dem anfangen, womit man sich am wohlsten fühlt.“
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Stichwort Nachhaltigkeit: Ihre Erfahrungen hat Andrea Overmeyer auch schon auf ihre Arbeit übertragen können. Die Hauswirtschaftsleiterin im Seniorenzentrum der Arbeiterwohlfahrt an der Grenzstraße legte gemeinsam in einer Arbeitsgruppe aus Hauswirtschaftsmitarbeitern den Fokus auf mehr Nachhaltigkeit. Der Kuchen zum Nachmittagskaffee wird in Mehrwegdosen für den Transport verpackt, der Nachtisch zum Mittagessen kommt nicht mehr im Plastikbecher, sondern im Glas auf den Tisch. Bei 163 Plätzen ist das schon ein enormer Berg Plastikmüll, der nun entfällt.
Teilnehmer von „Sieben Wochen ohne Plastik“ waren Anfänger und Experten
Zurück zum Projekt: Die Teilnehmer ihres Kurses beschreibt Inga Clever als „gemischte Gruppe“ – es gab die, die mit dem Verzicht auf Plastik gerade erst anfangen, dann die, die schon wahre Experten im Umgang im Meiden von Kunststoffen sind. Im Laufe des Projektes ging es viel ums Ausprobieren, viel ums Selbermachen – Putzmittel, Shampoos, Seifen, die Liste ließe sich fortführen. Es ging auch um den Einkauf in Unverpacktläden, um einen aufmerksameren Umgang mit Plastik und Kunststoff überhaupt.
„Plastik ist einfach Teil unseres Alltags, da kommt man gar nicht drumherum“, weiß Inga Clever. Und doch: „Sieben Wochen ohne Plastik“ hat den Teilnehmern gezeigt, dass es auch anders gehen kann, dass ein Verzicht auf Kunststoff möglich ist. Weit über die Fastenzeit hinaus.
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