Gelsenkirchen-Ückendorf. Zum „Tag der Archive“ öffnet Gelsenkirchens Institut für Stadtgeschichte seine Kammern. Offen und transparent soll Historie sichtbar werden.

Der Atem der Geschichte hat ständig 18 bis 20 Grad und etwa 50 Prozent Luftfeuchtigkeit. Jedenfalls in den Kellern des Wissenschaftsparks, in denen die Geschichte Gelsenkirchens bewahrt wird – genauer gesagt: im Stadtarchiv. Die Mitarbeiter arbeiten ständig daran, dem verstaubten Ruf entgegen zu wirken. Dabei ist es bestimmt kein Widerspruch, dass Vorgänge mit digitalen Dateien am Bildschirm bearbeitet werden und gleichzeitig ein Blitzen in den Augen der Archivare erscheint, wenn sie Akten mit geschwungener Handschrift auf bräunlichem Papier in der Hand haben: Geschichte zum Begreifen.

Die Ortsgemeinden und ihre Entwicklung sind im Stadtarchiv dokumentiert.
Die Ortsgemeinden und ihre Entwicklung sind im Stadtarchiv dokumentiert. © FUNKE Foto Services | Ingo Otto

Denn das war dann doch früher besser, das Papier, „mit viel weniger Säure“, erklärt Andreas Lommatzsch. Weshalb diese Schriftsätze von 1799 auch noch gut erhalten sind. Allerdings haben sie jetzt auch schon lange kein Sonnenlicht mehr abbekommen, was ihnen sicherlich zugesetzt hätte. Die deutsche Schreibschrift der Zeit, die erschließt sich nicht auf den ersten Blick. „Das ist kein Sütterlin“, macht Lommatzsch klar, „das war in den 30er Jahren“.

Die Menge ist nur im Ansatz zu bewältigen

Viel Latein taucht noch auf, übersetzt wird nur auf Anfrage, längst nicht alles ist digitalisiert. Die Menge all dessen, was das Verwaltungshandeln und damit auch das Leben in der Stadt ausgemacht hat, ist nur ansatzweise zu bewältigen und in die Technik des 21. Jahrhunderts zu übertragen. Oft nur für besondere Projekte oder Ausstellungen.

Rieke und Katie staunen angesichts der unglaublichen Menge von Akten und Dokumenten im Archiv des Instituts für Stadtgeschichte.
Rieke und Katie staunen angesichts der unglaublichen Menge von Akten und Dokumenten im Archiv des Instituts für Stadtgeschichte. © FUNKE Foto Services | Ingo Otto

Die selbstständigen Gemeinden, die heute als Stadtteile auftauchen, hier sind sie aufgefangen in Karten, Schriftsätzen und gefalteten Baubeschreibungen der Häuser. Allerdings nur, wenn die schon wieder Schutt und Asche sind, denn die bestehenden Bauten hat das Bauamt als Dokumentation. Immer wieder greift das Archiv auf Anfrage allerdings ein, um Spuren aufzudecken. Gerichtsrelevante Vorgänge um Gutachten und Bauakten vor allem sind es, die diese Pflichteinrichtung einer jeden Kommune rechtssicher abdecken muss. Erbenermittler melden sich hier und bekommen Auskunft aus den Metern um Metern von Personenstands-Akten, wenn sie die entsprechende Vollmacht haben.

Trotzdem kein trockener Stoff

Die Luftfeuchtigkeit ist nötig, um Schimmel zu vermeiden. Trocken ist dieser Stoff dennoch nicht. Ein Archivar wie Dieter Host kann aus der Geschichte Geschichten machen. Schon deshalb dauert die Führung, die zum „Tag der Archive“ gern angenommen wurde, selbst hier im Betonkeller gut eine halbe Stunde länger als geplant. Weil er von den Sammlungen erzählen kann, die Dia-Positive kennt, die heute längst ungebräuchlichen Glas-Negative zeigen kann. Und weil in den Schränken und Schüben auch etwa Plakate die Zeit des Dritten Reiches in Gelsenkirchen anschaulich dokumentieren. Und weil längst nicht mehr existierende Bürger-Schützenvereine aus der Zeit vor der Zusammenlegung zu Gelsenkirchen hier eine Erinnerung mit Königskette oder gut erhaltener Standarte darstellen.

Info und Kontakt

Das Stadtarchiv im Institut für Stadtgeschichte ist im Obergeschoss des Wissenschaftsparks an der Munscheidstraße 14 untergebracht. Öffnungszeiten und Besuchstermine: Montags bis donnerstags 8.30 bis 15.30 Uhr, freitags von 8.30 bis 12.30 Uhr.

Kontakt unter www.institut-fuer-stadtgeschichte.de, isg@gelsenkirchen.de oder telefonisch unter 0209/169 8551. Vorherige Terminabsprachen sind gerade bei eiligen oder umfangreichen Anfragen von Interessierten erwünscht und können helfen, lange Wartezeiten zu vermeiden.

Die E-Akte, vollständig elektronisch-digital, wird aber bald eingeführt, erklärt Archivar Dietmar Schönfeld. „Aber wir kommen wohl nie ganz ohne Papier aus“, schränkt er vielsagend lächelnd ein.