Gelsenkirchen-Rotthausen. Gelungene Premiere der „Passion“ am Samstagabend in Gelsenkirchen. Einige der Probleme unserer Gegenwart werden im Stück mit aufgegriffen.
Kann eine 2000 Jahre alte Geschichte, von der jeder die Kapitel und den Ausgang in- und auswendig kennt, überhaupt noch fesseln? Aber ja, sie kann. Wenn sie etwas zu erzählen hat, das unvergänglich ist. Dies bewiesen eindrucksvoll die 32 Laienschauspieler- und Schauspielerinnen am Samstagabend in der evangelischen Kirche Rotthausen. Unter der Regie von Ulrich Penquitt haben sie in fünf Monaten die Passion, den Leidensweg Jesu Christi, einstudiert – besser: erarbeitet.
Nach fünfjähriger Pause waren die „Passionsspiele“ wieder am Start. „Einige der damaligen Darsteller sind wieder dabei, die meisten aber sind neu“, informierte Penquitt. Zum zweiten Mal in einer Rolle, aber zum ersten Mal als Jesus Christus, war Julian Wangemann zu sehen – und viel Lob zur packenden Vorstellung gebührt ihm. Auch in Tunika und Sandalen wirkte er absolut wie ein junger Mann der Gegenwart. Mit seinen Fragen, seinen Zweifeln und Überzeugungen. Und darum ging es dem Team um Penquitt.
Ein eindeutiger Aufruf zu ehrlicher Nächstenliebe
Der Autor der Texte, Wolf-Rainer Borkowski, Theologe und Pfarrer im Ruhestand und übrigens als Joseph von Arimathäa mit auf der Bühne, hat Evangelien-Texte geschickt zusammengestellt, um neben der Geschichte an sich, ein Augenmerk auf die wichtigsten Aussagen zu lenken, die auch in nicht-religiöser Weise gelesen werden können. „Hat der bewaffnete Kampf jemals etwas genutzt?“, „Die Gier macht das Herz zu Stein“, „Lieben heißt loslassen“ oder „Ich war ein Fremder und ihr habt mich aufgenommen.“ Ein eindeutiger Aufruf zur ehrlichen Nächstenliebe, zur Hilfsbereitschaft.
Die Inszenierung hob Maria aus Magdala, eine souveräne Christina Borkowski, in die Jetzt-Zeit. Sie erzählte, resümierte in moderner Kleidung, gleich einer Pfarrerin. Der Hintergrund wechselte bei ihren Auftritten von Bildern aus dem Heiligen Land zu einem Foto der Fassade der Kirche an der Steeler Straße. Die Geschichte Jesu ist der Grundstein aller christlichen Gotteshäuser. Auch der Teufel, hier in zweierlei Gestalt, ein Mann und eine Frau, ist modern, schick gekleidet, nie verschwunden.
Regisseur Penquitt ließ einige Male in Hebräisch und Aramäisch rezitieren
Politisch ist dieses Stück, las die Abspaltung der Christen vom jüdischen Ursprung nicht rein theologisch, sondern im Fakt, dass einige Priester, ungeachtet ihrer Religion, die eigenen Vorteile in den Vordergrund stellten. Auch Männer Gottes können böse sein. Im Hohen Rat gab es Befürworter Jesu, sahen ihn fest in der Tradition der jüdischen Religion. Penquitt ließ einige Male in Hebräisch und Aramäisch rezitieren.
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Das gesamte Ensemble hielt die Spannung der Erzählung, die Figur des Pilatus vielleicht eine Spur zu dekadent, aber im Gesamten eine gelungene Darstellung. Es war zu spüren, dass die Teilnehmer sich wohl fühlten in der Gruppe. „Ich habe nirgendwo schneller Vertrauen zu fremden Leuten gefasst, als hier“, sagte Mabel-Mara Platz. Über die Probenarbeiten hatten sich alle mit den Themen stark auseinandergesetzt forderten dies nun mit Vehemenz vom Publikum ein. „Nehmt das Unrecht nicht hin!“ – ein Ausruf gegen die römische Besatzung gerichtet, aber eigentlich ein Schrei des Aufrüttelns gegen heutige Menschenrechtsverletzungen.