Gelsenkirchen. Lisa Eckhart begeisterte bei ihrem Auftritt in Gelsenkirchen. Das waren die morbidesten Pointen der vielverehrten Kabarettistin aus Österreich.

Für Lisa Eckhart ist die Sprache mal Gefährtin, öfter Geliebte, aber in erster Linie stets messerscharf gewetzte Waffe. Dann filetiert sie erst fein-säuberlich im Florettstil ihre auserkorenen Zielscheiben, um gleich darauf zum verbalen Hellebarden-Hieb auszuholen und mit den nächsten gnadenlosen Wortkaskaden ihre Zuhörerschaft zu verstören, zu verletzen oder zutiefst zu verzücken. Bei ihrem Auftritt im Hans-Sachs-Haus am Donnerstagabend untermauerte die aus der Steiermark stammende Eckhart ihren Ruf als Femme fatale des deutschsprachigen Kabaretts in eindrucksvollster Weise.

Um punkt 20 Uhr betritt der aktuell anarchischste Exportschlager der Alpenrepublik den mit 420 Besuchern nahezu komplett gefüllten Saal. Und zwar barfuß. Geschmeidig lässt sie sich gertenschlanke Frau auf jenem Barhocker nieder, der ihr während des zweistündigen Auftritts als einziges Bühnenutensil dient. Eckhart trägt einen gelb-schwarz-goldfarbenen Seidenmantel, der es ihr erlaubt, ständig viel Bein zu zeigen. Als stilechte Ergänzungen dienen lange, weiß lackierte Fingernägel und eine wasserstoffblondierte 20er-Jahre-Frisur. Sie sieht aus, als sei sie einer Folge der Fernsehsendung „Babylon Berlin“ entsprungen.

Lisa Eckhart serviert jeweils ein Kapitel für jede der sieben biblischen Todsünden

Barfuß absolvierte die aus der Steiermark stammende Kabarettistin Lisa Eckhart ihr Gastspiel im Gelsenkirchener Hans-Sachs-Haus am Donnerstagabend.
Barfuß absolvierte die aus der Steiermark stammende Kabarettistin Lisa Eckhart ihr Gastspiel im Gelsenkirchener Hans-Sachs-Haus am Donnerstagabend. © FUNKE Foto Services | Heinrich Jung

„Die Vorteile des Lasters“ heißt das neue Programm der Österreicherin, die dank vieler TV-Auftritte vor allem bei ARD-Quotengarant Dieter Nuhr in Windeseile aufs Schild der Popularität gehoben wurde. In sieben Kapitel hat sie diesen Abend unterteilt – für jede der biblischen Todsünden eines. So beginnt sie, von Wollust, Eitelkeit, Maßlosigkeit oder Gier zu erzählen. Und ihre Pointen sind teils so derbe, grenzüberschreitend und mit der Lust aufs Morbide unterfüttert, dass den Besuchern das Lachen nicht nur im Halse stecken bleibt, sondern sie gar daran zu ersticken drohen. Etwa, wenn sie bekennt: „Wenn ich mal jemanden töte, dann soll es bitteschön auch Mord sein – und kein Unfall.“

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„Es ist interessant, an welchen Stellen sie zu lachen beginnen“, sagt Eckhart in ihrem stets schelmisch klingenden, heimatgetränkten Idiom der Steiermark. „So erfahre ich hier viel mehr über sie als sie über mich.“ Wobei Eckhart sehr wohl Privates preisgibt. Etwa, dass sie keine Flugscham, dafür aber Flugangst hat, keinen Sport treibt und ihn für verschwendete Lebenszeit hält. Oder dass sie lebenslange Beziehungen für ein Wettrennen darum hält, welcher Partner den anderen zuerst pflegen „darf“. Und dass es die katholische Kirche in ihrer Sparwut als Ersatz für die schnöde Esspapier-Hostie doch mal mit Mett probieren sollte – als eine Art Altar-Tatar.

Es sind die schmerzhaften Pointen, die nachhaltig im Gedächtnis haften bleiben

Das schmeckt hörbar nicht jedem im Publikum. Aber genau jene Sprachspiele sind es, denen Eckhart mit einem lässigen Lächeln auf ihren blutroten Lippen frönt. Als sie auf das Thema Kinderarbeit zu sprechen kommt, erzählt sie von jungen Fabrikarbeitern, die unter widrigsten Bedingungen die Luxusartikel des dekadenten Westens herstellen müssen. „Die atmen dort Quecksilber ein – und bekommen das als Dank dann auch noch vom Lohn abgezogen.“ Eckhart reicht es nie aus, nur den Finger in die Wunden einer ignoranten Gesellschaft zu legen. Nein, sie porkelt viel lieber darin herum und verreibt noch eine Prise Salz darin. Erst wenn Pointen schmerzen, bleiben sie auch nachhaltig im Gedächtnis des Zuhörers haften.

Natürlich gibt’s zwischendrin auch leichtere Kost: Wer’s mag, der kann über die These von Coca Cola als Verhütungsmittel schmunzeln und kann sich auch über die an Herpes Erkrankte amüsieren, die im Drogeriemarkt rotzfrech alle Testlippenstifte ausprobiert. Doch am stärksten ist Eckhart immer dann, wenn sie mit ihrem Humor, der schwärzer als die dunkle Materie im All ist, sich die Rassisten, Coronavirus-Hysteriker und Greta-Thunberg-Jünger dieser Welt schonungslos vornimmt. Dann braucht es keine großen Gesten. Dann reicht allein das ins Mikro gehauchte Wort. Zum Abschied stehende Ovationen als Dank an eine subversive Sprachverehrerin.