Gelsenkirchen. Gelsenkirchenerinnen aus verschiedenen Generationen und Positionen schildern ihre eigene Sicht: Was ist gut daran, Frau zu sein, was schlecht?
Am Sonntag ist Internationaler Frauentag. In Deutschland ist die Gleichberechtigung längst festgeschrieben in allen erdenklichen Regeln und Gesetzen. Aber sind die Vor- und Nachteile des Mann- oder Frau-Seins hier und heute wirklich ausgewogen? Wir fragten drei Gelsenkirchener Frauen aus drei Generationen und sehr unterschiedlichen Bereichen, was gut daran ist, eine Frau zu sein, und was schlecht. Um es vorweg zu nehmen: Alle drei sind Männern ausgesprochen freundlich gewogen, aber stehen im Leben voll und ganz ihre Frau.
Gelsenkirchenerinnen äußern sich zum Frauentag
Helga Kiedel (71) hat als junges Mädchen noch die Zeiten erlebt, in denen Gleichberechtigung nicht existierte. Auch ihre Mutter war zwar berufstätig, finanzierte die Ausbildung der beiden Mädchen und des Sohnes mit, um ihnen später ein selbstständiges Leben zu ermöglichen. Der Vater arbeitete als Maschinist auf Consol. „Aber wir haben gar nicht hinterfragt, was das heißt: Frau sein“, erklärt sie heute. Auch heute mag sie nicht von Vor- oder Nachteilen des Frau-Seins sprechen.
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Dabei war es in ihrer Jugend reine Glücksache, dass sie Eltern hatte, die so stark an einem Strang zogen, die Mutter auch ihre Töchter förderte, damit sie dereinst auf eigenen Füßen stehen können. Dass das keine Selbstverständlichkeit war, erlebte sie bei Freundinnen in der Schule, deren Eltern die Jungen bei der Ausbildung bevorzugten. Frauen mussten in Helga Kiedels Kinderzeit die Männer um Erlaubnis bitten, wenn sie arbeiten wollten.
„Wir haben gar nicht hinterfragt, was das heißt: Frau sein“
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Wichtiges Vorbild und Förderin war für sie neben der Mutter die Lehrerin, Fräulein Bille. Die erkannte ihr Talent, überzeugte sie, statt der Friseurlehre die Sekretärinnenschule zu bevorzugen. Mit 23 Jahren heiratete Helga Kiedel ihre große Liebe, mit 24 bekam sie ihren Sohn, arbeitete aber weiter – wenn auch nicht mehr im Vorzimmer des Chefs. „Wegen der Teilzeitstelle.“ Ein Nachteil des Frau-Seins? Das mag die heute vielfach ehrenamtlich Aktive nicht so sehen. „Mein Mann hat bei allem geholfen, hat auch den Kinderwagen geschoben, ist zum Kinderarzt gegangen.“
„Marianne Kaiser von der VHS war ein Segen für uns Frauen“
Das Schlüsselerlebnis bescherte ihr das Schulmitwirkungsgesetz, von dem sie in der Schule des Sohnes erfuhr und das sie letztlich zur Volkshochschule brachte. „Die Kursleiterin bei Arbeit und Leben, Marianne Kaiser, war ein Segen für uns Frauen. Sie hat uns die Geschichte der Emanzipation und die Solidarität unter Frauen bewusst gemacht, uns starke, engagierte Frauen nahe gebracht, uns und die Solidarität unter Frauen gestärkt. Wir sind als „Stiefmütterchen“-Theatergruppe aufgetreten, das alles hat uns einen großen Schub gegeben. Dabei hatte ich gar nicht so ein Selbstbewusstsein. Aber ich war immer für alles offen.“
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Die Emanzipationsbewegung war zu jener Zeit in vollem Gange. „Mein Mann hat mich aber bei allem immer sehr unterstützt, das war nicht immer einfach für Männer. Aber bei uns gab es kein Gegeneinander“, betont Helga Kiedel. Bis heute ist sie für alles offen. Sie arbeitete mit Strafgefangenen, koordiniert bis heute die Grünen Damen in den Evangelischen Kliniken, ist in der Hospizarbeit aktiv. „Meine Mutter, meine Lehrerin und Marianne Kaiser haben mich gefördert. Und mein Glauben, der mich so positiv an alles herangehen lässt.“ Die einzigen Nachteile des Frau-Seins, die ihr auch auf harte Nachfrage einfallen, ist die kleine Rente aufgrund der langen Teilzeitarbeit und die starken Kürzungen bei der Witwenrente.
„Mädchen sind stark. Sie können Kinder kriegen und arbeiten gehen und schaffen das“
Gina Marcinczyk (17) könnte vom Alter her die Enkelin von Helga Kiedel sein. Die Schülerin der Gesamtschule Horst spricht auch nicht gerne von Vor- und Nachteilen des Frau-Seins. „Ich würde es eher Stärken und Schwächen nennen,“ erklärt sie. „Wobei Stärke ein klarer Vorteil ist. Und Mädchen sind stark. Frauen können Kinder kriegen und arbeiten gehen und schaffen das. Männer gehen arbeiten und sind abends kaputt. Frauen halten Krankheiten besser aus, es gibt ja die sprichwörtliche Männergrippe.“
Nachteile in der Schule für Mädchen sieht sie nicht, die Chancen seien gleich. „Nur manchmal muss man sich bei einer guten Note von den Jungs schon mal anhören, man habe die Note nur, weil man ein Mädchen sei. Aber das ist kein großes Problem“, betont Gina. Um im Gespräch dann doch einzuräumen: „Man muss sich als Frau doch noch mehr beweisen. Und Frauen müssen sich auch mehr anstrengen als Männer, um einen guten Job zu bekommen. Aber unsere Stärke ist ja, dass wir es trotzdem durchziehen.“
„Ein ausgeprägtes Pflichtbewusstsein: Stärke und Schwäche zugleich“
Gina Berufswunsch ist noch offen, klar ist nur: „Ich möchte eine große Familie haben und einen guten Beruf, das fördert auch meine Mutter sehr. Aber ich fürchte, ich werde ein schlechtes Gewissen gegenüber dem Arbeitgeber haben, wenn ich mehrfach wegen des Mutterschutzes ausfalle.“ Und damit meint sie nicht die Elternzeit, bei der sie auch mit ihrem Partner rechnen würde, sondern allein die Schutzfristen vor und nach der Geburt. Ihr Pflichtbewusstsein ist sehr ausgeprägt: „Das ist zugleich mein Vorteil und mein Nachteil.“