Die Gelsenkirchener Polizei hat die Kriminalstatistik für 2019 veröffentlicht. Ein Kommentar von Nikos Kimerlis.

Es vergeht kaum ein Tag, an dem die Polizei nicht einen Fall von Diebstahl, Körperverletzung oder Raub meldet. Heißt das, dass die Zeiten schlimmer geworden sind? Wohl kaum, denn in erster Linie meldet die Polizei derartige Delikte in der Absicht, um über Zeugenhinweise den Fall aufzuklären. (Soziale) Medien spielen dabei eine Doppelrolle als Multiplikator. Sie erreichen eine breitere Öffentlichkeit und erhöhen die Wahrscheinlichkeit, dass jemand in einem Fall weiterhelfen kann. Zugleich beeinträchtigt die Flut an Polizei-Nachrichten das Sicherheitsgefühl nachhaltig.

Wie hoch ist die Kriminalität also wirklich? Die polizeiliche Kriminalstatistik ist Kriminologen zufolge keine Statistik über die Wirklichkeit der Kriminalität, sondern eine Statistik über die Tätigkeit der Polizei. Botschaft: Das hat uns in dem Jahr beschäftigt. Um herauszufinden, wie die Kriminalität wirklich verläuft, müsste man auch wissen, was bei den von der Polizei eingeleiteten Verfahren herauskam. Das wird in der Statistik nicht erwähnt. Und: Ein Fall gilt als geklärt, wenn ein Verdächtiger benannt wird. Thomas Fischer, ehemals Bundesrichter in Karlsruhe, hat das auf den Punkt gebracht. Das Szenario: 100 Anzeigen wegen Landfriedensbruch von einem übermotivierten Beamten gegen Demonstranten, die Staatsanwaltschaft stellt aber alle Verfahren mangels Tatverdacht ein. Macht in der Statistik eine sprunghafte Zunahme in der Kategorie politisch motivierter Gewaltkriminalität und eine Aufklärungsquote von 100 Prozent. Rein rechtlich passiert ist nichts.