Gelsenkirchen-Altstadt. Der Comedian schont in seinem sechsten Programm im Musiktheater sein Publikum nicht. Er raucht, säubert seine Zahnprothese und schlägt Haken.

Er muss doch Magengeschwüre haben oder mindestens Bluthochdruck. Der fängt ja schon im Galopp an, jedenfalls kommt er zu den Klängen der 1970er-Jahre-Fernsehserie „Black Beauty“ auf die Bühne. Um mit einer Publikumsbeschimpfung zu beginnen: „Sage mal, sind noch welche von euch auf’m Zimmer geblieben?“, nicht eben halblaut zur ersten Reihe. Die hat in Kurt Krömers sechstem Programm „Stresssituation“ im Musiktheater viel auszuhalten. Muss man ja wissen.

„Schrullig, gnadenlos, mit eigenwilligem Modebewusstsein und Berliner Schnauze“ zählte die Ankündigung für den Neuköllner das auf, was die Zuschauer erwarteten sollte. „Kauzig“ trifft es sicher auch. Außerdem ist der Comedian nicht festgelegt darin, wen er aufs Korn nimmt: „Wat is’n det mit dem Applaus? Habt ihr ‘n Klatsch-Tourett?“. Nach der wenig charmanten Eröffnung nimmt er die gescholtene erste Reihe in Augenschein. „Det wird ja überhaupt nich besser“, und geht weiter nach hinten. Er hat ja Zeit, weil er unterwegs immer noch Anlass zum Koddern findet („guck gefälligst auf’n Boden, wenn ick mit dir rede!“), und sich kaum mit Liebenswürdigkeiten aufhält.

Bei Kurt Krömer kriegen in der „Stresssituation“ im Musiktheater in Gelsenkirchen alle ihr Fett weg.
Bei Kurt Krömer kriegen in der „Stresssituation“ im Musiktheater in Gelsenkirchen alle ihr Fett weg. © Michael Korte

Da macht er dann endlich zufrieden bei Elisabeth Station, verteilt lautstarke Handküsse und Avancen. Um auf dem Rückweg auf die Bühne loszuwerden: „Wat bist du? Beate? Wohl von Schwiegertochter gesucht.“ Auf der Bühne hält es ihn auch nicht lange am Schreibtisch, er gestikuliert, stampft, hopst.

Westfalen und Temperament

Krömer wirft sich sogar auf den Boden, ohne Rücksicht auf den Anzug, denn dann kann er darauf eingehen, dass die roten Socken zu den mehr roten als braunen Schuhen tatsächlich eine Strumpfhose sind. „Is kalt, und det Scheuern an de Beene, det kennt ihr ooch.“

Komplimente verteilt er nur hintenherum, wenn er das westfälische Temperament runtermacht: „Det is wie beim Karneval in Rio, nur ohne Musik und Tanz.“

Ohne Umwege allerdings keilt er gegen die AfD und ihren Vorsitzenden aus, „nachdem et mir gelungen ist meene Facebook-Seite nach drei Jahren Stänkern gegen rechte Pocken arschlochfrei zu kriegen“. „Old MacGauland, der ist zu spät sediert worden, wenn ihr mich fragt“, streut er ein, und: „Habt ihr mal gesehen? Der hat immer det selbe an, jeden Tag. Wie Batman, oder Pinocchio oder Papa Schlumpf. Ick warte ja nur drauf, det der die Maske abnimmt, und et ist Hape Kerkeling,“ das gibt warmen Applaus.

Die Pause nimmt er sich - auf der Bühne

Das Tempo lässt nicht nach, der Neuköllner lässt sein Publikum auch nicht so einfach in die Pause verschwinden, macht gleich hinter dem Vorhang wieder kehrt, während die meisten im Saal schon stehen, und setzt sich. „Ick muss ja auf der Bühne roochen, in der Garderobe darf ick nich.“

Die Frauen bekommen bei Krömer natürlich auch nur auf Umwegen Komplimente. Wenn es um Herren-Kosmetik geht: „Det dürft ihr nicht nehm’, dann müsst ihr sterben.“ Aber eigentlich ist sein Urteil zu dieser Art der Körperpflege: „Die Zeit möcht’ ick haben“, und zeigt den Vogel.

Kein Scherz

Dieses Outing ist sogar echt: Die Figur Kurt Krömer auf der Bühne heißt tatsächlich Alexander Bojcan und ist 45 Jahre alt.

Dass allerdings der Krömer aus Berlin-Neukölln kommt, und der Bojcan aus einer Reederei-Familie aus Lübeck, ist nur ein Abstecher ins Reich der Phantasie, eben in einer „Stresssituation“. Seine aktuelle Tournee führt in am Freitag, 30. Oktober, wieder ins Revier, nach Mülheim in die Stadthalle.

Fruchtsäure-Peeling, „det kenn ick aus der Jugend, mit’m Kopp in der Erdbeerbowle.“ Außerdem „ooch so’ne Scheiße wie Sport, det stoße ick ab.“ Den Krömer beweist: „Kuckt euch Max Schmeling an, jahrzehntelang Sport gemacht, und? Is ooch tot.“

Er scheut keine Tabus, erzählt, wo ihn das Wäschereischildchen juckt, und präsentiert sogar ohne Zögern seine Zahnprothese, „Provisorium seit 18 Monaten“, demonstriert natürlich auch die Reinigung, „ne Lava-Lampe ist nix gegen det Sprudeln.“ Der erste Reihe bleibt nichts erspart. Müssen die ja wissen.