Gelsenkirchen/Hanau. Bluttat von Hanau erschüttert Gelsenkirchen: OB Baranowski schreibt Brief an Amtskollegen. 150 Teilnehmer kommen zur Kundgebung auf den Neumarkt.
Razzien und Festnahmen in sechs Bundesländern gegen eine mutmaßliche rechtsextreme Terrorzelle, der Mordanschlag auf den Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke, der Anschlag auf eine Synagoge in Halle, die rassistische Mordserie des NSU, die sich ins kollektive Gedächtnis eingebrannt hat. Und jetzt die Bluttat von Hanau. Die Muslime in Gelsenkirchen sind verunsichert und haben Angst, wie die Vorsitzende des hiesigen Integrationsrates, Melek Topaloglu, unserer Redaktion berichtet.
Tiefe Bestürzung unter Gelsenkirchens Muslimen
„Die Muslime in Gelsenkirchen sind tief bestürzt“, so Melek Topaloglu nach den jüngsten Morden in Hanau mit rechtem Hintergrund. Die Erziehungswissenschaftlerin und SPD-Politikerin pflegt gute Kontakte in die muslimische Gemeinde in Gelsenkirchen und gibt der Forderung der Menschen Ausdruck, „dass ein Ruck durch die Gesellschaft gehen und ein klares Zeichen gegen Islamfeindlichkeit und Extremismus jeglicher Form gesetzt werden muss“.
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Seit der NSU-Mordserie, so Topaloglu weiter, seien Muslime hier und andernorts besonders sensibilisiert für Extremismus, die späte Aufklärung der NSU-Morde habe das Vertrauen der Menschen in den Rechtsstaat erschüttert, vielfach fühlten sich Menschen muslimischen Glaubens nicht mehr ausreichend geschützt in Gelsenkirchen und auch in Deutschland. Ebenso der Umstand, dass Rechtspopulisten wie die AfD auf dem Vormarsch sind und in Thüringen „Hand an den Regierungstisch legen“, habe Ängsten und Verunsicherung noch mehr Nahrung gegeben.
Melek Topaloglu richtet einen Appell an die Bürger
Die Vorsitzende des Gelsenkirchener Integrationsrates richtete einen Appell an die Bürger in Gelsenkirchen und in Deutschland: „Unsere Hoffnung ruht darauf, dass solche Vorfälle lückenlos aufgeklärt werden und in Zukunft durch mehr Präventionsarbeit bereits im Keim erstickt werden.“
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Topaloglu setzt zudem darauf, dass die Mehrheit der demokratischen Gesellschaft in Gelsenkirchen und in Deutschland, sich klar von rechten Positionen distanziert und solche Anschläge verurteilt.
Kundgebung auf dem Neumarkt mit etwa 150 Teilnehmern
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Etwa 150 Teilnehmer kamen am Nachmittag um 17 Uhr zu einer Kundgebung auf den Neumarkt. Sie alle wollten ein Zeichen setzen gegen Fremdenfeindlichkeit. Stadträtin Annette Berg richtete ein paar Worte an die erschütterten Menschen: „Taten wie diese zeigen deutlich, dass wir in Deutschland ein Problem haben. Und dieses Problem heißt Rassismus!“ Sie las einen Brief vor, den Oberbürgermeister Frank Baranowski seinem Amtskollegen in Hanau, Claus Kaminsky, geschickt hatte. Anschließend bat sie um zehnminütiges Schweigen in Gedenken an die unschuldigen Toten.
„Mit Entsetzen verfolgen auch wir hier in Gelsenkirchen die Berichte über die schrecklichen Ereignisse“, so Baranowski in dem Brief. „Irgendwie unfassbar und unwirklich, und doch schreckliche Realität! Wir sind in Solidarität bei den Opfern und deren Familien (...). Selbst wenn sich das Motiv (...) möglicherweise bald finden lässt, wird sich uns dennoch nie erschließen, was Menschen dazu bringt, eine Waffe auf ihnen völlig Unbekannte zu richten und damit Leid über viele Familien zu bringen.“
Fassungslosigkeit in der Gelsenkirchener CDU
Wolfgang Heinberg, Fraktionsvorsitzender der CDU im Rat der Stadt, drückte in einer Mitteilung seine Gedanken aus: „Weiberfastnacht ist von der Gewalttat in Hanau überschattet. Ich schließe mich den Worten des Kölner Karnevalspräsidenten Christoph Kuckelkorn an: ,Im Leben und vor allen Dingen im Karneval sind die Momente der überschäumenden Freude und des Feierns und die der Trauer und die stillen Momente immer nah beieinander. Heute, in den Stunden, überwiegt bei uns allen, glaube ich, die Fassungslosigkeit.’“
Der CDU-Kreisvorsitzende Sascha Kurth sagt: „Das Verbrechen in Hanau lässt mich fassungslos zurück. Die Tat führt uns auf erschreckende Art erneut vor Augen, wohin Hass und Hetze führen.“
Ünalgan (SPD) macht AfD mitverantwortlich
Taner Ünalgan, Mitglied des Vorstandes der SPD Gelsenkirchen, erklärt: „Die schreckliche Tat von Hanau (...) ist ein weiteres, grausames Beispiel von rechtsextremistischem Terrorismus in Deutschland 75 Jahre nach Ende des Zweiten Weltkrieges und schlicht die Umsetzung rassistischer Ideologie in die Tat.“ Über die AfD sagt Ünalgan: „Sie ist Täterin und Mittäterin. Ihre Hetze ermutigt ihre Komplizen auf der Straße dazu, solche Taten folgen zu lassen.“