Gelsenkirchen-Ückendorf/Bochum-Leithe. Auf der Gelsenkirchener Halde Rheinelbe ist die Reinigung der „Himmelstreppe“ gestartet. Das Kunstwerk war illegal mit Farbe eingesprüht worden.

Großreinemachen an der „Himmelstreppe“. Die Betonskulptur und Landmarke auf der Halde Rheinelbe an der Stadtgrenze zwischen Gelsenkirchen und Bochum wird von Graffiti und Silberlack befreit. Der Aufwand ist hoch, die Kosten ebenso.

Masken mit Luftfilter, Ohrschützer, den Körper dick verpackt in Schutzanzügen – es könnte eine Szene aus einem Abenteuerfilm sein, denn dazu passt auch die Kulisse: Ein Spiralberg gleicht einem Vulkan, darauf immense Steinblöcke, an eine eingestürzte Maya-Ruine erinnernd. Wir sind aber nicht in Mittelamerika sondern tief im Westen, genauer gesagt an der „Himmelstreppe“, wo ein vierköpfiges Team jetzt die Landmarke von illegalen Farbattacken befreit.

Eine mühsame Arbeit, denn die Sprayer haben die Steinquader des zehn Meter hohen Kunstwerks von Herman Prigann in den Jahren mit mehreren Schichten überzogen, dazu lassen Windgeschwindigkeiten von mehr als 30 Stundenkilometern und acht Grad Lufttemperatur geradezu arktische Gefühle aufkommen. Da ist der Dieselkompressor am Fuße der 66 Stufen, die auf die Plattform in rund 100 Metern Höhe führen, hoch willkommen. Am Maschinengehäuse wärmen sich Dirk Schilling und sein dreiköpfiges Team die steifen Finger immer wieder auf.

400 Quadratmeter Fläche müssen gesäubert werden

„Die unteren Sockelsteine sind schon gereinigt“, sagt der Geschäftsführer der Spezialfirma für Graffiti-Entfernung mit prüfendem Blick. Als nächstes geht es auf dem Gerüst rund um die Skulptur eine Etage höher. „Ich schätze, dass wir in einer Woche fertig sein werden.“ 400 Quadratmeter Fläche sind dann von Liebesgrüßen, Tags (Signaturen) und Reviermarkierungen befreit worden – Ultras des FC Schalke 04 und hartgesottene Fans aus Bochum (und Wattenscheid) beanspruchen das Monument für sich als Grenzstein an der Demarkationslinie zwischen den Städten und Fußball-Clubs.

Ein Mitarbeiter der Firma Graffiticleaner reinigt mit einem Gemisch aus Wasser und Calcitpuder die Betonquader.
Ein Mitarbeiter der Firma Graffiticleaner reinigt mit einem Gemisch aus Wasser und Calcitpuder die Betonquader. © FUNKE Foto Services | Ingo Otto


Mit einem „umweltfreundlichen Gemisch aus Wasser, Pressluft und Calcit-Puder als Strahlmittel“, erklärt Dirk Schilling, schwemmt das Team von Graffiticleaner die Sprühfarben aus den Kapillaren der riesigen Betonblöcke. Etwa drei bis fünf Kubikmeter Wasser sind dafür insgesamt nötig (siehe Infobox). Es ist höllisch laut, 110 Dezibel, vergleichbar mit dem Geräuschpegel einer Motorsäge aus der Nähe oder dem Besuch eines Rockkonzertes. Das Zischen ist selbst noch am Fuß der Halde zu hören, obwohl der Druck, mit dem das Wasser aus den Strahldüsen schießt, gar nicht mal so hoch ist – lediglich zwei bis drei bar sind es. „Alles andere würde Stein und Struktur zu sehr schädigen“, sagt Schilling. Es solle ja nur die Farbe abgetragen werden, nicht mehr.

Vandalismus kostet den RVR 100.000 Euro im Jahr

Rund 15.000 Euro kostet den Regionalverband Ruhr die Reinigung der Himmelstreppe. Der RVR ist für die Halde zuständig. Die Erben von Herman Prigann hatten darauf bestanden, dass die Skulptur wieder in den Ursprungszustand versetzt wird. Graffiti vor Ort und anderswo hat und wird es wohl immer geben, das Fass zum Überlaufen gebracht hatte aber ein komplett silberner Überzug, den Unbekannte im März vergangenen Jahres aufgebracht hatten.

Barbara Klask, Sprecherin des RVR (r.), und RVR-Bauleiter Simon Meier stehen vor der Himmelstreppe auf der Halde Rheinelbe an der Stadtgrenze zwischen Gelsenkirchen und Bochum. Die Skulptur des Künstlers Herman Prigann wird von Graffiti befreit.
Barbara Klask, Sprecherin des RVR (r.), und RVR-Bauleiter Simon Meier stehen vor der Himmelstreppe auf der Halde Rheinelbe an der Stadtgrenze zwischen Gelsenkirchen und Bochum. Die Skulptur des Künstlers Herman Prigann wird von Graffiti befreit. © FFS | Foto: Ingo Otto

Für viele Besucher ein schöner Anblick, für nicht wenige Vandalismus, für dessen Beseitigung „der Verband rund 100.000 Euro pro Jahr in seinem Zuständigkeitsbereich aufwendet“, wie RVR-Sprecherin Barbara Klask mitteilt.

Zurück zu den emsigen Graffiticleanern von Dirk Schilling. Der spektakulärste Auftrag? „Das war die Beseitigung des Schriftzuges ‘Ich liebe dich’ vom Schornstein der Henrichshütte in Hattingen. Auf 108 Metern Höhe“, sagt der 54-Jährige feixend, denn als Liebesbekundung zum Ruhrgebiet „hatte das durchaus Charme, aber nicht auf einem denkmalgeschützten Gebäude“. Und eben die Himmelstreppe in Gelsenkirchen. Warum? „Nun“, sagt Schilling, „ein Dortmunder in Gelsenkirchen unter königsblauem Himmel, na wenn das mal keine Nachbarschaftshilfe ist.“ Die Grenzen, sie gibt es wohl nur in den Köpfen.https://www.waz.de/staedte/gelsenkirchen/himmelstreppe-in-gelsenkirchen-wird-gereinigt-id228464101.html