Gelsenkirchen. Der Gelsenkirchener Umweltausschuss befasste sich mit Raffinerie-Abfall. Auf der Zentraldeponie lagern über 30.000 Tonnen dieses giftigen Mülls.
Die Lagerung gefährlicher Raffinerie-Rückstände – als Petrolkoks bezeichnet – auf der Gelsenkirchener Zentraldeponie Emscherbruch ist ein hoch emotional und kontrovers diskutierter Dauerbrenner. Am Dienstag tagte der Umweltausschuss. Danach ist klar, wie viele Tonnen des giftigen Raffinerie-Mülls zuletzt aus Köln nach Gelsenkirchen geliefert wurden.
In den vergangenen zwei Jahren sind jeweils rund 178.000 Tonnen in die Gelsenkirchener Abfall-Lagerstätte gebracht worden, „17.000 Tonnen pro Jahr stammen von der Rheinland-Raffinerie von Shell in Köln“, sagte Christel Wies, Abteilungsleiterin Umwelt und Arbeitsschutz bei der Bezirksregierung Münster. Wies als auch AGR-Bereichsleiter Karl-Heinz Dingerdissen betonten, dass jeder für sich „gesetzes- und genehmigungskonform“ gehandelt habe. Die Abfallentsorgungs-Gesellschaft Ruhrgebiet betreibt die Deponie an der Stadtgrenze Gelsenkirchen/Herne.
Bürgerinitiative fordert Untersuchungsausschuss
Der Widerspruch der Bürgerinitiative (BI) „Uns stinkt’s“, deren Sprecher Heinz-Peter Jäkel außer der Reihe ein fünfminütiges Rederecht eingeräumt wurde, kam prompt. Mehr noch sogar, Jäkel rückte Behörde und Betreiber in die Nähe „krimineller Machenschaften“. Die BI forderte die Einsetzung eines „Untersuchungsausschusses durch den Landtag“ sowie den „Entzug der Entscheidungsgewalt der Bezirksregierung Münster im Hinblick auf die geplante Erweiterung der Zentraldeponie“. Das hat mit der Zwischenbehandlung des angelieferten Raffinerie-Mülls zu tun, der unter anderem mit Nickel und Vanadium belastet ist – Stoffe, die in hohen Dosen als krebserregend gelten.
Die Kritik der BI stützt sich dabei auf das Umweltministerium und dessen „Verbot der Vermischung“, einschließlich der Verdünnung gefährlicher Abfälle mit anderen Kategorien von gefährlichen Abfällen oder mit anderem Müll, Stoffen oder Materialien. In einer zwischengeschalteten Abfallbehandlungsanlage werden den Raffinerie-Rückständen Stäube und Klärschlammverbrennungsaschen beigemischt, wodurch die Schadstoffkonzentration sinkt. In den Augen der BI ist das „ein Trick, um die Grenzwerte einzuhalten und eine lukrative Deponierfähigkeit zu erreichen.“ Was die Bezirksregierungen in Düsseldorf und Köln als nicht genehmigungsfähig erachteten, so Jäkel weiter, lasse die Bezirksregierung Münster als einzige Aufsichtsbehörde mit sich machen.
Zwischenbehandlung macht aus Abfall regionalen Müll
Die Zwischenbehandlung ist ein Punkt, der quer durch alle Parteien im Gremium auf großes Interesse und für einige Überraschung sorgte. Denn der Gesetzgeber sieht eigentlich eine regionale Entsorgung vor. Die Zwischenbehandlung in der Nähe einer Deponie führt aber dazu, dass selbst von weit her angelieferter Abfall als neuer, eben umgebungsnaher Müll angesehen wird, gegen dessen Entsorgung in Gelsenkirchen dann nichts mehr spricht. Eine Erklärung für die Müll-Achse Köln-Gelsenkirchen.
AGR: Müll wird mehrfach durch ein Labor untersucht
Der zur Zentraldeponie angelieferte Müll unterliegt laut Betreiber AGR einer mehrfachen Kontrolle. Zum einen sei der Verursacher, beispielsweise ein Abbruchunternehmen, dazu verpflichtet, „bei einem zertifizierten Labor“ die Schadstoffwerte analysieren und sich das Ergebnis bescheinigen zu lassen. Des Weiteren würde bei der Anlieferung der Abfall nochmals beprobt und untersucht.
Bei Petrolkoks – auch Ölpellets genannt – handelt es sich um Rückstände, die bei der Schwerölvergasung in der Raffinerie entstehen. Nach Ministeriumsangaben ist der Stoff an mehrere Kraftwerke geliefert worden, darunter Gelsenkirchen, Herne und Lünen. 20 Standorte sind betroffen.
„Wir haben diese Gesetze nicht gemacht“, sagte AGR-Sprecher Jürgen Fröhlich in einer Sitzungspause. Er proklamierte für das Unternehmen, stets mit offenen Karten zu spielen und Anfragen aus der Politik und der „verständlicherweise besorgten Anwohnerschaft“ mit der größtmöglichen Offenheit zu begegnen, sei es bei „Runden Tischen oder Deponie-Besichtigungen“.
Manfred Leichtweiß (SPD), Vorsitzender des Umweltausschusses, ordnete die Abfallwirtschaft hingegen als „einen Zweig ein, der nicht gerade mit viel Transparenz arbeitet“. Dabei hatten er und auch Union, Bündnisgrüne, Die Linke und das Bürgerbündnis AUF vor allem die Arbeitsvorgänge bei der Zwischenbehandlung im Blick. „Denn die“, so Christel Wies von der Bezirksregierung Münster, „sind ein Betriebsgeheimnis.“