Gelsenkirchen. Für Gelsenkirchen war es ein „Jahrhundertereignis“. Über den Besuch von Papst Johannes Paul II. 1987 hat Christopher Schmitt ein Buch verfasst.
Der Besuch von Papst Johannes Paul II. 1987 im Parkstadion und die Messe mit rund 90.000 Menschen sind in ihrer Größe und Beachtung hier unübertroffen. Das „Jahrhundertereignis für Gelsenkirchen“ hat Stadtrat Christopher Schmitt in einem Buch aufgearbeitet. Titel: Der Papst im Parkstadion. Auf 72 Seiten stellt der oberste Wirtschaftsförderer der Stadt den Besuch in einen regionalgeschichtlichen Zusammenhang.
Wie kommt ein Volljurist und Stadtrat dazu, ein solches Buch zu schreiben?
Christopher Schmitt: Ortsgeschichte interessiert mich, die Arbeit an diesem Buch habe ich als einen angenehmen Ausgleich zum Berufsalltag empfunden. Ich habe mich ja schon früher als Vorsitzender der Wirtschaftsinitiative Gelsenkirchen mit Themen wie der WM 74 oder der Ära des Stadionrocks in unserer Stadt befasst. Ich glaube, dass die Befassung mit der Geschichte der eigenen Stadt so etwas wie Heimatbindung schafft oder verstärkt. Wenn ich heute mit Investoren über den Arena Park spreche, höre ich immer mal wieder den Satz: „Der Papst war doch auch schon einmal da.“ Im Advent 2018 hat eine solche Bemerkung solange in meinem Kopf nachgehallt, bis ich einfach einmal damit angefangen habe, im Internet zu recherchieren. Dabei kam viel interessantes Material zusammen und da hatte mich das Thema auch schon in seinen Bann gezogen.
Wie lange hat es von der ersten vagen Idee bis zu den ersten Zeilen gedauert?
Das ging recht fix. Die ersten Gliederungsskizzen und Textentwürfe habe ich schon wenige Wochen später im Weihnachtskiurlaub geschrieben.
Wie schwierig war der Wechsel vom Amtsdeutsch in den Erzählstil?
Das war kein Problem, Amtsdeutsch ist ja keine Muttersprache. Mein Ziel war es, ein schillerndes Ereignis der Stadtgeschichte auf der einen Seite informativ und auf der anderen Seite auch unterhaltsam in Erinnerung zu rufen. Ich hoffe, dabei die richtige Balance gefunden zu haben. Ich finde, dass auch bei einem grundsätzlich ernsten Thema hier und da ein Augenzwinkern gestattet sein muss – das geht ja auch ohne Emoji.
Wie aufwändig waren das Zusammentragen von Daten, Bildern und die Gespräche mit Zeitzeugen? Gab es Momente, in denen Sie ans Aufhören dachten?
Das war ja nicht Pflicht, sondern Kür und deshalb auch nicht mühsam. Die Recherche ging recht flott, weil ich auf viel Wohlwollen und Entgegenkommen gestoßen bin. Die Archive der Stadt, des Bistums und von Schalke 04 haben mich sehr bereitwillig unterstützt. Außerdem haben mir auch einige der damaligen Protagonisten ihr privates Material zur Verfügung gestellt oder ihr Wissen in Gesprächen mit mir geteilt. Ein Glücksfall war das große Reservoir an teilweise bislang unveröffentlichten Fotos, das mir zur Verfügung gestellt wurde. So ist der Rohentwurf recht zügig fertig geworden.
Abstecher nach Gelsenkirchen beim zweiten Deutschlandbesuch
Papst Johannes Paul II. hat Deutschland drei Mal besucht. Der Besuch in Gelsenkirchen war Teil seiner zweiten Reise nach Deutschland.
Das Buch „“ Der Papst im Parkstadion“ ist im Klartext-Verlag erschienen, ISBN: 978-3-8375-2194-8. Auf 72 Seiten sind zahlreiche Bilder zu finden. Preis: 16,95 Euro.
Was waren die überraschendsten, kuriosesten oder vielleicht auch berührendsten Fakten oder Umstände, auf die Sie bei Ihren Recherchen gestoßen sind?
Johannes Paul II. hat sich in seiner Predigt sehr intensiv mit den Problemen in unserer Region befasst, sowohl mit dem Rückzug der Bergbau- und Stahlindustrie als auch mit der Abwärtsbewegung der katholischen Kirche. Es ist bewegend, gut drei Jahrzehnte später zu sehen, wie berechtigt seine Sorgen waren. Es gibt einige schöne Dönekes, zum Beispiel die Landung des „Holy-Copters“ an einer Aschebahn, die die Wartenden, und vor allem Oberbürgermeister Kuhlmann und die Ehrengäste einem wahren „Sandsturm“ ausgesetzt hat. Auch die Geschichte der Ehrenmitgliedschaft des Papstes bei Schalke 04 und besonders den Einsatz von Charly Neumann in diesem Zusammenhang finde ich amüsant. Dass die Teilnahme von Messdienerinnen damals so ein Streitpunkt war, kann ich heute meiner Tochter, die bis vor kurzem selbst eine war, gar nicht vermitteln. Und: Es gab in der Titanic von Mai 1987 von keinem Geringeren als Walter Moers einen dreiseitigen Comic über den Papst im Parkstadion.
Wie haben Sie selbst den Besuch des Papstes erlebt, welchen Eindruck hat das auf die Menschen gemacht, die dem Kirchenoberhaupt begegnet sind – etwa Sozialdezernent Luidger Wolterhoff oder Propst Markus Pottbäcker?
Ich selbst war nicht im Stadion, und das, obwohl ich fast nebenan wohnte! Ich kann aber wirklich nicht mehr sagen, ob das meinem Abitur-Trubel oder einem gewissen jugendlichen Desinteresse geschuldet war. Jedenfalls sind meine Gesprächspartner immer noch beeindruckt von der besonderen Atmosphäre im Stadion oder von dem Charisma von Johannes Paul. Neben den beiden genannten Teilnehmern habe ich unter anderem auch Gerd Rehberg, den Juwelier Alfred Weber als Stifter eines Altarkreuzes und den damaligen Oberstadtdirektor Dr. Jürgen Linde zu Wort kommen lassen.
Was hat der Papst-Besuch Ihrer Meinung nach für Gelsenkirchen und die Region bewirkt oder bewirkt noch in Bezug auf Strukturwandel und Arbeitslosigkeit?
Der Förderturm, der ein zentrales Element der Altargestaltung war, hat heute im Ruhrgebiet nur noch Museumscharakter, und eine Kirche nach der anderen wird vom Netz genommen. Es hat den Menschen im Ruhrgebiet aber gut getan, dass der Papst hier war. Er hat sich mit ihren Sorgen auseinandergesetzt, gemahnt und ermutigt und sie auch als stolze Gastgeber in den Fokus einer Weltöffentlichkeit gerückt. Der Besuch fiel in schwere Zeiten und er war wichtig für den Antrieb und das Selbstbewusstsein in der Region. Die damalige Stadtspitze hat von einem Jahrhundertereignis für Gelsenkirchen gesprochen. Deshalb freue ich mich, dass das Institut für Stadtgeschichte den Ball aufgenommen hat und zurzeit an einem Erinnerungsort im Bereich des Parkstadions arbeitet. Die Kirche hilft auch mit.
Der Verkauf des Buches ist gestartet. Haben Stift und PC jetzt eine Auszeit oder haben Sie bereits ein neues Projekt im Sinn?
Oh, Lust hätte ich schon, und es mangelt auch nicht an Themen, die ich interessant finde, z.B. aus der Wirtschaftsgeschichte der Stadt. Aber das war ja ein nebenberufliches Projekt und ich bin meiner Frau und meinen Töchtern wirklich dankbar dafür, dass sie mir bei aller beruflichen Abwesenheit auch noch meine innere Abwesenheit während so mancher vertieften Stunde zu Hause am Computer nachgesehen haben. Wenn sie jetzt in der WAZ lesen müssten, dass ich schon den nächsten Streich plane, gäbe das sicher Stress!