Gelsenkirchen. Die komische Barock-Oper „Orlando Paladino“ von Haydn feiert am Sonntag, 19. Januar, ihre Premiere am Gelsenkirchener Musiktheater im Revier.
Der Maestro klopft aufs Pult. Die Orchestermusiker brechen ab. „Sehr, sehr schön“, lobt der Dirigent, „aaaber…“ Hier noch ein bisschen leiser, dort noch ein wenig flotter, da stärker akzentuieren. Der Kölner Werner Ehrhardt feilt in diesen Tagen im Graben des Musiktheaters im Revier (MiR) penibel an der Inszenierung der komischen Barock-Oper „Orlando Paladino“. Das nur selten gespielte Ritterdrama von Joseph Haydn feiert am kommenden Sonntag, 19. Januar, im Großen Haus Premiere.
Nach Leos Janáceks ebenfalls eher unbekannten Oper „Die Sache Makropulos“ setzt MiR-Intendant Michael Schulz nun auf eine weitere Neuentdeckung. Die Gelsenkirchener Theatermacher selbst haben diese Haydn-Rarität vor ein paar Jahren bei einem Besuch am Opernhaus Zürich entdeckt, für gut befunden und die Produktion in der Inszenierung der niederländischen Regisseurin Jetske Mijnssen nun von dort übernommen. Allerdings mit eigenem Ensemble und Orchester.
Lob für das Sängerensemble und die Statisterie am Musiktheater im Revier
Claudia Isabel Martin, wie einst in der Schweiz für die szenische Einstudierung verantwortlich, lobt das „tolle Sängerensemble und die spielfreudige Statisterie“ am MiR: „Dadurch bekommt die Produktion einen ganz neuen Geist und Esprit.“ Regisseurin Mijnssen wird erst wieder die Endproben leiten. Ihr gilt Haydns Oper um Irrungen und Wirrungen der Liebe als „Stück rund um menschliche Tiefe, Virtuosität und Zerbrechlichkeit“. Die Verrücktheiten der Liebe habe es zu Haydns Zeiten ebenso gegeben wie heute.
Und darum rasseln in dieser Inszenierung des Ritterdramas auch nicht die Kettenhemden, sondern treffen sich moderne Jugendliche in einer leicht heruntergekommenen Kneipe. Die charmante Guckkastenbühne mit Bar, hölzernen Säulen und Musikpodest schuf Ben Baur, der 2018 am Musiktheater mit seiner Inszenierung von Poulencs „Dialogues des Carmélites“ für Furore sorgte. In dieser Szenerie treffen sich die jungen Menschen, darunter Titelheld Orlando, den in Gelsenkirchen Martin Homrich singt, und seine heiß geliebte Angelica, interpretiert von Penny Sofroniadou vom Opernstudio NRW. In einer weiteren Hauptrolle präsentiert sich Tenor Khanyiso Gwenxane in der Partie des Medoro, den Angelica liebt. Jeder hat andere Vorstellungen von Glück und Liebe und dann greift auch noch Zauberin Alcina mit ihren Ratschlägen ins Geschehen ein. Das Liebeskarussell wird sich rasend schnell drehen, versprechen die Macher.
Werner Ehrhardt dirigiert die Neue Philharmonie Westfalen
Nicht zuletzt angefeuert durch die barocken Klänge, die die Neue Philharmonie Westfalen unter Werner Ehrhardt spielen wird. Der Dirigent, bekannt als Experte für historische Aufführungspraxis und bereits mehrfach zu Gast bei der Neuen Philharmonie, nannte in einem Gespräch in der Probenpause die Komposition „unglaublich facettenreich und geistsprühend“: „Das alles hat eine große Raffinesse, und wir sind aufgerufen, die genau herauszuschälen. Diese Musik darf keine lauwarme Brühe werden.“
Die Komposition, verspricht Ehrhardt, treibt das Geschehen permanent voran: „Das pocht und pulsiert, ist enervierend und energetisch. Diese Musik tickt wie ein Uhrwerk.“ Eine hohe Anforderung auch für das Sängerensemble: „Da muss ein Rädchen ins andere passen.“ Dramaturg Olaf Roth weiß: „Das klingt alles leicht zugänglich, darum unterschätzt man diese Musik schnell.“
Und schon hebt Werner Ehrhardt wieder den Taktstock, wird loben, unterbrechen, fordern. Am Ende muss eben alles ganz genau sitzen.