Gelsenkirchen-Resser Mark. Betreiber bestreitet, am Standort „Petrolkoks“ bezogen zu haben. Unternehmen findet sich aber in der Liste der Firmen, die Material erhielten.
„Petrolkoks“ stand drauf, drin war aber mittlerweile als gefährlich eingestufter Industriemüll: Der mit den Schadstoffen Vanadium, Nickel und Schwefel besonders hoch belastete Abfall wurde auch nach Gelsenkirchen geliefert. Dies hat das NRW-Umweltministerium in einer Antwort auf eine Kleine Anfrage zweier SPD-Landtagsabgeordneter bestätigt. Wie eine Nachfrage dieser Zeitung ergab, war es die Zentraldeponie Emscherbruch, die die Raffinerie-Rückstände aus den Wesselinger Anlagen des Mineralölkonzerns Shell bezog – vermischt mit anderen Abfällen. In welcher Menge und in welchem Zeitraum, ist unklar.
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Während das NRW-Ministerium in einer Information für den Landes-Umweltausschuss Mitte Dezember 2019 die Gelsenkirchener Deponie unmissverständlich als eines der 24 Unternehmen in 20 Städten in der Rhein-Ruhr-Region auflistet, in denen seit 2008 die Raffinerie-Rückstände „eingesetzt, umgeschlagen, gelagert bzw. abgelagert“ wurden, betont die Abfallentsorgungs-Gesellschaft Ruhrgebiet mbH (AGR) als Betreiber der Deponie: „Grundsätzlich ist festzuhalten, dass am Standort der Zentraldeponie in Gelsenkirchen kein Petrolkoks als Abfall angenommen und deponiert wurde“, so deren Sprecher Tim Nowak.
AGR: Entscheidend ist, ob der Abfall die Vorgaben der Deponie-Verordnung erfüllt
Als Widerspruch zur Aussage des NRW-Ministeriums will Nowak das allerdings nicht verstanden sehen. Die Behörde verfüge über mehr Informationen als die Deponie. Denn es sei der AGR gar nicht bekannt, ob in Abfällen, die von anderen Unternehmen womöglich chemisch oder physikalisch behandelt bzw. aufbereitet wurden, Petrolkoks enthalten sei – bzw. die unter diesem Namen falsch deklarierten Schadstoffe. „Für uns ist einzig entscheidend, ob der Abfall die Vorgaben der Deponie-Verordnung erfüllt. Dann ist er nicht illegal und wir nehmen ihn zur Ablagerung an“, erklärte AGR-Mitarbeiter Karlheinz Dinger-Dissen im Gespräch mit dieser Zeitung.
Die Übereinstimmung mit der Deponie-Verordnung werde beim Erzeuger respektive Lieferanten und noch einmal bei der Anlieferung durch Analysen des Abfalls sichergestellt, die die Deponie-Mitarbeiter selbst vornähmen. „Dabei dokumentieren wir jeden einzelnen Schritt nachprüfbar für die Behörden“, betonte Dinger-Dissen.
AGR schließt falsche Deponierung aus
Der Lkw-Fahrer erhalte genaue Anweisungen, in welchem Planquadrat er seine Fracht abzukippen habe, je nachdem, um welche Deponieklasse es sich handele. Die Zentraldeponie verfügt auch über eine Sonderabfall-Deponie (Klasse III), wo gefährlicher Abfall – wie besagte Raffinerie-Rückstände – entsorgt wird. „Dass also falsch deklarierter Müll auf einer Fläche landet, die nicht dafür geeignet ist, können wir ausschließen“, so Dinger-Dissen.
Sorge um das Grundwasser brauche sich niemand zu machen: Der Bereich der Deponieklasse III sei den gesetzlichen Vorgaben entsprechend so abgedichtet, dass keine Verunreinigung drohe. Zudem werde das Regenwasser aufgefangen und nach einer Behandlung fachgerecht entsorgt.
Deponie offiziell mit Entsorgung beauftragt
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Luft-Messungen an drei Standorten von Januar 2016 bis Januar 2017 in Zusammenhang mit der geplanten Erweiterung hätten dokumentiert, „dass die bestehenden Grenzwerte deutlich unterschritten wurden“. Da allerdings unklar ist, wann die Deponie mit dem Industrie-Müll beliefert wurde, ist die Aussagekraft dieser Kontrollen nur begrenzt.
SPD fordert Aufklärung im Umweltausschuss
Mit der Aufdeckung, dass als „Petrolkoks“ falsch etikettierte Raffinerie-Rückstände zur Zentraldeponie Gelsenkirchen geliefert wurden, schließt sich ein Kreis: Das NRW-Umweltministerium ist nach eigenen Angaben erst durch den Wirbel um die Verfeuerung von BP-Ölpellets im Uniper-Kraftwerk Scholven auf die Vorgänge rund um die Shell-Raffinerie in Wesseling bei Köln aufmerksam geworden. Uniper verfeuert nach wie vor „im einstelligen Prozentbereich“ Ölpellets zur Stromerzeugung.
Die Gelsenkirchener SPD will das Thema „Shell-Petrolkoks in Gelsenkirchen“ im Umweltausschuss behandelt sehen. Sie fordert Aufklärung von der Landesregierung und der Bezirksregierung Köln als zuständiger Aufsichtsbehörde. Für die Sitzung am 28. Januar hat die SPD einen Sachstandsbericht der Verwaltung angefordert.
Strafrechtlich relevant ist die Entsorgung des falsch etikettierten, krebserregenden Materials nicht für die Geschäftsführung der Zentraldeponie, das hat das NRW-Umweltministerium bereits klargestellt. Beendet ist das Thema aber trotzdem nicht: Shell hat die Zentraldeponie ganz offiziell mit der Entsorgung der Rückstände beauftragt, teilte das Umwelt-Ministerium gestern auf Anfrage mit. „In der Folge werden diese mit weiteren Schlämmen und Stäuben vermischt und seit dem vergangenen Juli unter anderem auf der dafür zugelassenen Sondermülldeponie Emscherbruch entsorgt, die alle technischen Anforderungen an die ordnungsgemäße Entsorgung des Abfalls erfüllt“, so Pressereferentin Tanja Albrecht.